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Rechtsanwalt, Fachanwalt für Erbrecht, Obrigheim bei Mosbach
13.03.2015Erbschein - Testament - Kopie

Erbschein durch Kopie des Testaments möglich

Leitgedanke der Entscheidung:

Wird das Originaltestament nicht mehr aufgefunden, kann eine davon gefertigte Kopie die Erbenstellung des darin Bezeichneten begründen.

Der zu entscheidende Sachverhalt des Oberlandesgerichtes:

Der im Jahr 2001 verstorbene Erblasser hinterließ keine gesetzlichen Erben, weshalb ein Nachlasspfleger eingesetzt wurde. Circa 10 Jahre nach dem Tod des Erblassers legte der Neffe seiner vorverstorbenen Ehefrau eine Kopie eines handschriftlichen Testaments des Erblassers dem Nachlassgericht vor, worin dieser Neffe zum Alleinerben bestimmt war. Das Originaltestament war nicht mehr auffindbar. Das Nachlassgericht wies den Erbscheinsantrag zurück, weil zunächst zweifelsfrei feststehen müsse, dass das Original tatsächlich vom Erblasser handschriftlich erstellt worden und der Verlust der Originalurkunde nicht auf einem Widerruf des Testaments mittels bewusster Vernichtung durch den Erblasser zurückzuführen sei. Insbesondere stand für das Nachlassgericht nicht fest, dass der Erblasser das Original nicht etwa bewusst durch Vernichtung widerrufen habe. Da beide Möglichkeiten gegeben waren, wurde der Erbscheinsantrag zurückgewiesen. Im Beschwerdeverfahren benennt der Antragsteller seine Ehefrau als Zeugin für den Errichtungsakt des Originaltestaments.

Die Entscheidung des Oberlandesgerichts Naumburg

Nach Zeugenvernehmung gibt der Senat der Beschwerde statt und weist das Nachlassgericht an, den Alleinerbschein zu erteilen.

Ein Erbrecht, das auf ein Testament gestützt wird, ist durch Vorlage der Originalurkunde zu beweisen. Wenn das Originaltestament unauffindbar ist, gilt der Grundsatz, dass die Wirksamkeit des Testaments bestehen bleibt, sofern die Originalurkunde ohne Willen und Zutun des Erblassers vernichtet worden, verloren gegangen oder sonst unauffindbar ist. In diesen Fällen kann die formgültige Errichtung und der Inhalt des Testaments mit allen zulässigen Beweismitteln bewiesen werden. Dies ist auch durch die Vorlage einer Kopie des Originaltestaments möglich. Allerdings sind an den Nachweis dann strenge Anforderungen zu stellen. Die vom Senat vernommene Zeugin hat zwar als Ehefrau des Beschwerdeführers ein eigenes, wirtschaftliches Interesse am Ausgang des Rechtsstreits.

Dennoch schilderte sie, dass sie den Erblasser im Krankenhaus besuchte, der dort, auf dem Krankenbett sitzend, auf einem Papierblock das Testament niederlegte. Er bat sie selbst, eine Kopie seines Testaments anzufertigen und gab ihr das Original hierzu mit. Nach Rückkehr aus dem Krankenhaus reichte die Zeugin dem Erblasser absprachegemäß das Originaltestament zurück. Die Ablichtung bewahrte sie jahrelang in einem Kochbuch auf. Erst in einer Fernsehzeitschrift, in der Gerichtsurteile besprochen werden, las sie, dass man auch auf eine solche Kopie unter Umständen ein Erbrecht stützen kann. Deshalb sei erst jetzt, ca. 10 Jahre nach dem Tod des Erblassers, das Testament dem Nachlassgericht in Ablichtung vorgelegt worden. Der Senat hat keine Zweifel an der Kernaussage der Zeugin, nämlich am handschriftlichen Errichtungsakt des Testaments durch den Erblasser selbst.

Das Nachlassgericht hat hingegen die Feststellungslast hinsichtlich der Vernichtung des Originaltestaments falsch interpretiert. Hierfür kommt es auf den Inhalt der materiell-rechtlichen Vorschrift an. Derjenige, der das Erbrecht beansprucht, hat die den Anspruch begründenden Tatsachen vorzutragen und zu beweisen. Dazu zählen die Existenz, formgültige Errichtung und der Inhalt des Testaments. Dagegen geht die Nichterweislichkeit rechtshindernder oder rechtsvernichtender Tatsachen zu Lasten des Testamentserben. Diese Feststellungslast trägt derjenige, dem diese Tatsachen, wozu auch der Widerruf eines nach Errichtung und Inhalt eines erwiesenen Testaments gehört, derjenige, dem diese Tatsachen zugutekommen. Die bloße Nichtauffindbarkeit des Originaltestaments begründet weder eine tatsächliche Vermutung noch einen Erfahrungssatz, dass das Testament vom Erblasser vernichtet oder von ihm ein Widerruf des Testaments geäußert wurde .

Praxishinweis für Sie: 

Der Beschluss fügt sich nahtlos in gleichlautende Entscheidungen anderer Obergerichte  ein: eine Erbenstellung, die auf eine letztwillige Verfügung gegründet wird, kann grundsätzlich nur auf die Vorlage des Originaltestaments gestützt werden. Nur ausnahmsweise und unter engen Voraussetzungen genügt eine Ablichtung des Testaments, wenn das Original nicht mehr auffindbar ist. Unerlässlich ist der Beweis, dass die Errichtung der letztwilligen Verfügung in gehöriger Form (handschriftlich) stattgefunden hat. Ist dieser Beweis gelungen, trägt derjenige die Beweislast dafür, dass das auf diese Art und Weise bewiesene Testament mit Widerrufswillen vom Erblasser widerrufen oder vernichtet wurde, der seine Rechte hierauf stützen will.

Fundstelle: OLG Naumburg, Beschluss vom 29.3.2012 – 2 Wx 60/11





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