Der Fall des OLG Hamm:
Ein Ehepaar hatte sich gegenseitig testamentarisch zu Alleinerben eingesetzt, als Schlusserben ihre drei Kinder bestimmt. Im Testament war eine Pflichtteilsstrafklausel dergestalt aufgenommen, dass dasjenige Kind, welches nach dem Tod des ersten Elternteils seinen Pflichtteil verlangt, nach dem letztversterbenden Elternteil ebenfalls nur den Pflichtteil erhalten sollte. Nach dem Tod der Ehefrau erkrankte der Witwer schwer und wurde betreuungsbedürftig. Einer der Söhne wurde zu seinem Betreuer bestellt.
Mit diesem schloss ein weiterer Sohn einen notariellen Vertrag, in welchem er eine Vorauszahlung auf seinen künftigen Erbteil nach dem Vater vereinbarte. Ein Teil der Zahlungssumme wurde im Notarvertrag ausdrücklich als „Ausgleich für die Pflichtteilsansprüche nach der verstorbenen Mutter“ zur Anrechnung gebracht. Nach dem Tod des Vaters war im Erbscheinverfahren streitig, ob der Zahlungsempfänger wiederum nur den Pflichtteil nach dem Vater erhalten sollte, weil er nach dem Tod der vorverstorbenen Mutter ja seinen Pflichtteilsanspruch durch die vertragliche Regelung geltend gemacht hatte.
Die Entscheidung des OLG Hamm:
Das OLG Hamm sieht in der Pflichtteilsstrafklausel im Testament eine „typische letztwillige Anordnung“, womit die Eltern sicherstellten wollen, dass dem Überlebenden bis zu dessen Tod der Nachlass ungeschmälert und ungestört verbleibt und kein Kind bei der Verteilung des elterlichen Gesamtnachlasses bevorteilt wird.
Die Einsetzung als Schlusserbe entfällt, wenn ein Pflichtteilsverlangen angemeldet wird. Dazu muss der Pflichtteil ausdrücklich und ernsthaft gefordert und in subjektiver Hinsicht in Kenntnis der Verwirkungsklausel diese Forderung gestellt sein. Ein bewusstes oder böswilliges Auflehnen gegen den Erblasserwillen ist zum Auslösen der Pflichtteilsstrafklausel hingegen nicht erforderlich. Dadurch, dass ein Teil des vereinbarten Zahlungsbetrages im notariellen Vertrag ausdrücklich Ausgleich für die Pflichtteilsansprüche nach der vorverstorbenen Mutter bezeichnet ist, ist schon nach dem Wortlaut der Urkunde unmissverständlich, dass insoweit die Zahlung auch zur Erfüllung dieses Pflichtteilsanspruchs erfolgen sollte. Andere Zahlungsmotive sind irrelevant. Das Pflichtteilsverlangen führt deshalb zur Enterbung des Kindes auch im Schlusserbfall, weshalb der Senat dessen Beschwerde kostenpflichtig zurückweist.
Praxishinweis für Sie:
Eine Pflichtteilsstrafklausel hat den Zweck, dem überlebenden Ehegatten jegliche persönliche Belastung zu ersparen. Darauf, ob der Pflichtteilsanspruch gegenüber dem Erben persönlich oder gegenüber seinem Vertreter (Betreuer, Bevollmächtigter) angemeldet wird, kommt es nicht an. Auch der betreuungsbedürftige überlebende Elternteil steht unter dem Schutz einer solchen Pflichtteilsstrafklausel.
Fundstelle: OLG Hamm, Beschluss vom 13.2.2013 – I-15 W 421/12