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Rechtsanwalt, Fachanwalt für Erbrecht, Obrigheim bei Mosbach

Aktuelles aus der Kanzlei

06.11.2025
gemeinsamer Tod und gleichzeitiger Tod

Berliner Testament und "gemeinsamer Tod"

Erbrechtsexperte Wolfgang Roth erläutert eine neue Entscheidung des Oberlandesgerichts (OLG) Brandenburg, das sich um den Begriff „Gemeinsamer Tod“ in einem Berliner Testament abspielt:

Der Leitgedanke des Senats

Setzen Ehegatten in einem Berliner Testament ihre Kinder für den Fall „eines gemeinsamen Todes“ zu ihren Erben ein, spricht dies für eine Schlusserbeinsetzung der Kinder, die nach dem Tod des erstversterbenden Ehegatten nicht mehr geändert werden kann.

Der entschiedene Sachverhalt

Der Verstorbene hatte mit seiner vorverstorbenen ersten Ehefrau zwei gemeinsame Kinder, die Ehefrau brachte zwei weitere Kinder in die Ehe mit. Davon verstarb eines vor beiden Ehepartnern. Die Eheleute errichteten zuvor ein gemeinschaftliches Testament, in welchem sie sich gegenseitig zum Erben einsetzten und bestimmten, dass im Fall „eines gemeinsamen Todes unsere vier Kinder zu gleichen Teilen erben sollen“.

Nach dem Tod seiner Ehefrau heiratete der Erblasser erneut. Mit seiner zweiten Ehefrau errichtete er ein notarielles Testament, in welchem sich beide Ehegatten zu Alleinerben einsetzten. Nach dem Tod des Ehemannes beantragte die Witwe einen Alleinerbschein. Dem widersprachen die drei Kinder des Erblassers und beantragten ihrerseits einen gemeinschaftlichen Erbschein, der sie zu je 1/3 als Erben ausweisen sollte. Das OLG gibt ihnen Recht.

Die tragenden Gründe der Entscheidung

Das OLG sieht in der Einsetzung der (ursprünglich) vier Kinder für den Fall des gemeinsamen Todes eine bindend gewordene Schlusserbeinsetzung nach dem Tod der ersten Ehefrau. Die Auslegung des Willens der Testierenden ergibt, dass sich der Begriff „gemeinsamer Tod“ nicht an einer gleichzeitigen Todesursache orientiert. Die Formulierung deutet vielmehr an, dass die Schlusserbenregelung von den Ehegatten auch für den Fall getroffen wurde, dass sie in zeitlich größerem Abstand voneinander versterben.  Bereits die gewählte Formulierung selbst (gemeinsamer Tod) ist gerade nicht auf ein gleichzeitiges Versterben, sondern auf einen gemeinsamen, auch zeitlich nachfolgenden Tod gerichtet.

Der Begriff „gleichzeitig“ setzt hingegen einen eindeutigen zeitlichen Bezug voraus, zu welchem die beiden Todeszeitpunkte eintreten. Dieser ist jedoch gerade nicht von den Testatoren verwendet worden. Der Begriff des „gemeinsamen“ Todes ist daher nicht auf einen engen zeitlichen Zusammenhang beider Sterbefälle beschränkt, sondern deutet auf einen gemeinsamen Zustand, nämlich den Tod beider Eheleute beschreibt. Als Rechtsfolge tritt die gemeinschaftliche Schlusserbeinsetzung der Kinder ein.

Außerdem haben die Kinder aus erster Ehe bestätigt, dass beide Erblasser ihnen gegenüber erwähnten, dass die Kinder im Rahmen eines „Berliner Testaments“ später (also nach dem Tod des letzten Ehepartners) das Erbe antreten würden. Auch dass der Erblasser beim Notar bei Errichtung seines notariellen Testaments mit der zweiten Ehefrau ausdrücklich nachfragte, ob er überhaupt noch testieren dürfe, ist ein Indiz dafür, dass er selbst davon ausging, bereits eine Schlusserbfolgeregelung getroffen zu haben. Wegen der Bindungswirkung hinsichtlich der Schlusserbeinsetzung ist die im notariellen Testament getroffene weitere Schlusserbeinsetzung der überlebenden Ehefrau unwirksam.

Praxishinweis für Sie

Der Senat grenzt in Übereinstimmung mit anderen Oberlandesgerichten die in Berliner Testamenten oftmals verwendeten Begriffe des „gleichzeitigen“ Todes und des „gemeinsamen“ Todes voneinander ab. Ein gemeinsames Versterben kann, muss jedoch nicht ein gleichzeitiges sein. Das OLG stellt auch heraus, dass schon der Sprachgebrauch des „Berliner Testaments“ dafürspricht, dass dort bindende Schlusserbeinsetzungen getroffen sind.

Um sich von einer solchen Bindung zu lösen, bleibt dem überlebenden Ehegatten für den Fall seiner Wiederheirat somit nur das Recht zur Anfechtung des ehemaligen Testaments nach § 2079 S. 1 BGB innerhalb der Anfechtungsfrist von einem Jahr (§ 2082 I BGB).

Fundstelle: OLG Brandenburg, Beschluss v. 11.9.2025 – 3 W 57/25 

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04.11.2025
Einkommensteuer und Bestattungsvertrag

Kein Abzug der Kosten für Bestattungsvorsorge bei Einkommensteuer

Erbrechtsexperte Wolfgang Roth schildert einen aktuellen Fall, wonach das Finanzgericht (FG) die Absetzbarkeit von Aufwendungen für die eigene Bestattungsvorsorge bei der Einkommensteuer abgelehnt hat:

Der Leitgedanke des Finanzgerichts

Aufwendungen für eine Bestattungsvorsorge sind keine außergewöhnlichen Belastungen, weshalb sie nach § 33 I Einkommensteuergesetz (EStG) nicht abzugsfähig sind.

Der entschiedene Sachverhalt

Ein Steuerpflichtiger schloss einen Bestattungsvorsorgevertrag ab, um die späteren Bestattungskosten zu minimieren. Seine Einzahlungen in den Vertrag wollte er als außergewöhnliche Belastungen bei der Einkommensteuer absetzen. Damit scheitert er vor dem FG.

Die tragenden Gründe der Entscheidung

§ 33 I EStG setzt für den Abzug außergewöhnlicher Belastungen voraus, dass einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der Mehrzahl der anderen Steuerpflichtigen gleicher Einkommens- und Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstandes entstehen. Die Rücklagen bzw. Einzahlungen für die Bestattungsvorsorge führen nicht zwangsläufig zu höheren Aufwendungen im Verhältnis gegenüber anderen Steuerpflichtigen. § 33 EStG will Mehraufwendungen für den Grundbedarf berücksichtigen, die sich wegen der Außergewöhnlichkeit einer pauschalen Bezifferung entziehen. Aufwendungen der üblichen Lebensführung sind vom Anwendungsbereich des § 33 EStG nicht umfasst.

Investitionen in die Bestattungsvorsorge sind keine Mehraufwendungen für den existenznotwendigen Grundbedarf, die so außergewöhnlich wären, dass sie sich einer pauschalen Zusammenfassung in allgemeinen Freibeträgen entziehen. Die Notwendigkeit der Bestattung trifft nämlich jeden Steuerpflichtigen.

Auch das Tatbestandsmerkmal der „Zwangsläufigkeit“ ist nicht gegeben. Aufwendungen nach § 33 II 1 EStG sind zwangläufig, wenn der Steuerpflichtige sich ihnen aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann und, soweit die Aufwendungen notwendig sind, einen angemessenen Betrag nicht übersteigen. Die Einzahlungen in eine Bestattungsvorsorge stellen freiwillige Aufwendungen dar, für die weder eine rechtliche, tatsächliche noch sittliche Pflicht gegeben ist.

Praxishinweis für Sie

Das Finanzgericht stellt dar, dass Einzahlungen in Bestattungsvorsorgeverträge einkommensteuermäßig nicht zu berücksichtigen sind. Sie sind freiwillige Leistungen, zu welchen der Einzahler weder rechtlich noch sittlich verpflichtet ist.

Fundstelle: Finanzgericht Münster, Urteil vom 23.6.2025 - 10 K 1483/24 E 

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15.10.2025
Fragen zum Ehegattentestament

Testamente von Ehegatten nicht immer unproblematisch!

Ihr Erbrechtsexperte Wolfgang Roth erläutert an Hand einer Übersicht Praxisfragen zur Gemeinschaftlichkeit von Ehegattentestamenten

Üblicherweise ist die Frage, ob ein gemeinschaftliches Testament vorliegt, nicht problematisch. Allerdings gibt es Konstellationen, die durchaus die Frage aufwerfen können, ob und auf welche Weise die Gemeinschaftlichkeit sowohl nach der äußeren Form des Testaments als auch nach dem subjektiven Erblasserwillen fraglich sein können. 

I. Die gemeinsame Testamentserrichtung

§ 2265 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) spricht von einem "gemeinschaftlichen" Testament, das Ehegatten errichten können. Es wird also eine Gemeinschaftlichkeit der Errichtung der letztwilligen Verfügung vorausgesetzt. Dieser Zusammenhang besteht jedenfalls dann, wenn die Ehegatten in einem einzigen Schriftstück gemeinsam testierten und es gemeinsam unterzeichnen. Die Gemeinschaftlichkeit des errichteten letzten Willens muss sich nach außen dokumentieren. In einer einheitlichen Urkunde ist dies objektiv gegeben.

Allerdings muss auch ein subjektiver gemeinschaftlicher Errichtungswille hinzukommen. Jeder der Ehegatten muss bei der Testamentserrichtung beabsichtigen, dass er mit dem anderen letztwillig verfügt. Notfalls kann ein solcher gemeinschaftlicher Wille im Wege der Auslegung ermittelt werden, wie das Oberlandesgericht (OLG) München im Jahr 2024 entschieden hat. 

II. Einzelurkunden als Gemeinschaftstestament?

Nicht selten testieren Ehegatten in einzelnen, voneinander getrennten Schriftstücken und gehen davon aus, dass es sich um ein gemeinschaftliches Testament handelt. Hierzu genügt jedoch nicht, dass am selben Tag und Ort und im Wesentlichen der gleiche Wortlaut aufgenommen wird, wie das OLG Nürnberg 2010 feststellte. Durch die wörtliche Bezugnahme in den Einzelurkunden, z.B. durch die Verwendung von „wir verfügen“ oder „gemeinsam regeln wir folgendes...“ sowie bei Regelungen über „den beiderseitigen Nachlass“ kann die Auslegung hingegen ein gemeinschaftliches Testament ergeben. Bereits die Überschrift „gemeinsames Testament“ in den einzelnen Urkunden lässt einen solchen Schluss ebenfalls zu. Haben Ehegatten Einzeltestamente errichtet und später ein gemeinsames Nachtragstestament, in welchem sie auf die ursprünglichen Testamente verweisen, ergibt sich aus dem Nachtragstestament die Gemeinschaftlichkeit aller Verfügungen.

 III. Aspekte gegen ein gemeinschaftliches Testament

Die reine Mitunterzeichnung eines Einzeltestaments durch den anderen Ehegatten genügt für sich genommen nicht, um einen gemeinschaftlichen Testierwillen abzuleiten, da die Unterschrift durchaus ausdrücken kann, von den Verfügungen des anderen nur Kenntnis genommen zu haben. Werden zwei Einzeltestamente in einem gemeinsamen Briefumschlag verwahrt, stellt diese Aufbewahrungsart ebenfalls keine Gemeinschaftlichkeit der Verfügungen her. Ebenso ist bei der fehlenden Verwendung von Pluralformen oder über die Verfügungen „über mein gesamtes Vermögen“ keine Gemeinschaftlichkeit bei Einzelschriftstücken anzunehmen, wie das OLG Zweibrücken 2002 urteilte. Verfügt ein Ehegatte nur über seinen Nachlass und erklärt der Ehepartner hierzu schriftlich seinen „Beitritt“ und unterzeichnet dies mit, fehlt der Verknüpfungswille ebenfalls.

Ein gleichzeitiger Errichtungsakt ist hingegen nicht notwendig, um die Gemeinschaftlichkeit zu bejahen, weshalb der nachträgliche Beitritt des Ehegatten durch die Wortwahl im Plural „unser Nachlass“, „wir …“, erfolgen und die Testamente dadurch zu einem gemeinsamen Ehegattentestament verknüpfen kann (OLG Hamm: mehr als 40 Jahre später; OLG München: mehr als 6 Jahre Zeitunterscheid).

IV. Folgerungen

Die Gemeinschaftlichkeit von Ehegattentestamenten kann auch bei separaten Erklärungen auf getrennten Schriftstücken mittels Auslegung ermittelt werden, wenn ein subjektiver Verknüpfungswille bei den Testatoren festgestellt werden kann. Fehlt es hieran, fragt sich, ob die Verfügungen als einseitige Testamente aufrechterhalten werden können: dies ist nach § 140 BGB möglich, wenn der Letzte Wille formgerecht erklärt wurde und bei Kenntnis von der Unwirksamkeit der Gemeinschaftlichkeit eine gleichlautende einseitige letztwillige Verfügung ebenfalls getroffen worden wäre. 

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04.09.2025
Versicherung und Erbausschlagung

Trotz Erbausschlagung bleibt Bezugsrecht bei Versicherung

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat eine für alle Erben, die ihre Erbschaft zum Beispiel wegen Überschuldung des Nachlasses ausschlagen, wichtige Entscheidung getroffen: Es tritt kein Verlust des Bezugsrechts einer Versicherung trotz Erbausschlagung ein!

Ihr Erbrechtsexperte Wolfgang Roth schildert die neue Entscheidung des BGH in der Schnittstelle zwischen Versicherungs- und Erbrecht:

Der Leitgedanke des BGH:

Hat der Erblasser seine „gesetzlichen Erben“ bei einer Unfallversicherung als Bezugsberechtigte eingesetzt, bleibt ihnen die Bezugsberechtigung auch dann erhalten, wenn sie ihre Erbenstellung als gesetzliche Erben wirksam ausgeschlagen haben.

Der entschiedene Sachverhalt:

Der Erblasser hatte eine Unfallversicherung mit einer Todesfallsumme abgeschlossen und als Bezugsberechtigte sine „gesetzlichen Erben“ im Versicherungsvertrag angegeben. Nach seinem Tod schlugen seine beiden Kinder und weitere Verwandte die Erbschaft wirksam aus. Das Amtsgericht ordnet eine Nachlasspflegschaft mit dem Wirkungskreis „Sicherung und Verwaltung des Nachlasses“ an.

Die Versicherung verweigerte die Auszahlung der Leistung an den Nachlasspfleger, weil die Auszahlung voraussetze, dass nachweislich gesetzliche Erben vorhanden sind und das Erbe nicht ausgeschlagen wurde. Der Nachlasspfleger wollte einen weiteren Nachlasspfleger vom Gericht benannt haben, damit er sich von diesem den Auszahlungsanspruch der Bezugsberechtigten gegen den Versicherer abtreten und auf diese Weise zur Erbschaft ziehen konnte. Amts- und Landgericht lehnten den Antrag ab. Der BGH weist die Rechtsbeschwerde zurück, weil die Bezugsberechtigten nicht "unbekannt" sind.

Die tragenden Gründe der Entscheidung 

Laut BGH sind bei der Unfallversicherung, die eine Leistung auf Zahlung des Kapitals vorsieht, nach § 185 VVG die §§ 159 und 160 VVG (Versicherungsvertragsgesetz) analog anzuwenden. Der Versicherungsnehmer kann Bezugsberechtigte für die Leistung benennen (§ 159 I VVG). Der Begünstige erwirbt das Zahlungsrecht spätestens mit Eintritt des Versicherungsfalls, § 159 II und III VVG. Benennt der Versicherungsnehmer als Bezugsberechtigten „dessen gesetzliche Erben“, sind nach § 160 II 1 VVG im Zweifel diejenigen gemeint, die im Todeszeitpunkt als Erben berufen sind.

Die Ausschlagung der Erbschaft hat auf die Bezugsberechtigung keinen Einfluss, § 160 II 2 VVG. Die in diesem Paragrafen genannte Bestimmung der „Erben“ als Bezugsberechtigte stellt nur eine Individualisierung des Forderungsberechtigten dar. Das Bezugsrecht ist jedoch nicht davon abhängig, dass die im Todesfall berufenen Erben die Erbschaft auch tatsächlich annehmen. Gesetzliche Erben waren die beiden Kinder des Verstorbenen nach § 1924 I, IV BGB zu gleichen Teilen. Die Ausschlagung ihrer Erbenstellung ist für das Bezugsrecht demnach irrelevant, so dass die Beteiligten bekannt sind. Der Einrichtung einer weiteren Pflegschaft nach bedarf es daher nicht.  

Praxishinweis für Sie

Zunächst überrascht die Entscheidung. Der Senat grenzt zwischen dem Bezugsrecht der Versicherung und der Ausschlagung der gesetzlichen Erbenstellung dergestalt ab, dass die Ausschlagung der Erbschaft für das Bezugsrecht gar nicht relevant ist. Die Versicherungsunternehmen werden ihre Auszahlung daher künftig nicht mehr bei Bezugsberechtigten „gesetzlichen Erben“ von einer tatsächlichen Erbenstellung abhängig machen dürfen.

Für ausschlagende Erben bedeutet der Beschluss, dass sie zwar die Erbschaft ausschlagen, aber dennoch aus einer solchen Versicherung Leistungen erhalten können.

Die Ausschlagung der Erbschaft führt also nicht zwingend zum Totalverlust solcher Ansprüche.

Fundstelle: BGH, Beschluss v. 23.7.2025 – XVII ZA 16/25 

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01.08.2025
Fallstricke bei Pflichtteilsklagen

Schnellschuss bei Pflichtteilsklagen wird teuer!

Erbrechtsexperte Wolfgang Roth erläutert, wie bei falschem Vorgehen mit Klagen beim Pflichtteil Geld verloren gehen kann. Das Oberlandesgericht (OLG) Zweibrücken hat dies jüngst wie folgt entschieden:

Der Leitgedanke des Senats

Klagt der Pflichtteilsberechtigte nicht im Wege einer Stufenklage, sondern unmittelbar auf Zahlung seines Pflichtteils gegen die Erben, ist eine von ihm parallel dazu erhobene Wertermittlungsklage unzulässig.

Der entschiedene Sachverhalt

Der Verstorbene hinterließ seinen Sohn und Enkelinnen, die er zu seinen Erben bestimmte. Der pflichtteilsberechtigte Sohn klagte auf Feststellung des Wertes einer Nachlassimmobilie. Isoliert und parallel dazu klagte er schon auf Zahlung eines Teilbetrages seines Pflichtteils, wobei er den Immobilienwert selbst schätzte. Das Landgericht wies die Wertermittlungsklage mangels Rechtsschutzbedürfnisses als unzulässig ab, wogegen der Sohn Berufung einlegte. Am selben Tag verglichen sich die Parteien im Zahlungsprozess und erklärten den Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt. Das OLG legt dem Pflichtteilsberechtigten sämtliche Kosten des Rechtsstreits auf.

Die tragenden Gründe des Beschlusses

Durch die übereinstimmende Erledigungserklärung ist nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung des aktuellen Sach- und Streitstands darüber zu entscheiden, wie die Kosten des Rechtsstreits zu verteilen sind. Dabei kommt es auf den zu erwartenden Verfahrensausgang im Rahmen einer summarischen Prüfung der Erfolgsaussichten an. Unter diesen Aspekten hätte der Kläger in seinem Berufungsverfahren verloren. Der Wertermittlungsanspruch dient nur dazu, dass sich der Pflichtteilsberechtigte ein Bild vom Wert der Nachlassimmobilie machen und damit auch das Risiko einer späteren Leistungsklage besser abschätzen kann. Der Wertermittlungsanspruch dient also nur zur Vorbereitung des eigentlichen Zahlungsbegehrens, weshalb der Pflichtteilsberechtigte die Auskunfts- und Wertermittlungsansprüche prozessökonomisch durch eine Stufenklage verknüpfen kann.

Die parallel zur Leistungsklage erhobene Wertermittlungsklage ist unzulässig, weil ihr das Rechtsschutzbedürfnis fehlte. Der bewusste Ausschluss eines Stufenklageverfahrens zur Durchsetzung der Zahlungsansprüche erfolgte durch Zahlungsklage. Innerhalb dieser wäre durch Einholung eines Sachverständigengutachtens der Wert der Immobilie zu schätzen gewesen. Der Sinn des Wertermittlungsanspruchs, dass der Anspruchsinhaber den Wert des Nachlasses besser abschätzen kann, kann vor dem Hintergrund einer bereits vorgenommenen Bezifferung des Zahlungsanspruchs nicht mehr erreicht werden. Daran ändert sich auch nichts, dass nur eine Teilzahlungsklage erhoben wird, denn auch zu deren Begründung kommt es auf den konkreten Nachlasswert an. Mehr als eine reine Schätzung des Wertes der Nachlassimmobilie hätte auch im Wertermittlungsverfahren durch Einholung eines Gutachtens nicht erfolgen können, was ebenfalls für die exakte Bezifferung des Anspruchs im Leistungsverfahren durch Einholung eines Gutachtens der Fall ist. Da aus keinem Aspekt im Rahmen dieser Verfahrenskonstellationen ein Rechtsschutzbedürfnis für die Wertermittlungsklage besteht, trägt der Pflichtteilsberechtigte die Kosten des Rechtsstreits.

Praxishinweis für Sie

Der Pflichtteilsberechtigte war augenscheinlich schlecht beraten: Wenn der Gesetzgeber ein sogenannte Stufenklage zur Verfügung stellt, in der alle Ansprüche in einer Klage verbunden werden können, ist es fehlerhaft, die Ansprüche getrennt und einzeln einzuklagen. Ihr Fachanwalt für Erbrecht Wolfgang Roth kann Ihnen die genauen Verfahrensabläufe eines Pflichtteilsverfahrens erläutern - auch, wie bereits vor Inanspruchnahme eines Gerichts solche Verfahren prozesstaktisch vorbereitet werden müssen.

Fundstelle: OLG Zweibrücken, Beschluss vom 25.06.2025 – 8 U 18/25 

 

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14.07.2025
Unterschrift beimTestament

Gezeichnete Wolke ist keine Unterschrift!

Ein Testament ist unwirksam, wenn es der Verfasser mit einer wolkenartigen Zeichnung statt seiner Unterschrift versieht, wie Erbrechtsexperte Wolfgang Roth an Hand eines neuen Urteils des Oberlandesgerichts (OLG) München schildert:

Der Leitgedanke des Senats

Malt der Erblasser ein wolkenartiges Gebilde unter ein mit seiner Ehefrau gemeinschaftlich verfasstes Testament, liegt keine wirksame Unterschrift vor, weshalb das Testament formunwirksam ist.

Der entschiedene Sachverhalt

Der Verstorbene hatte unter anderem aus erster Ehe Kinder. Mit seiner zweiten Ehefrau errichtete er ein gemeinsames handschriftliches Testament. Die zweite Ehefrau schrieb den Testamentstext selbst, unterschrieb und der Erblasser setzte ein wolkenartiges Gebilde statt seiner Unterschrift unter deren Unterschrift. Nach seinem Tod beantragte die Witwe einen Alleinerbschein auf Grund des Testaments. Das Nachlassgericht weist den Antrag ebenso zurück wie die Beschwerdeinstanz.

Die tragenden Gründe der Entscheidung

Dem Ehegattentestament fehlt die wirksame Unterschrift des Erblassers, weshalb gesetzliche Erbfolge eintritt. Die wolkenartige Darstellung stellt keine Unterschrift nach § 2247 I BGB dar, weshalb es unheilbar nichtig ist.

Eine Unterschrift setzt ein Gebilde voraus, das aus Buchstaben einer üblichen Schrift besteht. Dies muss nicht unbedingt lesbar sein, sofern es sich um einen die Identität des Unterzeichners ausreichend kennzeichnenden individuellen Schriftzug handelt, der charakteristische Merkmale aufweist und sich nach dem Schriftbild als Unterschrift eines Namens darstellt. Es kommt nicht darauf an, dass die Unterschrift insgesamt lesbar sein muss, denn es genügt, wenn dem Schriftbild zumindest noch Andeutungen von Buchstaben entnommen werden können. Deshalb reicht die Unterzeichnung mit einer reinen Wellenlinie ebenso wenig für das Erfordernis einer eigenhändigen Unterschrift wie die Unterzeichnung mit drei Kreuzen.

Der wolkenähnlich geformten Linie des Erblassers fehlt bereits das Element des Schreibens; Schrift setzt eine zumindest angedeutete Ausformung von Buchstaben, welche eine individuelle Personenbezeichnung nach außen oder im Innenverhältnis zum Adressaten darstellen können, voraus. Eine Zeichnung ist gerade keine Schrift und deswegen auch keine Unterschrift.

Praxishinweis für Sie

Die Entscheidung zeigt einmal mehr, an welchen Formerfordernissen ein letzter Wille scheitern kann: An der Unterschrift des Verfassers, die seine Eigenhändigkeit und das Bekenntnis zu dem über der Unterschrift befindlichen Text bestätigt, darf es keine Zweifel geben. Sehen Sie deshalb von - auch gut gemeinten oder optisch schönen - Zeichnungen, Abkürzungen des Namens oder sonstigen Aspekten ab, die nichts mit ihrem Namen zu tun haben, wenn Sie ein Testament verfassen und unterschreiben. Das Gesetz verlangt hierfür ganz einfach Ihre Unterschrift!

Fundstelle: OLG München, Beschluss v. 5.5.2025 – 33 Wx 289-24 e

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26.06.2025
Erbschaftsteuer Finanzamt

Die zuständigen Finanzämter für Erbschaftsteuer in Baden-Württemberg

Die 8 Erbschaftsteuerfinanzämter für Baden-Württemberg

Nicht jedes der 63 allgemeinen Finanzämter in Baden-Württemberg hat eine Erbschaft- und Schenkungsteuerstelle. Diese sind auf  die 8 Finanzämter in Aalen, Freiburg-Land, Karlsruhe-Durlach, Mosbach, Reutlingen, Sigmaringen, Tauberbischofsheim und Villingen-Schwenningen konzentriert.

Hier finden Sie die Anschriften und Zuständigkeitsbezirke:

 

Finanzamt Aalen (Bleichgartenstraße 17, 73431 Aalen) ist als Erbschaftsteuerstelle zuständig für die Finanzamtsbezirke

  • Aalen
  • Heidenheim
  • Schorndorf
  • Schwäbisch-Gmünd
  • Schwäbisch-Hall
  • Ulm
  • Waiblingen

Finanzamt Freiburg-Land (Stefan-Meier-Straße 133, 79104 Freiburg) ist als Erbschaftsteuerstelle zuständig für die Finanzamtsbezirke

  • Emmendingen
  • Freiburg-Land
  • Lahr
  • Lörrach
  • Mühlheim
  • Offenburg

Finanzamt Karlsruhe-Durlach (Prinzessenstraße 2, 76227 Karlsruhe) ist als Erbschaftsteuerstelle zuständig für die Finanzamtsbezirke

  • Baden-Baden
  • Bruchsal Calw
  • Ettlingen
  • Freudenstadt
  • Karlsruhe-Durlach
  • Karlsruhe-Stadt
  • Mühlacker
  • Pforzheim
  • Rastatt

Finanzamt Mosbach (Außenstelle/Erbschaftsteuerstelle: Albert-Schneider-Straße 1, 74731 Walldürn) ist als Erbschaftsteuerstelle zuständig für die Finanzamtsbezirke

  • Heidelberg
  • Mannheim-Neckarstadt
  • Mannheim-Stadt
  • Mosbach
  • Schwetzingen
  • Sinsheim
  • Weinheim

Finanzamt Reutlingen (Leonhardsplatz 1, 72764 Reutlingen) ist als Erbschaftsteuerstelle zuständig für die Finanzamtsbezirke

  • Bad Urach
  • Böblingen
  • Esslingen
  • Göppingen
  • Leonberg
  • Nürtingen
  • Reutlingen
  • Tübingen

Finanzamt Sigmaringen (Karlstraße 31, 72488 Sigmaringen) ist als Erbschaftsteuerstelle zuständig für die Finanzamtsbezirke

  • Balingen
  • Biberach
  • Ehingen
  • Friedrichshafen
  • Ravensburg
  • Sigmaringen
  • Überlingen
  • Wangen

Finanzamt Tauberbischofsheim (Außenstelle Bad Mergentheim, Schloss 7, 7980 Bad Mergentheim) ist als Erbschaftsteuerstelle zuständig für die Finanzamtsbezirke

  • Backnang
  • Bietigheim-Bissingen
  • Heilbronn
  • Ludwigsburg
  • Öhringen
  • Stuttgart I
  • Stuttgart II
  • Stuttgart III
  • Stuttgart-Körperschaften
  • Tauberbischofsheim

Villingen-Schwenningen (Weiherstraße 7, 78050 Villingen-Schwenningen) ist als Erbschaftsteuerstelle zuständig für die Finanzamtsbezirke

  • Konstanz
  • Rottweil
  • Singen
  • Tuttlingen
  • Villingen-Schwenningen
  • Waldshut-Tiengen

 

 

 

 

 

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23.06.2025
Auskunft im Pflichtteilsrecht

Offenlegung der Kontoauszüge des Erblassers bei Pflichtteil

Erbrechtsexperte Wolfgang Roth erläutert an Hand eines neu entschiedenen Falls, dass der Erbe im Verfahren wegen des Pflichtteils alle Kontoauszüge des Erblassers vor dessen Tod offenlegen und im Nachlassverzeichnis aufnehmen muss:

Der Leitgedanke des Gerichts

Sichtet ein Erbe Kontoauszüge des Erblassers vor dessen Tod nicht und gibt hinsichtlich möglicher lebzeitiger Zuwendungen des Verstorbenen keine Informationen in einem Nachlassverzeichnis an, ist das Verzeichnis unvollständig und neu zu erstellen.

Der entschiedene Sachverhalt

Der Erblasser hinterließ 4 Kinder und setzte mittels Testaments seine Partnerin zur Alleinerbin ein. Eine Tochter verlangte vorgerichtlich ein privatschriftliches Nachlassverzeichnis, um darauf ihren Pflichtteilsanspruch berechnen zu können. Danach traten alle Geschwister zur Geltendmachung ihrer Pflichtteilsrechte die Ansprüche an das vierte Kind ab; es genügte somit, dass ein Kind für alle die Ansprüche verfolgte.

Sodann wurde ein Privatverzeichnis von der Erbin vorgelegt, auf dessen Basis eine Zahlung berechnet und für alle vier Kinder geleistet.

Die den Gesamtanspruch geltend machende Tochter klagte anschließend die Vorlage eines notariellen Nachlassverzeichnisses ein, da der Nettonachlass auf Grund des Verkaufs einer Eigentumswohnung des Erblassers kurz vor seinem Tod zu niedrig bemessen schien. Das Oberlandesgericht gibt ihr Recht.

Die tragenden Gründe der Entscheidung

Der Anspruch ist begründet. Der Senat stützt sich auf den Vortrag der Klägerin, dass bereits im Erbscheinverfahren vor dem Nachlassgericht die Alleinerbin darstellte, dass sie die EC-Karte nebst PIN vom Erblasser erhalten und damit Zugriff auf das Erblasserkonto gehabt hatte. Auch räumte sie ein, die Kontoauszüge nicht durchgesehen zu haben und den Schmuck der vorverstorbenen Ehefrau, den der Erblasser von ihr geerbt hatte, in Besitz zu haben. Diese Angaben fehlen im privaten Verzeichnis komplett, weshalb das Privatverzeichnis den Auskunftsanspruch nicht erfüllte. Der danach geltend gemachte Anspruch auf Vorlage des Notarverzeichnisses ist nicht verwirkt und nicht rechtsmissbräuchlich. Dies zeigen die von der Erbin im Erbscheinverfahren eingeräumten Versäumnisse, die im Privatverzeichnis nicht aufgeklärt wurden.

Praxishinweis für Sie

Der Senat konstatiert, dass es „in der Praxis üblich ist, zunächst ein privatschriftliches Verzeichnis zu fordern“, bevor ein notarielles im Pflichtteilverfahren verlangt wird. Dieses Vorgehen ist auch sinnvoll angesichts der langen Verfahrensdauer zur Erstellung notarieller Nachlassverzeichnisse. Die Nichtangabe möglicher pflichtteilergänzungsrelevanter Schenkungen führt in der Regel zur Nichterfüllung des Auskunftsanspruchs, der von einer nur fehlerhaften Auskunft, die keine Vorlage eines neuen Verzeichnisses bedingt, zu unterscheiden ist; in diesem Fall ist der Weg über die Versicherung an Eidesstatt zu gehen.

Laut BGH ist zur Durchsetzung des Pflichtteilsanspruchs auch die Anordnung einer Testamentsvollstreckung zulässig. Dann sorgt der Testamentsvollstrecker für die Beitreibung des Pflichtteils. Dies muss aber bereits im Testament des Erblassers angeordnet werden.

Fundstelle: OLG Düsseldorf, Urteil v. 24.1.2025 – 7 U 51/24 

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23.05.2025
Ausgezeichnet

Wieder Auszeichnung für unsere Fachanwaltskanzlei!

CAPITAL zeichnet unsere Kanzlei aus und listet sie im Ebrechtsbereich unter die 60 TOP-Kanzleien Deutschlands:

Auch 2025 hat Statista gemeinsam mit den Magazinen STERN und CAPITAL die besten Anwaltskanzleien für Privatmandanten ermittelt und die Ergebnisse nach Fachgebieten in den aktuellen Printausgaben veröffentlicht.

Unsere Erbrechtskanzlei Roth & Maulbetsch wurde wieder ausgezeichnet!

Die unabhängige Studie basiert auf einer Befragung unter Rechtsanwälten - also einer Empfehlung von Fachleuten - in Deutschland. Insgesamt wurden 15.785 Empfehlungen ausgewertet, die Kanzleien in zwölf verschiedenen Rechtsgebieten betreffen. Nur Kanzleien, die überdurchschnittlich häufig empfohlen wurden, erhalten eine Auszeichnung.

Die Veröffentlichung der Bestenliste finden Sie online unter:

https://www.capital.de/wirtschaft-politik/anwaelte--das-sind-deutschlands-beste-kanzleien-2025--35744896.html

und https://www.stern.de/stern-studien/anwaltsranking--die-besten-kanzleien-fuer-privatmandanten-35730830.html

 

Ihre Erbrechtsexperten Wolfgang Roth und Thomas Maulbetsch freuen sich, mit ihrer Expertise weiterhin an Ihrer Seite zu stehen!

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22.05.2025
Abschiedsbrief abgeben?

Pflicht zur Abgabe eines Abschiedsbriefs im Todesfall

Das Oberlandesgericht Frankfurt weist auch Anwälte an, einen Abschiedsbrief des Mandanten nach dessen Tod beim Nachlassgericht abzugeben, weil dieser ein Testament sein könnte, wie Erbrechtsexperte Wolfgang Roth erläutert:

Der Leitgedanke des Gerichts

Auch ein Rechtsanwalt, der für einen Mandanten einen persönlichen Abschiedsbrief in Besitz hat, hat diesen im Fall des Todes seines Mandanten vollständig beim Nachlassgericht abzuliefern, wenn darin Angaben zur Rechtsnachfolge enthalten sind. Weder seine berufliche Verschwiegenheitspflicht noch die Gefahr strafrechtlicher Verfolgung für den Fall der Offenbarung des Abschiedsbriefs stehen der Ablieferungspflicht entgegen.

Der entschiedene Sachverhalt

Der Verstorbene hatte seinem Anwalt seinen Abschiedsbrief zugesandt. Auf den ersten vier Seiten führte er persönliche Angelegenheiten aus und wies darauf hin, dass dieser Teil seines Briefs nicht als Testament zu eröffnen sei. Im zweiten Briefteil ordnete er an, dass seine Mutter von ihm alles erben würde. Das Nachlassgericht forderte den Anwalt auf, das gesamte Schriftstück im Original abzuliefern. Dies verweigerte der Anwalt, gegen den daraufhin eine Zwangsgeldandrohung verhängt wurde. Die dagegen erhobene Beschwerde bleibt erfolglos.

Die tragenden Gründe der Entscheidung

Der Senat weist darauf hin, dass die Ablieferungspflicht des § 2259 BGB umfassend ist. Abzuliefern sind alle Schriftstücke, die ein „Testament“ nach ihrer Form und/oder ihrem Inhalt nach darstellen können. Dies sind alle Schriftstücke die vom Erblasser stammen und inhaltlich und äußerlich als letztwillige Verfügung angesehen werden können, auch wenn Form oder Inhalt zweifelhaft sind. Demnach sind auch in Briefform errichtete Schriftstücke abzugeben, wenn solche erbrechtliche Anordnungen darin enthalten sein können. Zweck der Ablieferung ist die Eröffnung der Verfügung. Die Ablieferungspflicht dient den Interessen der gesetzlichen bzw. der testamentarischen Erben sowie dem öffentlichen Interesse alsbald nach dem Erbfall Gewissheit darüber zu haben, ob und wie der Erblasser seine erbrechtlichen Verhältnisse geregelt haben wollte. Ob ein Testament der Form und dem Inhalt nach vorliegt und ob dieses wirksam ist, obliegt ausschließlich der Prüfung des Nachlassgerichts.

Da sich aus dem Beginn des Briefes u.U. Hinweise auf die erbrechtlichen Angaben ableiten lassen können, ist der gesamte Brief im Original abzuliefern. Dies gilt auch dann, wenn mehrere, nicht miteinander verbundene Blätter ein gesamtes Schriftstück bilden; auch diejenigen Seiten, die keinen erbrechtlichen Bezug haben, könnten zur Auslegung der letztwilligen Verfügung dienen. Nach § 2263 BGB darf der Erblasser die Eröffnung seiner letztwilligen Verfügung nicht ausschließen.

Die Berufsverschwiegenheit des Anwalts steht der Ablieferungspflicht ebenfalls nicht entgegen. Das Berufsgeheimnis dient dem individuellen Interesse des Mandanten. Die Berufsverschwiegenheitspflicht unterliegt Ausnahmen. In Fällen, in denen es geboten ist, öffentliche Interessen über das Geheimhaltungsinteresse des Mandanten zu stellen, wird die Verschwiegenheitspflicht durchbrochen. Aus dem öffentlichen Interesse der Ablieferungspflicht folgt, dass die berufliche Verschwiegenheitspflicht des Anwalts hinter die Ablieferungspflicht aus gesetzlichen Gründen zurücktritt. Da der Anwalt dieser Rechtspflicht unterliegt, ist er einem Verstoß gegen § 203 I Nr. 3 des Strafgesetzbuchs nicht ausgesetzt, da er das Geheimnis, das ihm zur Kenntnis gebracht wird, nicht unbefugt offenbart.

Praxishinweis für Sie

Der Entscheidung ist uneingeschränkt zuzustimmen. Der Senat zeigt, dass jede Person - unabhängig von ihrer beruflichen Stellung - alles beim Nachlassgericht abgeben muss, was ein Testament sein kann, wenn jemand verstirbt. Ob es das tatsächlich ist, entscheidet allein das Gericht.

Fundstelle: OLG Frankfurt a.M., Beschluss vom 15.1.2025 – 20 W 220/22 

 

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Ausgezeichnet durch:

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