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Rechtsanwalt, Fachanwalt für Erbrecht, Obrigheim bei Mosbach
19.07.2011

Pflichtteilsbeschränkung durch das OLG erschwert

Der Fall: 

Nach dem Tod der Eltern wurde eine Tochter zur Alleinerbin und Testamentsvollstreckerin eingesetzt; wegen Überschuldung und Verschwendung wurde das Pflichtteilsrecht des Sohnes „in guter Absicht gem. § 2338 BGB“ beschränkt. Dazu führte der Erblasser in einer Liste 18 Einzelsachverhalte auf, die seiner Meinung nach die Verschwendungssucht und Überschuldung des Sohnes ausreichend dokumentierten. Das Nachlassgericht wollte der Tochter das Testamentsvollstreckerzeugnis erteilen, die dagegen eingelegte Beschwerde wurde zurückgewiesen. MIt der weiteren Beschwerde hat der Sohn vor dem OLG Erfolg. 

Die Begründung: 

Die Testamentsvollstreckung ist nur möglich, wenn sie wirksam in der letztwilligen Verfügung angeordnet wurde. Dies setzt voraus, dass das Pflichtteilsrecht des Sohnes wirksam nach § 2338 BGB beschränkt wurde. Eine solche Beschränkung dient nicht zur „Bestrafung“ des Abkömmlings, sondern liegt in dessen wohlverstandenem Interesse. Die Pflichtteilsbeschränkung schützt daher das Kind, weil der Nachlass gleichzeitig dessen Eigengläubigern entzogen ist (§ 2214 BGB). 
Die Verfügung des Erblassers ist jedoch dann unwirksam gem. § 2338 II 2 BGB, wenn keine Gründe hierfür angegeben sind, die im Zeitpunkt der Testamentserrichtung vorgelegen haben müssen. Die „Verschwendung“ setzt die Lebensweise des Abkömmlings mit dessen Hang zur zweck- und nutzlosen Vermögensverwendung voraus, wobei eine Notlage dadurch nicht eingetreten sein muss. „Überschuldung“ ist gegeben, wenn die Verbindlichkeiten des Abkömmlings dessen Aktivvermögen übersteigen, wobei Zahlungsunfähigkeit noch nicht genügt. Beide Tatbestandsalternativen erfordern auch, dass der spätere Erwerb erheblich gefährdet wird, sodass die Verschwendungssucht einen triftigen Grund zur Annahme geben muss, der Abkömmling werde sein Vermögen ganz oder großteils verschwenden. Der Grund der Beschränkung muss sowohl im Zeitpunkt der Errichtung der Verfügung von Todes wegen gegeben sein als auch zum Eintritt des Erbfalls immer noch oder wieder vorliegen. 

Dazu muss die Angabe des Beschränkungsgrundes so speziell und hinreichend konkret erfolgen , dass eine spätere gerichtliche Prüfung zweifelsfrei klären kann, auf welchen speziellen Grund sich die Entziehung stützte und welcher Lebenssachverhalt dem zu Grunde lag. Der Entziehungsgrund ist von dessen Beweisbarkeit zu trennen, was gem. § 2336 II BGB die Angabe eines zutreffenden Kernsachverhaltes in der letztwilligen Verfügung voraussetzt (BGH NJW 1985, 1554; OLG Köln ZEV 1998, 144). Dazu ist notwendig, dass der Erblasser sich mit seinen Worten auf bestimmte Vorgänge unverwech-selbar festlegt und den Kreis der in Frage kommenden Vorfälle praktisch brauchbar eingrenzt (OLG Köln ZEV 1996, 430). Dadurch soll ein späteres „Nachschieben von Gründen“ in einem folgenden Pflichtteilsentziehungsprozess vermieden werden. 

Im zu entscheidenden Fall hatte der Erblasser eine Tabelle mit Handlungen des Sohnes angegeben (18 Ein-zelsachverhalte) und diesen einzelne Geldbeträge zugeordnet. Das OLG führt aus, dass jedoch die Darstellung einer Lebensweise mit einem Hang des Sohnes zur zweck- und nutzlosen Vermögensverschwendung im Testament nicht aufgenommen war, weshalb es die wirksame Beschränkung des Pflichtteils verneint. Auch wenn der Lebenswandel des Abkömmlings nicht den Vorstellungen seiner Eltern entsprach (Urlaub in Mauritius, Veräußerung ihm zugewandter Ölgemälde, die Tendenz Schulden zu machen, usw.), fehlt weiterhin die Angabe der jeweiligen Verwendungszwecke der Gelder, was die Feststellung einer zweck- und nutzlosen Vermö-gensverschwendung nicht hinreichend begründet. Selbst wenn eine „törichte, möglicherweise auch kriminelle Investition“ erwiesen wäre, rechtfertigt dies allein noch nicht den Hang zur Vermögensverschwendung. 
Auch mangelt es dem Testament – bezogen auf den Zeitpunkt seiner Errichtung - an der Angabe der Überschuldung des Sohnes; das Aktivvermögen des Sohnes sowie dessen Schulden sind im Testament nicht aufgenommen. Mangels wirksamer Pflichtteilsbeschränkung konnte das Testamentsvollstreckerzeugnis nicht erteilt werden. 

Kritik: 

Die Entscheidung ist mit dem „normalen Rechtsempfinden“ kaum zu vereinbaren. Die von der Rechtsprechung aufgestellten Hürden für die Pflichtbeilsbeschränkung wegen Überschuldung und/oder Ver-schwendung „in guter Absicht“ sind extrem hoch und nur sehr eingeschränkt zu ver-mitteln. 
Selbst wenn ein Kernsachverhalt zur Pflichtteilsbeschränkung angegeben ist, kann kaum ein Erblasser sowohl das Aktiv- als auch Passivvermögen des Abkömmlings kennen, geschweige denn dies in seinem Testament als Beschränkungsgrund aufführen. Da die Verschwendungssucht bzw. Überschuldung zusätzlich Grund zur Annahme geben muss, dass das dem Abkömmling zufließende Vermögen ganz oder zum Teil verschwendet wird, ist weiterhin noch diese Prognoseentscheidung notwendig; spätestens hieran scheitern in der Regel Prozesse der vorliegenden Art. 

Fundstelle: OLG Düsseldorf, Beschluss vom 2.3.2011 - 3 Wx 214/08 





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