Kontakt nach oben
Rechtsanwalt, Fachanwalt für Erbrecht, Obrigheim bei Mosbach
08.11.2023Herausgabeanspruch gegen Bevollmächtigten

Missbrauch der Vorsorgevollmacht führt zur Rückgabe

Ihr Erbrechtsexperte Wolfgang Roth erläutert den in der Praxis häufig auftretenden Fall, der um die Rückzahlung von Geld handelt, das auf Grund einer Vorsorgevollmacht vom Konto des Verstorbenen entnommen worden war; folgende Konstellation musste nun das Oberlandesgericht (OLG) Brandburg entscheiden:

Der Leitgedanke des Gerichts

Kann die vor dem Tod des Erblassers von diesem Bevollmächtigte nicht beweisen, dass sie das aufgrund der Vollmacht von dessen Konto Erlangte gemäß den Weisungen des Erblassers entnommen bzw. verbraucht hat, ist sie den Miterben gegenüber zur Erstattung verpflichtet.

Der entschiedene Sachverhalt

Der Verstorbene hatte einer der späteren Miterbinnen - seiner Tochter- eine Bankvollmacht im Wege einer Vorsorgevollmacht für seinen Krankheitsfall erteilt. Mit der Vollmacht überwies die Tochter noch zu dessen Lebzeiten auf ihr eigenes Konto und auf Konten ihrer Söhne diverse Geldbeträge. Nach dem Tod des Vaters forderte eine andere Miterbin die Erstattung der Geldbeträge in den Nachlass zurück. Das OLG bestätigt den Rückzahlungsanspruch.

Die tragenden Gründe der Entscheidung 

Der Senat stellt fest, dass hinter der umfangreichen Bankvollmacht ein Auftragsverhältnis stand, ein unverbindliches Gefälligkeitsverhältnis zur Ausübung der Vollmacht zwischen Vater und Tochter lag nicht vor. Um beide Rechtsinstitute abzugrenzen, kommt es auf den Rechtsbindungswillen der Beteiligten an. Das ist in jedem Einzelfall gesondert zu klären. Bei Tätigkeiten des täglichen Lebens und im rein gesellschaftlichen Verkehr ist kein Auftragsverhältnis als Grundlage der Vorsorgevollmacht gegeben. Ein Rechtsbindungswille kann sich aus dem Wert, der Bedeutung, dem Interesse und der Gefahr durch eine fehlerhafte Handhabung der Vollmacht ergeben. Wenn der Auftragnehmer (sc. der Bevollmächtigte) erkennen kann, dass der Vollmachtgeber ein wesentliches Interesse an der Durchführung des Auftrags (also seiner Geldgeschäfte) hatte, ist der Rechtsbindungswille anzunehmen. Dies ist regelmäßig der Fall, wenn ein Familienangehöriger im Rahmen einer ihm erteilten Vorsorgevollmacht Geldgeschäfte für einen anderen vornimmt. Ein bestehendes besonderes persönliches Vertrauensverhältnis zwischen beiden spricht regelmäßig ebenfalls nicht gegen einen Auftrag nach § 662 BGB, wie bereits das OLG Karlsruhe entschieden hat.

Für den Vater standen erhebliche wirtschaftliche Interessen auf dem Spiel, als er der Tochter mittels Vollmacht den umfangreichen Zugriff auf sein gesamtes Bankvermögen gewährte. Daraus folgt, dass sie sein Geld nur nach dessen Weisungen und Wünschen verbrauchen und verwenden sollte. Dies spricht dagegen, die Bevollmächtigte von der Befolgung von Weisungen oder Auskunfts- und Rechenschaftspflichten zu befreien

Aufgrund des Auftragsverhältnisses ist alles an die Erbengemeinschaft zurück zu geben, was aus der Geschäftsführung erlangt und nicht bestimmungsgemäß verwendet wurde. Die Darlegungs- und Beweislast für die auftragsgemäße Verwendung des Erlangten (also des Geldes) trifft den Bevollmächtigten. Da die Bevollmächtigte nicht beweisen konnte, dass das auf ihr Konto überwiesene Geld weisungsgemäß nach Vorgaben des Verstorbenen verwendet wurde, bleibt sie beweisfällig und zahlungspflichtig.

Praxishinweis für Sie

In erfreulicher Prägnanz, Deutlichkeit und am Wesentlichen orientiert begründet der Senat anhand der obergerichtlichen Rechtsprechung seine Entscheidung und zeigt, dass eine für Bankgeschäfte erteilte umfassende Vorsorgevollmacht kein „Blankoscheck“ für den Vollmachtgeber ist. Selten ist bekannt, dass es mit einer Vorsorgevollmacht alleine nicht getan ist: die Haftung des Bevollmächtigten steckt in dem hinter der Vollmacht liegenden Auftragsverhältnis, das in der Regel stillschweigend zustande kommt; soll der Bevollmächtigte diesem Haftungsrisiko nicht ausgesetzt sein, muss dies in einem zusätzlich zur Vollmacht zu errichtenden Grundvertrag ausgeschlossen werden. Einen solchen Erstattungsanspruch müsste sogar ein Testamentsvollstrecker gegen die Miterbin einklagen, wenn sich die Testamentsvollstreckung (s. Video hierzu) auf die Nachlassabwicklung bezieht, was der Regelfall ist!

Ihr Erbrechtsexperte zeigt Ihnen, wie Sie Ihren Bevollmächtigten vor solch späteren Angriffen der Erben schützen können.

Fundstelle: OLG Brandenburg, Hinweisbeschluss vom 01.06.2023 und Beschluss vom 13.09.2023 – 3 U 47/23 





← zurück
Ausgezeichnet durch:

Capital 2022 Focus 2023 Focus 2022 Focus 2021 Focus 2020 WiWo 2021 WiWo 2019 WiWo 2019

Empfohlen durch:

WWF Christoffel Blindenmission Verband Wohneigentum e.V. OM Deutschland GBA Ships Blinden- und Sehbehindertenverein Hamburg e.V. Geschenke der Hoffnung
In Kooperation mit:

Fachanwälte für Erbrecht Testamentsvollstrecker, Testamentsvollstreckung Mediation im Erbrecht