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Rechtsanwalt, Fachanwalt für Erbrecht, Obrigheim bei Mosbach

Aktuelles aus der Kanzlei

01.03.2022
Nottestament und Kontaktbeschränkung

Nottestament trotz Corona ungültig

Ein neu entschiedener Fall des Oberlandesgerichts (OLG) Düsseldorf zeigt, dass eine Unwirksamkeit eines Nottestaments wegen Kontaktbeschränkung vorliegt, wie Ihr Erbrechtsexperte Wolfgang Roth erläutert:

Der Leitgedanke des Urteils

Eine pandemiebedingte Kontaktbeschränkung ändert nichts daran, dass ein Nottestament gleichzeitig vor drei Zeugen errichtet werden muss. Sind die Zeugen nicht gleichzeitig, sondern nacheinander anwesend, ist das Nottestament unwirksam.

Der Sachverhalt

Der Verstorbene errichtete ein handschriftliches Testament. Darin setzte er drei Personen zu seinen Erben ein. Später verfügte er im Krankenhaus seinen mit „Nottestament“ überschriebenen letzten Willen dergestalt neu, dass eine von den drei zuvor genannten Erbinnen den Testamentstext schrieb. Er unterschrieb den Text, setzte die das Testament Schreibende zur Alleinerbin ein und drei Zeugen unterschrieben. Wegen der pandemiebedingten Kontaktbeschränkung waren während des Errichtung-/Schreibakts nicht immer alle drei Zeugen gleichzeitig anwesend. Kurz nach Einstellung der lebenserhaltenden Maßnahmen aufgrund seiner Patientenverfügung verstarb der Erblasser.

Ein zunächst berufener Miterbe beantragte einen Erbschein zu je 1/3 auf Grundlage des ersten Testaments. Das Nachlassgericht wollte dem Antrag stattgeben. Die von der zuletzt berufenen Alleinerbin dagegen erhobene Beschwerde bleibt erfolglos.

Die tragenden Gründe des Urteils 

Der Senat verweist auf die Formvorschrift des § 2250 Absatz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB), der zwingend ist. Eine Ausnahme hiervon lässt der Gesetzgeber nicht zu. Die pandemiebedingten Kontaktbeschränkungen stellen keine neue, vom Gesetzgeber vermeintlich übersehene Lage dar, sondern sind unter dem Begriff der „Absperrung“ des Erblasse4rs nach § 2250 Absatz 1 BGB einzuordnen. Eine solche "Absperrung" kann viele Ursachen haben, zum Beispiel Naturereignisse oder eine Quarantäne infolge von Seuchen. Die wegen Corona eingeführten Kontaktbeschränkungen sind einer Quarantäne vergleichbar, da in beiden Situationen der Testierende isoliert ist. Demnach ist und bleibt ein Drei-Zeugen-Testament nur dann wirksam, wenn immer gleichzeitig 3 Zeugen bei der Erstellung anwesend sind. Da dies nicht gegeben war, ist das Testament nichtig.

Kritik des Erbrechtsexperten

Die Entscheidung hinterlässt „Bauchschmerzen“. Im Rahmen der Begriffsauslegung ist zunächst richtig, dass die pandemiebedingten Kontaktbeschränkungen einer Quarantäne ähnlich sind. Bei einer Quarantäne ist jedoch dem in Quarantäne Befindlichen untersagt, sich Dritten zu nähern. Bei den aktuellen Kontaktbeschränkungen werden die für das Testament notwendigen 3 Zeugen ihrerseits am Zugang zum Testator gehindert, was nicht in dessen Verantwortungsbereich liegen kann. Eine genauere Differenzierung dieses Aspekts wäre in der Entscheidung wünschenswert gewesen, denn das bloße Abstellen auf die Isolation arbeitet diesen wichtigen Unterschied nicht heraus.

Fundstelle: OLG Düsseldorf, Beschluss vom 06.01.2022 – 3 Wx 216/21 

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03.02.2022
Erbe durch Anlage nicht bestimmbar

Bezugnahme des Testaments auf Anlage ist unwirksam

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat nun entscheiden, dass die Benennung der Erben in einem Testament nicht dadurch erfolgen kann, dass die Erben auf einer durch den PC ausgedruckten Liste stehen. Diese Erbeinsetzung durch Bezugnahme auf eine formunwirksame Anlage ist unzulässig, wie Ihr Erbrechtsexperte Wolfgang Roth an Hand des BGH-Falles erläutert:

Der Leitgedanke des BGH

Wird eine Erbeinsetzung in einem handschriftlichen Testament dadurch „konkretisiert“, dass sich die Erben aus einer formunwirksam errichteten Anlage zum Testament ergeben, verstößt die Erbeinsetzung gegen das erbrechtliche Bestimmtheitsgebot und ist unwirksam.

Der entschiedene Sachverhalt (Kurzfassung)

Der Erblasser hatte mit seiner Ehefrau ein gemeinschaftliches eigenhändiges Testament errichtet, worin sie sich zu Alleinerben einsetzten. Weiter führten sie aus, dass sie zwei Häuser mit Grundstück in Deutschland und Italien besaßen, die nach dem Tod beider Partner „…. wie vorgesehen weitergegeben werden an: Erbteil Deutschland an Beteiligte zu 3., Erbteil Italien fällt an eine Erbengemeinschaft aus fünf befreundeten Familien ….. Namen und Adressen für das Erbteil in Italien sind im PC-Ausdruck angehängt und persönlich unterschrieben“.

In der maschinengeschriebenen Anlage sind fünf Paare mit Namen und Adressen aufgeführt. Nach dem Tod der Ehefrau erstellte der Witwer ein notarielles Testament und setzte darin seine Tochter aus erster Ehe zur Alleinerbin ein. Zwei in der genannten Anlage bezeichnete Personen beantragten einen Erbschein, der sie zu je 1/20 ausweisen sollte. Das Nachlassgericht beabsichtigte, dem Antrag stattzugeben. Auf die Beschwerde der Tochter hob das OLG den Beschluss auf und wies den Erbscheinsantrag zurück. Die Rechtsbeschwerde gegen den OLG-Beschluss durch die beiden Antragsteller ist vor dem BGH erfolglos.

Die wichtigsten Gründe der Entscheidung

Die Bezugnahme auf die formunwirksame Anlage führt nicht zu einer wirksamen Erbeinsetzung. Die konkret zu bezeichnenden Erben müssen bereits formwirksam im Testament so bezeichnet werden, dass sie allein daraus individualisierbar sind. § 2247 Absatz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches sieht vor, dass ein Testament eigenhändig ge- und unterschrieben werden muss. Für Ehegatten genügt, dass nur ein Ehegatte das Testament handschriftlich verfasst und der andere mitunterschreibt.

Jedoch müssen alle getroffenen Regelungen formwirksam sein. Die Bezugnahme auf eine andere, jedoch wirksam errichtete letztwillige Verfügung, ist zum Beispiel zulässig. Unzulässig ist hingegen, den Inhalt der letztwilligen Verfügung durch Schriftstücke, die nicht der Testamentsform genügen, durch Bezugnahme zu konkretisieren.

Wird lediglich eine – allerdings formwirksam errichtete – Verfügung durch ein anderes Schriftstück erläutert, ist dies zulässig, wenn dies den erkennbaren Willen des Erblassers darstellt. Die (zulässige) Bezugnahme zur näheren Erläuterung einerseits und (unzulässigen) ergänzenden oder den Inhalt bestimmenden Bezugnahme andererseits wird von der Rechtsprechung akzeptiert. 

Die im handschriftlichen Testament bezüglich des Erbteils „Italien“ getroffene letztwillige Verfügung der Erbenbestimmung ist nicht hinreichend bestimmt und daher unvollständig; aus ihr allein lassen sich die Erben – ohne Rückgriff auf die formunwirksame Anlage – nicht entnehmen. Fehlt eine solche zweifelsfreie Bestimmung des Bedachten, ist die letztwillige Verfügung unvollständig. Nach dem Bestimmtheitsgebot sind die Verfügungen so zu formulieren, dass

  • deren Geltung,
  • der Zuwendungsempfänger und
  • Zuwendungsgegenstand

mit hinreichender Sicherheit schon aus dem Testament entnommen werden können. Die Erbeinsetzung für den „Erbteil Italien“ kann nicht dadurch vervollständig werden, dass im Testament auf Namen und Adressen in der (formunwirksamen) Anlage verwiesen wird. Andernfalls würde die formunwirksame Anlage gleichsam zum Bestandteil des formgültigen Testaments werden. Das ist unzulässig.

Praxishinweis für Sie

Die Entscheidung zeigt, dass die Formstrenge des Erbrechts nicht durch formunwirksame Anlagen umgangen werden kann, wenn sich nach dem Bestimmtheitsgebot nicht die „Kernthemen“ der letztwilligen Verfügung bereits entnehmen lassen. Nicht verwechselt werden darf eine Anlage, die nur zur Auslegung des – allerdings zuvor formgerecht formulierten – Letzten Willens herangezogen werden soll, was immer zulässig ist.

Fundstelle: BGH, Beschluss vom 10.11.2021 – IV ZB 30/20 

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11.01.2022
Keine Geldentschädigung für Kohls Witwe

Erbin von Helmut Kohl geht leer aus

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat ein jahrelanges Verfahren um die Vererblichkeit eines Entschädigungsanspruchs nach dem Tod des Altkanzlers Helmut Kohl beendet. Ihr Erbrechtsexperte Wolfgang Roth fasst dem Fall für Sie zusammen:

Der Leitgedanke des BGH

Die Vererblichkeit einer Geldentschädigung ist erst mit der Rechtskraft eines Urteils möglich

Der entschiedene Sachverhalt

Der ehemalige Bundeskanzler Helmut Kohl führte mit einem Journalisten vertrauliche Gespräche. Diese sollten später in den Memoiren des Altkanzlers unter dem Titel „Vermächtnis – die Kohl-Protokolle“ publiziert werden. Die Gespräche fanden noch vor der Unterzeichnung entsprechender Verträge mit dem Journalisten und dem Verlag statt. Später kam es zur Kündigung der inzwischen aufgesetzten Verträge. Trotzdem wurden in einem Band der Memoiren Gesprächsteile publiziert, die noch aus dem vorvertraglichen Zeitraum stammten. Helmut Kohl klagte selbst noch auf eine Geldentschädigung wegen Verletzung seiner Persönlichkeitsrechte. Dem gab das Landgericht zunächst teilweise statt. In der Berufungsinstanz wurde der Anspruch allerdings zurückgewiesen. Während des Gerichtsverfahrens verstarb Helmut Kohl. Er wurde von seiner Witwe beerbt. Sie wehrte sich gegen das Berufungsurteil und legte Revision zum BGH ein. Der BGH stellt nun fest, dass der zunächst mögliche Geldentschädigungsanspruch wegen eines fehlenden rechtskräftigen Urteils unvererblich ist und weist die Revision zurück.

Die Gründe des Bundesgerichtshofs

Der BGH hält an seiner strikten Rechtsprechung zur Vererblichkeit eines Geldentschädigungsanspruchs wegen Persönlichkeitsverletzung fest.

Ein Geldentschädigungsanspruch hat die Funktion, dem Verletzten Genugtuung zu verschaffen. Ist jener verstorben, kann die Genugtuungsfunktion nicht mehr eingreifen. Demnach ist der Anspruch bereits dem Grunde nach unvererblich. Das gilt selbst dann, wenn ein solcher Anspruch eingeklagt, aber noch nicht rechtskräftig darüber entschieden wurde. Der Hauptzweck der Geldentschädigung, der durch den Tod des Verletzten nicht mehr erreicht werden kann, führt dazu, dass der Anspruch selbst bereits seine "innere Berechtigung" verliert, wodurch seine Vererblichkeit entfällt.

Erhielt der Verletzte jedoch noch zu seinen Lebzeiten die Geldentschädigung, ist die Genugtuungsfunktion erfüllt und der Grund des Zahlungsanspruchs bleibt trotz des Todes des Verletzten bestehen; sofern ein Teil der Gesamtentschädigung noch nicht bezahlt wäre, können die Erben diesen Rest verlangen. Namentlich ist das auch dann der Fall, wenn der Geldentschädigungsanspruch noch zu Lebzeiten dem Verletzten rechtskräftig zugesprochen wurde.

Mangels Rechtskraft trotz jahrelanger Verfahrensdauer hat die Witwe von Helmut Kohl keinen entsprechenden Geldentschädigungsanspruch geerbt, weshalb ihre Revision erfolglos bleibt.

Praxishinweis für Sie

Trotz jahrelanger, vor den Instanzen geführten Prozessen hält der BGH an seiner strikten Rechtsprechung fest. Die Entscheidung zeigt, dass durch eine lange Verfahrensdauer die Rechtskraft einer Entscheidung blockiert werden kann, was beim Tod des Verletzten während des Gerichtsverfahrens zum Anspruchsverlust für dessen Erben führt.

Fundstelle: BGH, Teilurteil vom 29.11.2021 – VI ZR 258/18 

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30.12.2021
Wertermittlung bei Pflichtteil

Welcher Gutachter für Schätzung der Immobilie?

Ihr Erbrechtsexperte Wolfgang Roth erläutert an Hand eines aktuellen Urteils, welchen Gutachter der Erbe aussuchen darf, damit er demjenigen, der den Pflichtteil geltend macht, eine korrekte Wertermittlung einer Immobilie ermöglicht. Der Fall spielt in Hessen, enthält aber allgemeingültige Aussagen zu diesem Thema.

Der Leitgedanke des Gerichts

Erfolgt im Rahmen der Geltendmachung des Pflichtteils die Schätzung einer Immobilie des Nachlasses durch ein hessisches Ortsgericht, erfüllt das Gutachten den Wertermittlungsanspruch des Pflichtteilsberechtigten.

Der entschiedene Sachverhalt

Die verstorbene Mutter setzte durch notarielles Testament einen ihrer Söhne zum Alleinerben ein. Sein Bruder forderte ein notarielles Nachlassverzeichnis zur Berechnung seiner pflichtteilsrechtlichen Ansprüche. Mit dem Verzeichnis wurde ein von einem hessischen Ortsgericht erstelltes Gutachten über eine Nachlassimmobilie übersandt, worin die Sachverständigen die Bodenrichtwerte auf den Sterbetag bewerteten. Der Bruder forderte dennoch im Wege einer Klage die Vorlage eines Gutachtens, das ein unparteiischer und unabhängiger Sachverständige erstellen sollte. Nach seinem Tod im laufenden Gerichtsverfahren übernahm seine ihn allein beerbende Ehefrau das Verfahren und verfolgte den Anspruch weiter. Sie scheitert damit sowohl in erster Instanz als auch mit ihrer Berufung vor dem Oberlandesgericht Frankfurt a.M.

Die tragenden Gründe des Urteils

Der Wertermittlungsanspruch wurde durch Einholung der Schätzung des Ortsgerichts erfüllt. Sinn und Zweck des Wertermittlungsanspruchs ist, dem Pflichtteilsberechtigten Informationen zu liefern, die ihn in die Lage versetzen, gegebenenfalls unter Einschaltung eines eigenen Sachverständigen seinen Pflichtteilsanspruch berechnen zu können. Gerade die in Hessen ansässigen Ortsgerichte, die auch als Hilfsbehörde der Justiz handeln, sind in besonderem Maße berufen, Wertermittlungen vorzunehmen. Indizien dafür, dass ein Mitglied des Ortsgerichts befangen gewesen wäre, werden nicht vorgetragen. Deshalb gibt es keinen Anlass dafür, ein neues Gutachten, das eine öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger errichten soll, zu verlangen.

Praxishinweis für Sie

Dem Erben vorschreiben, welchen Sachverständigen der Erbe beauftragen soll, darf der Pflichtteilsberechtigte nicht. Das Urteil stärkt die Rechte von Erben, die sich statt der Einschaltung von teuren Privatgutachtern öffentlicher „Institutionen“ bedienen, um die Bewertung von Nachlassimmobilien vorzunehmen. Die Entscheidung kann in der Praxis auf die Gutachterausschüsse anderer Bundesländer und der Wertigkeit der von ihnen erstellten Gutachten übertragen werden.

Es empfiehlt sich in der Regel, die Gutachterausschüsse der Kommunen, die zudem regelmäßig günstiger als Privatgutachter sind, zu beauftragen.   

Fundstelle: OLG Frankfurt a.M., Urteil vom 8.12.2021 – 12 U 110/21 

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11.11.2021
Notarielle Auskunft und Pflichtteil

Notarverzeichnis toppt Privatauskunft

Im Pflichtteilsverfahren ist es nicht möglich, ein Privatverzeichnis für die Auskunft über den Nachlass zu erhalten, wenn ein notarielles Nachlassverzeichnis vorliegt, wie Erbrechtsexperte Wolfgang Roth an Hand eins neuen Urteils erläutert:

Der Leitgedanke des Gerichts

Muss der Erbe ein notarielles Nachlassverzeichnisses für den geltend gemachten Pflichtteil nach entsprechender Verurteilung vorlegen, kann nicht nachträglich auf die Vorlage eines weiteren, privatschriftlichen Nachlassverzeichnis geklagt werden.

Der entschiedene Sachverhalt

Eine Mutter wurde von ihrem Sohn auf Grund Testaments alleine beerbt. Ihre Tochter forderte den Pflichtteil ein und erhob Klage auf Auskunft über den Bestand des Nachlasses durch Vorlage eines privatschriftlichen Verzeichnisses. Später änderte sie die Klage dahingehend, dass ihr Bruder die Auskunft durch Vorlage eines notariellen Nachlassverzeichnisses zu erteilen habe. Hierzu wurde der Bruder verurteilt. Danach wollte sie zusätzlich ein weiteres, privatschriftliches Verzeichnisses durch Urteil erstreiten. Das Landgericht wies ihre Klage ab, ihre Berufung bleibt ebenfalls erfolglos.

Die Gründe der Entscheidung

Für den weiteren Klageantrag auf Vorlage des Privatverzeichnisses besteht kein Rechtsschutzbedürfnis, da über das bereits vorliegende Urteil der Auskunftsanspruch vollständig durchsetzbar ist. Das Verlangen eines „Privatverzeichnisses“ ist rechtsmissbräuchlich, da die beiden Verzeichnisarten (notariell und privatschriftlich) inhaltlich wesensgleich sind. Ein Grund, ein zweites Urteil zur Auskunftserteilung zu schaffen, ist nicht ersichtlich, zumal das private Verzeichnis im Verhältnis zum notariellen keine höhere Gewähr der Richtigkeit hat.

Praxishinweis für Sie

Der Senat schließt sich der ständigen Rechtsprechung an, dass ein „Wechsel“ vom notariellen Nachlassverzeichnisses hin zu einem „Privatverzeichnis“ nicht möglich ist. Der umgekehrte Weg ist hingegen eröffnet: wer eine privatschriftliche Auskunft gegeben hat, muss auf Verlangen zusätzlich ein notarielles Nachlassverzeichnis erstellen!

Fundstelle: Oberlandesgericht Celle, Urteil vom 17.03.2022 – 6 U 67/21 

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09.11.2021
Klagemöglichkeit wegen Vollmacht

Behaupteten Missbrauch einer Vollmacht wirksam bekämpfen

Ihr Erbrechtsexperte Wolfgang Roth zeigt an Hand eines neuen Beschlusses auf, wie man gegen die Behauptung, man habe mit einer Vollmacht des Verstorbenen zu dessen Lebzeiten sein "Konto abgeräumt", vorgehen kann. Der angebliche Missbrauch der Kontovollmacht (auch einer Vorsorgevollmacht) kann wirksam wie folgt bekämpft werden:

Der Leitgedanke des Gerichts:

Behauptet ein Erbe gegenüber dem vom Verstorbenen Bevollmächtigten, jener habe sich „aus dem Vermögen des Erblassers bedient“, rechtfertigt dies die Erhebung einer sogenannten negativen Feststellungsklage. 

Der entschiedene Sachverhalt

Der Erblasser hinterließ zwei Söhne und setzte per Testament den mit ihm im gemeinsamen Haus wohnenden Sohn zum Alleinerben ein. Der Alleinerbe behauptete, sein Bruder habe die ihm erteilte Kontovollmacht des Vaters missbraucht und damit dessen Konto "abgeräumt". Zugleich forderte er die Rückzahlung dieser Geldbeträge. Dagegen erhob der Bruder negative Feststellungsklage. Dieser Klage gab das Landgericht statt. In der Berufungsinstanz erlässt der Senat zunächst einen Hinweisbeschluss und rät dem Alleinerben, seine Berufung mangels Erfolgsaussicht zurückzunehmen. Letztendlich weist es die Berufung kostenpflichtig zurück.

Die tragenden Gründe der Entscheidung

Die ehemalige Vollmacht bestand auf Grund eines Auftrags- bzw. Geschäftsbesorgungsverhältnisses, das auf den Alleinerben überging und eine Auskunfts- und Rechenschaftspflicht gegenüber dem Bevollmächtigten auslöst.

Gegen die daraus drohende Inanspruchnahme auf Erstattung des angeblich zu Unrecht erlangten Betrages durfte anwaltliche Hilfe in Anspruch genommen werden, da diese Behauptung weit über ein allgemeines Lebensrisiko hinausgeht. Die durch die Beauftragung entstandenen Aufwendungen (Anwalts- und Gerichtskosten) sind dem Bruder zu ersetzen. Zugleich rechtfertigt die Behauptung, auf Grund der Kontovollmacht habe sich der Bevollmächtigte am Vermögen des Erblassers „bedient“, ein Feststellungsinteresse nach § 256 Absatz 1 der Zivilprozessordnung für die von ihm erhobene negative Feststellungsklage. Aus den genannten Gründen weist das OLG Koblenz die Berufung des Alleinerben zurück.

Praxishinweis für Sie

Wie so oft wird wegen zu Lebzeiten ausgeübter Vollmachtstätigkeit auf Grund einer vom Erblasser erteilten Kontovollmacht zu Gunsten eines der Kinder seitens des Alleinerben gestritten. Sehr deutlich zeigt das Oberlandesgericht Koblenz auf, dass dann, wenn behauptet wird, die Kontovollmacht sei missbraucht worden, zur Abwehr des Anspruchs anwaltlicher Beistand hinzugezogen werden darf und dadurch entstehende Kosten ersatzfähig sind. Dies setzt selbstverständlich voraus, dass die behaupteten Ansprüche wegen Vollmachtsmissbrauchs ungerechtfertigt sind. Prozessrechtlich kann die negative Feststellungsklage des vormals Bevollmächtigten erhoben werden. Die Grundsätze die der Senat für eine laut Sachverhalt vorliegende Kontovollmacht aufstellt, sind auf eine allgemeine Vorsorgevollmacht, die ebenfalls vermögensrechtliche Regelungen enthalten kann, durchaus übertragbar.

Fundstelle: OLG Koblenz, Hinweisbeschluss vom 3.9.2021 – 12 U 752/21 und Beschluss vom 4.10.2021 – 12 U 752/21

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27.10.2021
Bescheid an Erbengemeinschaft

Erbengemeinschaft als unzulässiger Adressat eines Bescheides

Das Verwaltungsgericht Ansbach hat geurteilt, dass ein Bescheid, der eine Erbengemeinschaft als Empfänger trägt, nichtig ist, wie Ihr Erbrechtsexperte Wolfgang Roth an Hand des neuen Urteils erklärt.

Der Leitgedanke des Gerichts

Ist ein Leistungsbescheid der Behörde an eine Erbengemeinschaft adressiert, ist er mangels ausreichender Schuldnerbestimmung nichtig.

Der entschiedene Sachverhalt

Nach dem Tod der Erblasserin wurde eine Erbengemeinschaft im Grundbuch als deren Rechtsnachfolger eingetragen. Die Gemeinde erließ einen Herstellungsbeitragsbescheid über die Grundstücke, die zum Nachlass gehörten und adressierte den Bescheid „An die Erbengemeinschaft …… z. H. von Frau …….“. Frau .... war eine der Miterben. Den dagegen erhobenen Widerspruch wies das Landratsamt zurück. Die Anfechtungsklage vor dem Verwaltungsgericht ist erfolgreich.

Die tragenden Gründe des Urteils 

Die Miterbin ist klagebefugt, denn wegen der Adressierung des Bescheides „An die Erbengemeinschaft …..“ bestand zumindest die Möglichkeit, dass davon auch die Miterbin als Klägerin betroffen ist. Der Bescheid ist nichtig, weil er an einem schweren und offenkundigen Fehler leidet, denn eine klare und eindeutige Schuldnerbezeichnung ist darin nicht enthalten (§ 125 I Abgabenordnung (AO) i. V. m. Art. 13 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. b des Kommunalabgabengesetzes (KAG).

Ein Verwaltungsakt muss inhaltlich hinreichend bestimmt sein, sodass sich daraus der behördliche Wille klar für die Beteiligten ergeben muss. Widersprüchliche, unverständliche Angaben und Erklärungen sind unbestimmt. Ein schriftlicher Abgabenbescheid muss angeben, wer Schuldner des festgesetzten Betrages ist, § 157 I 1 AO. Die als Adressat angegebene Erbengemeinschaft ist weder eine natürliche noch ein juristische Person gemäß Art. 6 KAG. Sie ist aufgrund ihrer Zielsetzung (Auseinandersetzung der Gemeinschaft) keine Gesellschaft bürgerlichen Rechts; eine Erbengemeinschaft ist eine gesamthänderisch verbundene Personenmehrheit, der die Qualität eines Rechtssubjekts fehlt. Daher ist ein Bescheid, der an die Erbengemeinschaft gerichtet ist, mangels ausreichender Schuldnerbestimmung nichtig.

Daran ändert der Adresszusatz „…. z. H. von Frau …….“ nichts, denn jedes Mitglied der Erbengemeinschaft ist selbst Eigentümer der gesamten Sache. Demnach sind die einzelnen Mitglieder der Erbengemeinschaft jeweils selbst Schuldner, nicht hingegen die nicht rechtsfähige Erbengemeinschaft. Demnach ist immer erforderlich, dass die einzelnen Miterben in einem Beitragsbescheid genannt werden, andernfalls der Verwaltungsakt nichtig ist.

Praxishinweis für Sie

In der Praxis werden oft Beitragsbescheide aus Gründen der Arbeitserleichterung von der Behörde an die Erbengemeinschaft adressiert, jedoch nur einem Miterben zugeschickt. Das Urteil zeigt, dass dies das formal falsch ist und sich die Adressaten dagegen erfolgreich wehren können.

Fundstelle: Verwaltungsgericht Ansbach, Urteil vom 13.07.2021 – AN 1 K 21.00363 

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21.10.2021
Bindung an Grabpflege

Grabpflege zu Lebzeiten bindet die Erben

An Hand eines neuen, in der Praxis nicht selten vorkommenden Falles, zeigt Ihr Erbrechtsexperte Wolfgang Roth auf, wie ein zu Lebzeiten mit einer Gärtnerei abgeschlossener Vertrag über die Grabpflege die Nachkommen bindet und sie von diesem Bereich ausgeschlossen werden können. Im Ergebnis geht es um das Selbstbestimmungsrecht, das auch die Auswahl des Totenfürsorgeberechtigten beinhaltet:

Der Leitgedanke des Gerichts

Jeder hat das Recht, seinen Totenfürsorgeberechtigten selbst auswählen. Dessen Entscheidung geht den „regulären“ Inhabern des Totenfürsorgerechts vor, was insbesondere für den Teilbereich der Grabpflege gilt.

Der entschiedene Sachverhalt

Vier Geschwister sind in einem gemeinsamen Grab bestattet. Eine von ihnen hatte früher in Vertretung für alle mit einer Friedhofsgärtnerei einen Bestattungsvorsorgevertrag und einen Grabpflegevertrag abgeschlossen. Der überlebende Bruder klagte auf Feststellung, dass er allein Inhaber des Totenfürsorgerechts sei, sowie auf Feststellung, die Friedhofsgärtnerei zu entbinden und einen anderen Gärtner mit der Grabpflege zu beauftragen. Der Bruder verliert in allen Instanzen.

Die tragenden Entscheidungsgründe

Der Senat bejaht zunächst, dass die Schwester als Vertreterin der anderen den Vertrag abschließen durfte und konnte.

Das allgemeine Totenfürsorgerecht gibt dem Berechtigten/Verpflichteten das Recht, die äußere Gestaltung und das Erscheinungsbild des Grabes zu bestimmen und sich um dessen Pflege zu kümmern. Der darin enthaltene Teilbereich der Grabpflege kann bereits zu Lebzeiten des späteren Erblassers durch wirksamen Vertrag auf Dritte übertragen werden, insbesondere auf eine Gärtnerei.

Für den insoweit übertragenen Teilbereich des Totenfürsorgerechts, der Pflege der Grabstätte, ist dem nächsten Verwandten dieser Fürsorgeteil wirksam entzogen worden. Einer besonderen Form bedarf die Übertragung dieser Anordnung nicht, vor allem gelten hierfür nicht die Formvorschriften für Testamente.

Ein Wechsel des Inhabers der Gärtnerei ist unschädlich, da der subjektive Erblasserwille zukunftsgerichtet so auszulegen ist, dass die Grabstätte künftig gepflegt werde. Auch wenn der klagende Bruder Inhaber des Nutzungsrechts der Grabstätte ist, ist daraus das Recht zur umfassenden Totenfürsorge – also auch der Grabpflege – nicht abzuleiten, da das Grabnutzungsrecht nur eine Rechtsposition gegenüber örtlichen Behörden beinhaltet.

Praxishinweis für Sie

Das Oberlandesgericht bestätigt klar und deutlich, dass die Regelung der Grabpflege zu Lebzeiten von jedermann selbst getroffen werden kann und später Dritte daran gebunden sind. Dies kann auch im Testament selbst durch eine Grabpflegeanordnung geschehen. Ihr Erbrechtsexperte erklärt Ihnen auf Wunsch, wie das formuliert werden muss.

Fundstelle: OLG Koblenz, Beschluss vom 25.03.2021 – 12 U 1546/20 

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02.09.2021
Schulchan Aruch nicht anwendbar

Jüdischer Schulchan Aruch verstößt gegen garantierte Testierfreiheit

Ihr Erbrechtsexperte Wolfgang Roth bespricht die zum deutschen Erbrecht seltene Schnittstelle des jüdisch-religiösen Schulchan Aruch. Diese Rechtsnormen des jüdischen Rechts verstoßen teilweise nach einer neuen Entscheidung des Oberlandesgerichts Hamburg gegen den ordre public und sind daher bei der Errichtung eines Testaments ungültig.

Der Leitgedanke der Entscheidung

Die jüdisch-religiösen Rechtsregeln des Schulchan Aruch sind nicht mit den deutschen ordre public (Art. 6 EGBGB) vereinbar, soweit sie die Testierfähigkeit ausschließen und dort, wo sie sie zulassen, die testamentarische Einsetzung der Ehefrau des Testierenden zur Erbin ausschließen.

Der entschiedene Sachverhalt

Ein iranischer Staatsangehöriger war jüdischen Glaubens und hinterließ seine Ehefrau und vier Kinder. Drei davon waren Söhne. Seit 1980 lebte er in Deutschland. Er erstellte handschriftlich ein Testament, worin er seine Ehefrau zur Alleinerbin bestimmte und seinem erstgeborenen Sohn wegen Verfehlungen den Pflichtteil entzog. Seine Witwe erhielt einen Alleinerbschein unter Anwendung des deutschen Rechts, weil das Heimatrecht des Erblassers trotz vorgelegter Rechtsgutachten nicht eindeutig ermittelt werden konnte. Der erstgeborene Sohn beantragte, den Erbschein einzuziehen, weil das Testament nach jüdischem Recht unwirksam sei. Laut anzuwendenden Schulchan Aruch durfte die Ehefrau nicht als Alleinerbin eingesetzt werden, vielmehr sei er, der Erstgeborene nach diesen Regeln ½, seine beiden Brüder zu jeweils ¼ gesetzliche Erben. Auch sei das Testament deswegen formungültig, weil nach jüdischem Recht zwei koschere Zeugen hätten anwesend sein müssen. Der Einziehungsantrag wird vom Nachlassgericht zurückgewiesen, die dagegen erhobene Beschwerde bleibt erfolglos.

Die tragenden Gründe der Entscheidung

Auf den Erbfall ist zunächst das jüdisch-religiöse Recht (Schulchan Aruch) anwendbar, wonach ein Erblasser von den dortigen erbrechtlichen Regeln nicht abweichen darf. Gesetzliche Erben können demnach nur die männlichen Nachkommen des Erblassers sein. Ein gesetzliches Erbrecht der Ehefrau sieht das Schulchan Aruch nicht vor, statt dessen können nur Schenkungen zu Lebzeiten an die Ehefrau erfolgen. Aus dem Wortlaut des Schulchan Aruch ist also abzuleiten, dass das jüdisch-religiöse Erbrecht keine Testierfreiheit zu Gunsten der Ehefrau im Grundsatz vorsieht. Diese Rechtslage verstößt gegen den Grundsatz des ordre public nach Art. 6 EGBGB, da die Anwendung dieses ausländischen Rechts zu einem Ergebnis führt, das mit einem wesentlichen Rechtsgrundsatz des deutschen Recht nicht zu vereinbaren ist. Es liegt also eine offensichtliche Verletzung einer in der deutschen Rechtsordnung als wesentlich geltenden Rechtsnorm vor.

Weil der Schulchan Aruch die in Deutschland vorhandene Testierfreiheit praktisch ausschließt, ist ein Verstoß gegen Art. 6 EGBGB gegeben. Demnach ist die ausländische Regelung nicht anzuwenden, so dass eine ergänzende Auslegung des ausländischen Rechts im Rahmen der testamentarischen Einsetzung der überlebenden Ehefrau als Erbin vorzunehmen ist. Eine solche ist, da im Schulchan Aruch keine Ansatzpunkte für diese Auslegung gegeben sind, nicht gegeben. Somit ist das deutsche Erbrecht auf den Inhalt der letztwilligen Verfügung anzuwenden, wonach der Verstorbene seine Frau zur Alleinerbin einsetzen durfte.

Das Testament ist nicht formunwirksam, da sich aus dem Schulchan Aruch nicht ergibt, dass ein Testament für seine Formgültigkeit vor zwei koscheren Zeugen errichtet werden muss (Art. 281 Schulchan Aruch). Soweit hier die Anwesenheit zweier solcher Zeugen vorsieht, handelt es sich um eine verfahrensrechtliche Regel des Beweisrechts. Das Verfahrensrecht folgt nach der Anwendung des deutsch-iranischen Niederlassungsabkommens der sogenannten lex fori (Recht des Lageortes), also dem deutschen FamFG. Auf Grund der vorhandenen Handschriftlichkeit ist daher das Testament wirksam.

Praxishinweis für Sie

Das Gericht prüft umfassend die Anwendung des nach jüdisch-religiösem Recht anzuwendenden Schulchan Aruch und kommt zu Recht zu dem Ergebnis, dass die dort genannten Aspekte in Bezug auf die Nicht-Einsetzungsmöglichkeit der Ehefrau durch Testament gegen die Grundsätze des ordre public verstößt. Der lesenswerte Beschluss zu dieser Schnittstelle der beiden Rechtsordnungen stärkt die Grundstrukturen des deutschen Erbrechts und die Rechte von Frauen.

Fundstelle: OLG Hamburg, Beschluss vom 16.3.2021 – 2 W 17/20 

 

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01.09.2021
Google maps zu beachten

Kostenberechnung nach Google maps zulässig

Ihr Erbrechtsexperte Wolfgang Roth erläutert einen neu entschiedenen Fall, diesmal zum Kostenrecht: Die Schätzung des Geschäftswertes, auf dessen Basis in einem Erbscheinsverfahren Kosten des Nachlassgerichts berechnet werden, kann durch die Nutzung von Google-maps erfolgen.

Der Leitgedanke des Gerichts

Der Geschäftswert in einem Erbscheinverfahren ist durch Ermittlungen des Nachlassgerichts – notfalls durch Recherche via Google-maps – zu schätzen.

Der entschiedene Sachverhalt

Der Erbe erhielt den von ihm beantragten Erbschein als Alleinerbe. Er teilte dem Nachlassgericht mit, dass ein Miteigentumsanteil von ¼ der Immobilie des Verstorbenen zum Nachlass gehöre. Wie üblich, sandte das ihm das Gericht einen Fragebogen, in welchem er den ungefähren Wert der Erbschaft angeben sollte. Diesen Fragebogen legte er trotz mehrfacher Aufforderung des Gerichts nicht vor. Daraufhin setzte das Nachlassgericht den Geschäftswert auf € 2 Millionen fest. Dagegen erhob er Beschwerde. Die Beschwerde verliert er, jedoch nur deshalb, weil er die Beschwerdefrist von 6 Monaten versäumte. Inhaltlich weist der Senat darauf hin, dass die Schätzung falsch war.

Laut § 21 Abs. 1 des Gesetzes über Kosten der freiwilligen Gerichtsbarkeit für Gerichte und Notare sind Kosten, die bei einer richtigen Sachbehandlung nicht entstanden wären, nicht zu erheben. Eine solch unrichtige Sachbehandlung liegt vor, wenn dem Gericht ein offen zu Tage tretender Verstoß gegen eindeutige gesetzliche Normen oder ein offensichtliches Versehen unterlaufen ist. Das ist anzunehmen, wenn das Nachlassgericht bei der Festsetzung des Geschäftswerts bei fehlender Mitwirkung des Erben statt eigene Ermittlungen anzustellen, eine erkennbar unrealistische und überhöhte Schätzung des Nachlasswertes vornimmt.

Das Nachlassgericht hätte sich durch eine einfache Recherche bei Google-maps die Nachlassimmobilie ansehen und erkennen können, dass vor Ort teilweise Doppelhäuser stehen. Da auch nur ¼-Immobilienanteil zur Erbschaft gehörten, hätte auf dieser Grundlage die Schätzung erfolgen müssen, so dass ein Verstoß gegen den Amtsermittlungsgrundsatz vorliegt, der zur unrichtigen Sachbehandlung führte. 

Praxishinweis für Sie

Manchmal können oder wollen antragstellende Erben im Erbscheinverfahren schriftlich die Angaben zum ungefähren Nachlasswert nicht vorlegen. Der „Denkzettel“ des Nachlassgerichts, einen (überhöhten) Wert von € 2 Mio. – ohne eigene Recherchen und ohne sonstige Anhaltspunkte – anzunehmen, wird vom Oberlandesgericht Hamm zu Recht moniert. Ausdrücklich spricht der Senat davon, dass zumindest ein Blick in Google-maps hätte vom Nachlassgericht vorgenommen werden können, um sich zumindest ein (wenn auch nur ganz grobes) Bild von der Nachlassimmobilie machen zu können. 

Fundstelle: OLG Hamm, Beschluss vom 18.8.2021 – 10 W 69/21 

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