Eine neue Entscheidung befasst sich mit der Entlassung eines Testamentsvollstreckers, der die Erbschaftsteuer nicht zahlte, wie Ihr Erbrechtsexperte Wolfgang Roth erläutert.
Ein Testamentsvollstrecker begeht eine grobe Pflichtverletzung, die zu seiner Entlassung führt, wenn er jahrelang die Festsetzung der Erbschaftsteuer verschleppt und sie nicht abführt.
Ein kinderloses Ehepaar setzte sich per Testament gegenseitig zu Erben, am Ende sollten 2 Pflegetöchter erben. Zugleich wurde Testamentsvollstreckung angeordnet. Nach dem Tod der nachverstorbenen Ehefrau wurde der Testamentsvollstrecker im September 2015 ernannt und ihm ein Testamentsvollstreckerzeugnis hierzu erteilt. Knapp zwei Jahre später beantragte eine der Pflegetöchter dessen Entlassung, was allerdings erfolglos war. Dennoch sah das Nachlassgericht mehrere Pflichtverletzungen des Testamentsvollstreckers, vor allem weil seine Handlungen n zeitlicher Hinsicht nicht mehr tolerierbar waren. In der Gesamtwürdigung der Entlassungsgründe kam das Gericht aber (noch) nicht zu dem Schluss, dass insgesamt ein wichtiger Grund nach § 2227 BGB vorlag. Im Dezember 2019 wurde erneut die Entlassung beantragt. Der Entlassungsantrag war vor dem Nachlassgericht erfolgreich, da die weiteren Verfehlungen des Testamentsvollstreckers zwischenzeitlich den wichtigen Grund nach § 2227 BGB darstellten. Die dagegen erhobene Beschwerde des Testamentsvollstreckers ist erfolglos.
Der Senat definiert als wichtigen Entlassungsgrund nach § 2227 BGB eine grobe Pflichtverletzung oder die Unfähigkeit zur ordnungsgemäßen Geschäftsführung. Die tatsächlichen Umstände müssen jedoch in ihrer Gesamtschau die Merkmale des wichtigen Grundes erfüllen. Das muss das Nachlassgericht prüfen, welches bei einer Bejahung zusätzlich ein Entlassungsermessen hat.
Die Bezugnahme im zweiten Entlassungsverfahren auf die Verhaltensweisen des Testamentsvollstreckers aus dem ersten Entlassungsverfahren ist zulässig, da die damals aufgeführten Umstände nicht „verbraucht“ sind. Monatelange Phasen der Untätigkeit sowie fehlende Informationen oder Auskünfte gegenüber den Erbinnen oder dem Nachlassgericht rechtfertigen in ihrer Gesamtheit, dass ein solcher wichtiger Grund gegeben ist. Vor allem die Nichtabführung der Erbschaftsteuer über 5 Jahre nach der Amtsannahme und die Nichtbeendigung des Erbschaftsteuerverfahrens innerhalb dieser langen Zeit stellen eine grob fahrlässige Pflichtverletzung dar. Das Bündel aller Entlassungsgründe rechtfertigt die Entlassung des Testamentsvollstreckers.
Das Gericht fasst in der Beschwerdeentscheidung mehrere, für eine Testamentsvollstreckung wichtige Aspekte zusammen:
Fundstelle: OLG Naumburg, Beschluss vom 23.02.2021 – 2 Wx 31/20
... → mehrIhr Erbrechtsexperte Wolfgang Roth schildert einen aktuellen Fall in der Schnittstelle zwischen Behindertenrecht, Erbrecht und Kfz-Steuerrecht:
Die Erben eines behinderten Kfz-Halters dürfen selbst eine rückwirkende Kfz-Steuerbefreiung beantragen, denn das Antragsrecht des Behinderten geht auf sein Erben über; es stellt kein höchstpersönliches Recht dar und hängt nicht von nicht beeinflussbaren Zufälligkeiten wie dem Tod ab.
Die vom beklagten Hauptzollamt eingelegte Revision führt der BFH unter dem Aktenzeichen IV R 38/19.
Die Kläger sind Miterben des am 18.07.2017 verstorbenen behinderten Erblassers. Er war Halter eines Kfz bis zu dessen Abmeldung am 07.05.2017. Infolge der Abmeldung ermäßigte die beklagte Finanzbehörde am 18.05.2017 die festgesetzte Kfz-Steuer. Das Landratsamt (LRA) stellte mit Bescheid vom 22.06.2017 für den Erblasser einen Grad der Behinderung von 100 sowie die Merkzeichen G, B, H, aG und RF seit dem 24.02.2017 fest. Im Januar 2018 beantragten die Kläger, das Fahrzeug nach § 3a Abs. 1 KraftStG rückwirkend ab dem 24.02.2017 von der Kfz-Steuer zu befreien. Dies lehnte das LRA ab, weil nach dem Tod des Fahrzeughalters der Zweck der Steuerbefreiung, die Förderung der Mobilität behinderter Menschen, nicht mehr erreicht werden könne.
Aufgrund der erfolgreichen Klage ist der Kraftfahrzeugsteuerbescheid nach § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 der Abgabenordnung (AO) zu ändern. § 3a Abs. 1 KraftStG befreit das Halten von Kfz "solange die Fahrzeuge für schwerbehinderte Personen zugelassen sind", welche die gesetzlichen Voraussetzungen für die Befreiung erfüllen. Stichtag für die Steuerermäßigung ist das Ausstellungsdatum des Schwerbehindertenausweises, außer der Ausweis stellt – wie im Streitfall – ein früheres Datum für den Eintritt der Behinderung fest.
Grundsätzlich beginnt die Steuerbefreiung mit dem Tag der schriftlichen Antragstellung. Abweichend davon ist nach § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 AO i.V.m. § 171 Abs. 10 AO der im Schwerbehindertenausweis genannte Tag der Feststellung der Behinderung für die Steuerbefreiung maßgebend. Die Erben des Halters sind als Gesamtrechtsnachfolger (§ 1922 BGB) zur Antragstellung berechtigt, denn Forderungen aus dem Steuerschuldverhältnis gehen nach § 45 Abs. 1 S. 1 AO auf sie über. Das Antragsrecht ist kein höchstpersönliches Recht. Es hängt nicht von nicht beeinflussbaren Zufälligkeiten wie dem Tod ab, so das Finanzgericht.
Erben sollten sich nicht scheuen, nach dem Tod eines behinderten Menschen, die "geerbten" Steuervorteile und Steuermöglichkeiten auszuschöpfen. Im Bereich der Kfz-Steuer steht das Finanzgericht Baden-Württemberg unter den genannten Voraussetzungen auf Seiten der Miterben. Ob sich der Bundesfinanzhof im Revisionsverfahren anschließt, bleibt abzuwarten.
Fundstelle: zu FG Baden-Württemberg, Urteil vom 18.10.2019 - 13 K 1012/18
... → mehrIhr Erbrechtsexperte Wolfgang Roth schildert einen neuen vom Oberlandesgericht Oldenburg entschiedenen Fall, wonach Enkel und auch Urenkel als „Abkömmlinge“ bei der Erbeinsetzung galten. Er zeigt, welches Risiko bei einem Erbgang entstehen kann, wenn die falschen Rechtsbegriffe in einem Testament benutzt werden.
Werden in einem notariellen Testament von Ehepartnern zum Schluss „die Abkömmlinge“ zu Erben bestimmt, umfasst dieser Begriff nicht nur die Kinder der Ehegatten, sondern auch deren Enkel und Urenkel.
Ein Ehepaar verfasste im Jahr 1973 ein notarielles gemeinsames Testament, in welchem sie sich zunächst gegenseitig zu Erben einsetzten. Der Überlebende sollte über das Nachlassvermögen des Erstversterbenden frei verfügen können. Zu Erben des Überlebenden waren „unsere gemeinschaftlichen Abkömmlinge“ zu gleichen Teilen bestimmt. Nachdem der Ehemann verstorben war, setzte die Witwe durch ein handschriftliches Testament im Jahr 2001 eine ihrer Töchter und deren Kind je hälftig zu Erben ein. Insgesamt hatte sie 7 Kinder. Als sie verstarb, beantragte eine Tochter einen Erbschein, wonach die verbliebenen 6 Kinder zu je 1/6 Erben geworden seien; die durch das spätere Testament eingesetzte Tochter beantragte hingegen einen Erbschein, wonach sie selbst und ihr Kind je 1/2 Erben sein sollten. Die Klage zur Erbenfeststellung gewann die Klägerin dahingehend, dass sie zu 1/6 Erbin wurde.
Die dagegen eingelegte Berufung hat Erfolg. Die Enterbung durch das spätere Testament aus dem Jahr 2001 ist wirksam. Für die Auslegung, dass das Wort „Abkömmlinge“ im Jahr 1973 im Sinne des § 1924 BGB, der dies regelt, verstanden werden muss, ist ganz entscheidend, dass die Verstorbene zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung im Jahr 2001 offenbar ohne Weiteres davon ausging, auch deren Enkel zum Erben berufen zu können. Der Senat sieht es als plausibel an, dass Menschen für den Fall ihres Todes auch die Enkel direkt bedenken wollen. Eine gleichmäßige Verteilung zwischen allen familiären Abkömmlingen ist gerecht und plausibel. Vor allem, weil der Notar das Wort „Abkömmlinge“ wählte, zeigt, dass gerade nicht nur die „Kinder“ damit gemeint waren, denn „gemeinschaftlich“ sind auch Enkelkinder. Da die Abänderungsbefugnis des überlebenden Ehegatten im Ursprungstestament ebenfalls aufgenommen war, bleibt die Berufung erfolglos.
Ob tatsächlich eine Beratung des beurkundenden Notars über die Reichweite und Bedeutung des gewählten Wortes „Abkömmlinge“ erfolgte, kann durchaus bezweifelt werden. In der täglichen Praxis werden die kleinen, aber feinen Unterschiede zwischen „Kindern“ und „Abkömmlingen“ oftmals nicht genau mit allen Konsequenzen bei der Testamentserrichtung erörtert. Gerade der Begriff „Abkömmlinge“ ist mehrdeutig und auslegungsbedürftig, wie schon der Bundesgerichtshof ausgeurteilt hat; er geht weiter als der Begriff "Kinder", was aber bei einer Testamentserrichtung oft übersehen oder verkannt wird.
Daher sollte die Erstellung eines Testaments unter Zuhilfenahme eines Erbrechtsexperten erfolgen: Der Teufel steckt leider oft im Detail!
Fundstelle: OLG Oldenburg, Urteil vom 11.09.2019 – 3 U 24/18
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Erbrechtsexperte Wolfgang Roth schildert eine neue Gerichtsentscheidung, die in der Schnittstelle zur christlichen Religion spielt und wonach kein Anspruch auf eine Bestattungsart wie Jesus Christus besteht:
Ein Anspruch darauf, ohne Sarg und nur in ein Leintuch gehüllt, bestattet zu werden, besteht nur dann, wenn die Religionszugehörigkeit eine solche Bestattungsart vorsieht. Lediglich emotionale Gründe genügen nicht.
Ein der ev. Landeskirche in Baden angehöriges Ehepaar, das zugleich dem Zentralrat orientalischer Christen in Deutschland angehörte, wollte nach deren Tod in einem Leintuch gehüllt bestattet werden. Einen Sarg lehnten sie aus traditionellen Gründen ab. Muslime hingegen haben den sich aus der Bibel ergebenden, urchristlichen Ritus, dass sowohl ein Leichnam als auch ein Täufling in ein Leintuch gehüllt werden, bewahrt. Auch Kartäuser und Trappisten führen diese Bestattungsart heute noch durch. Die Gemeinde lehnte den Antrag zur Leintuchbestattung ab, der eingelegte Widerspruch dagegen war erfolglos. Das Verwaltungsgericht weist die dagegen erhobene Klage ebenfalls ab, lässt aber die Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung der Sache zu.
Laut § 39 I 3 des Bestattungsgesetzes Baden-Württemberg besteht grundsätzlich kein Anspruch, sarglos in Tüchern bestattet zu werden. Nur wenn der Verstorbene einer Religionsamtsgemeinschaft angehört, die diese Bestattungsart vorsieht, ist dies möglich; außerdem darf durch die Bestattungsart keine gesundheitliche Gefahr zu befürchten sein. Weder die Religionszugehörigkeit der Antragsteller noch eine Glaubensregel der Religionsgemeinschaften, denen sie angehören, sehen eine Bestattung ohne Sarg vor. Das nach Art. 4 des Grundgesetzes geschützte Grundrecht der Religionsfreiheit wird nicht verletzt, denn eine religiöse Pflicht, eine Leintuchbestattung durchzuführen, ergibt sich nicht aus der Religionszugehörigkeit der Kläger. Sie gaben an, dass der Wunsch nach der sarglosen Bestattung nicht auf einem Glaubenssatz, sondern nur emotionalen Gründen beruht: Die Kläger hätten „einfach ein besseres Gefühl bei der sarglosen Bestattung", eine schwere Gewissensnot bei Versagung dieser Bestattungsart lag nicht vor, weshalb die Klage erfolglos bleibt.
Die Sargbestattung wird immer weniger durchgeführt. Der Trend geht zu Feuerbestattungen, nicht zuletzt wegen Platzproblemen der Gemeinden auf örtlichen Friedhöfen, Folgekosten für nächste Angehörige (Grabpflege) und auch reinen Modeerscheinungen. Auch wenn es urchristlichen Grundsätzen entspricht, die Bestattung nur in einem Leintuch vorzunehmen, sind dennoch Gesetze und Verordnungen für die Frage der anzuwendenden Bestattungsart heranzuziehen, leider nicht die Bibel, auch wenn dies für den ein oder anderen wünschenswert ist.
Fundstelle: Verwaltungsgericht Karlsruhe, Urteil vom 19.09.2019 – 12 K 7491/18
... → mehrIhr Erbrechtsexperte Wolfgang Roth erläutert, unter welchen Voraussetzungen ein Pflichtteilsverzicht ausnahmsweise mündlich vereinbart werden kann. Dazu ist eine neue Entscheidung des Landgerichts Deggendorf ergangen:
Wird nach dem Tod des Erblassers auf den Pflichtteil verzichtet, ist dies als formloser Erlassvertrag nach § 397 BGB zu werten.
Der Verstorbene hinterließ zwei Töchter und seine zweite Ehefrau, von der eine der Töchter abstammte. Er selbst übertrug ohne Wissen seiner zweiten Ehefrau an eine Tochter eine Immobilie. Die Ehefrau übertrug mit seiner Zustimmung eines ihrer eigenen Grundstücke an die gemeinsame Tochter. Nach dem Tod des gemeinsamen Vaters beerbten die beiden Töchter diesen je zu 1/2. Die hinterlassene Erbschaft war gering. Die eine Tochter klagte auf Pflichtteilsergänzung gegen ihre Schwester, da jene sich verpflichtet hatte, der Mutter einen Nießbrauch und ein Wohnungsrecht am Übergabeobjekt zu gewähren. Gegenüber jener Tochter hatte der gemeinsame Vater allerdings zuvor schriftlich mitgeteilt, dass er nach dem Tod seiner zweiten Ehefrau zwar Alleinerbe ist, er aber von seiner Tochter dennoch „nichts haben wolle“. Die Klage wegen des Pflichtteils ist erfolglos.
Der Erblasser hatte wirksam nach dem Tod seiner Ehefrau als Alleinerbe auf seine Pflichtteilsergänzungsansprüche gegen die beschenkte Tochter verzichtet. Der Verzicht ist rechtlich als Erlassvertrag nach § 397 BGB zu werten, der formlos (mündlich) geschlossen werden kann. Diese Erklärung muss hinreichend deutlich zum Ausdruck kommen und zeigen, dass eine Verzichtserklärung abgegeben werden soll. Das Angebot auf Abschluss des Erlassvertrages muss unmissverständlich erklärt werden, wobei auf die Feststellung des Verzichtswillens strenge Anforderungen zu stellen sind. Dieser muss zur Überzeugung des Gerichts feststehen.
Das Schreiben des Verstorbenen gegenüber seiner zweiten Tochter, dass er „nichts haben wolle“ aus der Erbschaft seiner vorverstorbenen zweiten Ehefrau wird vom Landgericht als Angebot auf Abschluss des Erlassvertrages ausgelegt, der angenommen wurde. Die Anhörung der Geschwister vor Gericht sowie die Aussage eines Zeugen lassen den sicheren Schluss darauf zu, dass der Erblasser mit einem Verzichtswillen handelte. Wegen des wirksamen mündlichen Erlasses des Pflichtteilsergänzungsanspruchs ist dieser Anspruch nicht Teil seines eigenen Nachlasses, so dass er auch nicht durch die jetzige Klägerin als Miterbin nach § 2039 BGB eingefordert werden kann.
Die sogenannte Genussverzichtsrechtsprechung, auf die sich die klagende Miterbin beruft, greift wegen des Erlassvertrages nicht ein. Die Entscheidung zeigt, dass, wenn zur Überzeugung des Gerichts ein Verzicht auf die Geltendmachung pflichtteilsrechtlicher Ansprüche nach dem Tod des Erblassers feststeht, es sich rechtlich um einen Erlassvertrag handelt und dadurch die Pflichtteilsansprüche hinfällig werden können (so auch der Bundesgerichtshof in NJW 2001, 2325).
Fundstelle: Landgericht Deggendorf, Endurteil vom 19.9.2019 – 32 O 779/18
... → mehrIhr Erbrechtsexperte und Fachanwalt für Erbrecht Wolfgang Roth, Obrigheim, erläutert, welche Haftungsgefahr für einen Miterben besteht, der meint, ohne sich mit den anderen Miterben abstimmen zu müssen und alleine Handlungen in Bezug auf den Nachlass vornimmt.
Solange eine Erbengemeinschaft besteht, kann nur von der Mehrheit der Miterben die Vornahme ordnungsgemäßer Verwaltungsmaßnahmen beschlossen werden. Ein Miterbe allein kann nur dann alleine handeln und den gesamten Nachlass zur Bezahlung seiner allein getroffenen Maßnahme verpflichten, wenn eine Notverwaltungsmaßnahme vorgenommen werden soll. Die Abgrenzung der Notverwaltung zur ordentlichen Verwaltungsmaßnahme ist oft schwierig.
Notwendige Maßnahmen zur Erhaltung des Nachlasses kann jeder Miterbe nach der Vorschrift des § 2038 Absatz 1 Satz 2, 2. Halbsatz des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) alleine treffen. Dazu ist jeder Miterbe sogar rechtlich verpflichtet, wenn es sich um eine unaufschiebbare Notverwaltungsmaßnahme handelt, die geeignet ist, Schaden vom Gesamtnachlass abzuwenden. Unterlässt der Miterbe eine solche Notverwaltungsmaßnahme, macht er sich einer Pflichtverletzung schuldig, was zu einem Schadenersatzanspruch gegen ihn führen kann.
Die vom Miterben alleine durchgeführte Notmaßnahme muss sich im Rahmen der „ordnungsgemäßen“ Verwaltung bewegen und der Erhaltung der gesamten Erbschaft dienen. Sofern seine Handlung nur den Zweck hat, einen einzelnen Nachlassgegenstand zu erhalten, ist sie ordnungsgemäß, wenn dadurch der gesamte Nachlass nicht geschädigt wird, wie der Bundesgerichtshof entschieden hat.
Die Maßnahme muss „notwendig“ sein, weshalb bloße Nützlichkeit der Handlung nicht genügt. Ob eine Maßnahme notwendig ist, ist aus Sicht eines vernünftig wirtschaftlich Denkenden zu entscheiden. Zu beurteilen ist dies nach dem Zeitpunkt, zu dem die Handlung vorgenommen werden soll. Die Maßnahme muss vor allem so dringlich sein, dass die vorherige Zustimmung der übrigen Miterben nicht mehr erreicht werden kann, bevor die Maßnahme durchgeführt wird. Eine Notmaßnahme liegt also nicht vor, wenn ohne Gefährdung des Nachlasses die Zustimmung der Miterben zuvor noch eingeholt werden kann.
Ist eine wirksame Notverwaltungsmaßnahme gegeben, werden im Innenverhältnis die Miterben untereinander vom handelnden Einzelerben verpflichtet, also muss sich jeder andere Miterbe an den dadurch entstandenen Kosten beteiligen - entsprechend seiner Erbquote. Der allein handelnde Miterbe kann über die Notverwaltung auch wirksam Verfügungsgeschäfte vornehmen, beispielsweise den Notverkauf einer verderblichen Ware usw.
War die Handlung des einzelnen Miterben nicht dringlich, kommt ein Anspruch des handelnden Miterben gegen die anderen Miterben auf Ersatz seiner Aufwendungsersatz nach den Regeln der Geschäftsführung ohne Auftrag in Frage. Zusätzlich kann dem handelnden Miterben in dieser Konstellation ein Freistellungsanspruch gegen die übrigen Miterben aus denselben Anspruchsgrundlagen zustehen.
War die von ihm vorgenommene Maßnahme schon nicht „ordnungsgemäß“ nach § 2038 Absatz 1 Satz 2 BGB, ist die durchgeführte Maßnahme im Außenverhältnis unwirksam und im Innenverhältnis gegenüber den Miterben nicht verpflichtend; die Miterben müssen also die dadurch angefallenen Kosten nicht mitbezahlen.
Handelt ein Miterbe ohne Abstimmung mit den anderen und meint er, eine Notverwaltungsmaßnahme durchführen zu dürfen, kann dies für ihn wegen des damit verbundenen persönlichen Haftungsrisikos nachteilig sein. Um die Dringlichkeit der Maßnahme zu dokumentieren, sollte er alles tun, um vor Einleitung seiner Maßnahme die Miterben zu erreichen, sei es per E-Mail, Telefon, Fax usw. Zu beachten ist auch, dass die reine Nützlichkeit von Maßnahmen regelmäßig keine Notverwaltungsmaßnahme darstellt, auch wenn dies in der Praxis von vielen einzelnen Miterben so empfunden wird, worauf Ihr Erbrechtsexperte hinweist.
... → mehrUnseriöse Testamentsvollstrecker sehen ihr Amt nicht selten als "Selbstbedienungsladen" an und bringen dadurch dieses sinnvolle Rechtsinstitut in Verruf. Sie schaden korrekt handelnden Testamentsvollstreckern, wie der folgende Fall, der sich aus der Insolvenz der Reederei, welche die "Gorch Fock" reparieren sollte, ergibt, zeigt. Ihr Erbrechtsexperte Wolfgang Roth erklärt die Hintergründe.
Die Verstorbene errichtete mittels eines notariellen Testaments eine gemeinnützige Stiftung, die sie zur Alleinerbin bestimmte. Per Vermächtnis wandte sie ihrer Enkelin Erträge aus sonstigem Vermögen zu. Sie hinterließ zwei Töchter und ordnete Testamentsvollstreckung an. Zum Vollstrecker bestimmte sie einen Rechtsanwalt, der zugleich Stiftungsvorstand wurde. Die Stiftungsaufsicht stellte fest, dass mangels gemeinnütziger Tätigkeit der Stiftungszweck verloren ging und setzte den Anwalt als Vorstandsmitglied ab. Die Staatsanwaltschaft leitete Ermittlungen ein. Der vom Gericht eingesetzte Notvorstand der Stiftung und die pflichtteilsberechtigten Töchter beantragten die Entlassung des Testamentsvollstreckers. Das Nachlassgericht forderte ihn mehrfach auf, ein Nachlassverzeichnis vorzulegen. Dies tat er zwar, bezeichnete es allerdings als „vorläufig“ und entnahm € 180.000,00 dem Nachlass, ohne dies der Erbin mitzuteilen. Die Entnahme erfolgte noch vor der Erstellung des endgültigen Nachlassverzeichnisses. Das Amtsgericht gibt dem Entlassungsantrag statt. Die dagegen eingelegte Beschwerde des Testamentsvollstreckers bleibt erfolglos.
Die mehrfach verzögerte Erstellung des Nachlassverzeichnisses nach § 2215 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) führt für sich allein genommen noch nicht zur Entlassung. Die Pflicht zur Verzeichniserstellung beginnt bereits mit der Amtsannahme gegenüber dem Nachlassgericht und muss „unverzüglich“ zu erfolgen. Dies kann auch mehrere Monate dauern, vor allem, wenn ein unstrukturierter und unübersichtlicher Nachlass vorliegt. Wertangaben müssen nicht enthalten sein, nur die dem Vollstrecker bekannten Verbindlichkeiten sind aufzuführen, zweifelhafte sind zu kennzeichnen.
Die Entnahme der mit „Vorgriff“ auf das Testamentsvollstreckerhonorar bezeichneten € 180.000,00 stellt hingegen eine Übermaßentnahme dar, da sie sich nicht einmal mehr in den möglichen Grenzen der Angemessenheit hält. Die Erblasserin gab zur Vergütung des Testamentsvollstreckers vor, dass sich die Vergütung nach den Empfehlungen des Deutschen Notarvereins in Fortentwicklung der „Rheinischen Tabelle“ zu richten hat. Nach diesen Empfehlungen ist der Vergütungsgrundbetrag zur Hälfte nach dem Abschluss der Konstituierung des Nachlasses fällig. Der Nachlass ist dann konstituiert, wenn die Zusammensetzung der Erbschaft ermittelt, das Nachlassverzeichnis aufgestellt und die vom Erblasser herrührenden Schulden getilgt sind. Der Testamentsvollstrecker hatte noch nicht einmal das Verzeichnis erstellt, geschweige denn Maßnahmen zur Regulierung der Erblasserverbindlichkeiten getroffen. Schon nach dem erstellten vorläufigen Verzeichnis war der Nachlass überschuldet, weshalb das Nachlassinsolvenzverfahren hätte eingeleitet werden müssen.
Die Höhe des entnommenen Betrages aus dem Bruttonachlasswert (ohne Abzug der Verbindlichkeiten) ist bis € 2,5 Mio. auf 2,5 % nach der Vergütungsvorgabe begrenzt. Dies wären bei einem Nachlass von ca. € 1,2 Mio. nur ca. € 36.000,00 an Grundgebühr gewesen. Außerdem sehen die Vergütungsempfehlungen vor, dass die Gesamtvergütung in der Regel das 3-fache des Grundbetrages (also ca. € 108.000,00) nicht überschreiten soll. Von dem Gesamtbetrag ist als Abschlag nach der Nachlasskonstituierung höchstens die Hälfte, somit ca. € 50.000,00 fällig gewesen. Der als „Vorschuss“ deklarierte und entnommene Betrag von € 180.000,00 war, wie der Testamentsvollstrecker wusste, weit überzogen; er sah die Entnahme des Geldes als „letzte Möglichkeit des Kassemachens“ an, was eine wesentliche Pflichtverletzung nach § 2227 BGB darstellt.
Aber nicht jede Pflichtverletzung führt zwangsläufig zur Entlassung des Vollstreckers. Ist jedoch ein solch schwerer Verstoß, gemessen am Gewicht des vorzuwerfenden Handelns, gegeben, ist davon auszugehen, dass, hätte die Erblasserin den Pflichtenverstoß gekannt, sie den ausgewählten Testamentsvollstrecker auch nicht im Amt belassen hätte, weshalb die Entlassung zu Recht erfolgte.
Der Fall, der sich um die Insolvenz der Rederei handelt, welche die „Gorch Fock“ instand setzte, zeigt einmal mehr, dass mancher Testamentsvollstrecker der Meinung ist, dieses Amt als wirtschaftlichen Selbstbedienungsladen anzusehen. Zum Glück schiebt der Senat des Oberlandesgerichts Hamburg diesem Tun einen Riegel vor und zeigt einmal mehr, dass die vorschnelle und/oder überhöhte Entnahme der Testamentsvollstreckergebühren schnell dazu führen kann, dass der Vollstrecker entlassen wird. Liegt ein soll offensichtlicher Fall der Gebührenüberschreitung vor, kann der Entscheidung nur zugestimmt werden, damit seriöse Testamentsvollstrecker ihr Amt ausüben können.
Fundstelle: OLG Hamburg, Beschluss vom 28.8.2019 – 2 W 66/19
... → mehrFachanwalt für Erbrecht Wolfgang Roth zeigt an Hand eines neuen Urteils die Gefahren, die auf einen Testamentsvollstrecker zukommen, der lebzeitige Zuwendungen bei der Teilung der Erbschaft übersieht.
Verteilt ein Testamentsvollstrecker den Nachlass, ohne dass er im Testament angeordnete Berücksichtigungen von Vorempfängen der einzelnen Miterben berücksichtigt, muss er Schadenersatz bezahlen.
Die Mutter hinterließ 5 Kinder, die sie testamentarisch zu gleichen Teilen als befreite Vorerben einsetzte. Ihre Anwältin und Steuerberaterin sollte Testamentsvollstreckerin sein. In einem zusätzlichen Testament gab sie vor, dass zwei ihrer Kinder bereits zu Lebzeiten erhaltene Geldbeträge bei der Nachlassteilung zu berücksichtigen haben. Nach Versilberung des Nachlasses zahlte die Testamentsvollstreckerin allen Erbinnen denselben Betrag aus, ohne diese Vorempfänge zu beachten. Eine Miterbin verklagte sie erfolgreich auf Schadenersatz auf den auf diese Weise zu wenig erhaltenen Geldbetrag. Das Oberlandesgericht OLG gibt der Erbin Recht.
Die Anordnung der Verstorbenen, dass die lebzeitigen Geldzuwendungen bei der Erbteilung zu berücksichtigen sind, gibt der Testamentsvollstreckerin eindeutig vor, dass dies bei der Nachlassteilung zugunsten der drei anderen Miterbinnen rechnerisch zu berücksichtigen ist. Diese klare testamentarische Anordnung hat die Vollstreckerin schuldhaft (§ 276 BGB) verletzt, was den Schadenersatzanspruch nach § 2219 BGB begründet.
Testamentsvollstreckung ist haftungsträchtig, wie das Urteil zeigt. Schon die falsche Berechnung bei der Erbauseinandersetzung oder die Übergehung von klaren und Erblasservorgaben führen zur Schadenersatzpflicht. Ihr Erbrechtsexperte Wolfgang Roth unterstützt Testamentsvollstrecker bei der Amtsführung ebenso, wie er Testamentsvollstreckungen übernimmt, um den Willen des Erblassers vertrauensvoll umzusetzen. Die dazu erforderliche Qualifikation besitzt Ihr Erbrechtsspezialist seit Jahren.
Quelle: OLG München, Urteil vom 13.3.2019 – 20 U 1345/18
... → mehrFerdinand Piech, seines Zeichens ehemaliger "starker Mann" des VW-Konzerns, hatte eines. Die allermeisten haben jedoch keines: ein Testament.
Wie die Bild-Zeitung wissen will, soll Ferdinand Piech allerdings eine sogenannte Wiederverheiratungsklausel zu Lasten seiner Witwe in der letztwilligen Verfügung aufgenommen haben. Eine solche Klausel ist bedenklich, greift sie doch in die persönliche Entscheidungsfreiheit des hinterbliebenen Ehegatten ein, mag sie auch noch so verständlich aus Sicht des Erblassers sein.
Hierzu hat sich auch unser Mitglied des Netzwerks Deutscher Erbrechtsexperten (NDEEX), Fachanwalt Bernhard Klinger aus München, in der Süddeutschen Zeitung geäußert. Dessen Stellungnahme finden Sie unter: https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/ferdinand-piech-erbe-testament-vermoegen-1.4576413
Über die Tragweite, Formulierungsmöglichkeiten und die steuerlichen Auswirkungen einer Wiederverheiratungsklausel informiert Sie Ihr Erbrechtsexperte, Fachanwalt für Erbrecht Wolfgang Roth.
... → mehrRoth / Holtz / Klose, 2019
Strategie und Taktik im Erbrecht
Erschienen: 2019
Verlag: C.H. Beck, München
zum Preis von: 84.00 €
Fachanwalt für Erbrecht Wolfgang Roth hat in seinem neuen Buch, dem nun in 2. Auflage erschienen "Strategie und Taktik im Erbrecht" die für Erbrechtsspezialisten wichtigsten Tipps und Lösungsmöglichkeiten für eine friedliche Erbauseinandersetzung der Miterben und sonstigen erbrechtlich Beteiligten umfassend aufgearbeitet.
Zur Seite standen als Mitautoren die ebenfalls als Kenner des Erbrechts ausgewiesenen Kollegen, Frau Fachanwältin für Erbrecht Martina Klose aus Jena und Fachanwalt für Erb- und Steuerrecht Dr. Michael Holtz aus Bonn, die ihre Fachbereiche beschrieben und erörtert haben.
Die nun erschienene Neuauflage gibt dem erbrechtlich Unerfahrenen Anhaltspunkte über die verschiedenen Rechtsgebiete, ebenso auch dem beruflich mit Erbrecht verbundenen Akteur (Fachanwälten für Erbrecht, Richtern, Nachlasspflegern usw.) Handlungsempfehlungen an die Hand, wonach er seine Tätigkeiten ausrichten kann. Gerichtliche Aspekte, Klagemuster usw. werden ebenso erörtert, wie Aspekte des Steuerrechts.
Praxishinweise, Musterformulierungen, Anträge usw., die immer und jeweils auf den Einzelfall anzupassen sind, runden das Werk ab.
Der Obrigheimer Fachanwalt für Erbrecht und Erbrechtsexperte Wolfgang Roth und die Mitautoren haben die bis 10.07.2019 ergangene Rechtsprechung in das neue Buch ebenso eingearbeitet, wie die für die tägliche Arbeit des Erbrechtlers bis dahin veröffentlichte, einschlägige Literatur.
Wer das neue Buch bestellen möchte, kann dies tun unter: https://www.beck-shop.de/roth-holtz-klose-strategie-taktik-erbrecht/product/17634348
Näheres unter der Rubrik: "Publikationen"
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