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Rechtsanwalt, Fachanwalt für Erbrecht, Obrigheim bei Mosbach

Aktuelles aus der Kanzlei

20.07.2022
Grundbuch mit Vollmacht berichtigen

Erben müssen Vollmacht des Verstorbenen zur Grundbuchumschreibung nicht kennen

Ihr Erbrechtsexperte Wolfgang Roth bespricht einen aktuellen Fall, der sich im Grundbuchrecht abspielt und zeigt, dass über den Tod hinaus geltende Generalvollmachten die Kosten für einen Erbschein ersparen können:

Der Leitgedanke der Entscheidung

Die vom Erblasser über seinen Tod hinaus geltende Generalvollmacht gilt auch dann im Grundbuchverkehr weiter, wenn Miterben zuvor keine Möglichkeit hatten, die Vollmacht zu widerrufen.

Der entschiedene Sachverhalt

Die Erblasserin vermachte ein Haus an Vermächtnisnehmer. Zugleich erteilte sie ihrem Sohn eine über ihren Tod hinaus (transmortal) wirkende Generalvollmacht, die auch zu Immobiliengeschäften berechtigte. Er übertrug 2 Jahre nach dem Tod der Mutter mittels der Vollmacht für die Erben das Grundstück beim Notar, um das Vermächtnis zu erfüllen. Dem Vollzug der Umschreibung widersprach das Grundbuchamt mit dem Argument, dass die Miterben zunächst die Möglichkeit zum Widerruf der Vollmacht gehabt haben müssten. Das Oberlandesgericht München weist das Grundbuchamt im Beschwerdeverfahren hingegen an, die Auflassung zu vollziehen.

Die tragenden Gründe der Entscheidung

Der Nachweis der Erbfolge durch einen Erbschein ist nicht notwendig, da der Bevollmächtigte das Handeln aller Beteiligten (der Erben, die das Grundstück übertragen mussten) mit seiner Vollmacht notariell genehmigen durfte. Wenn Erben durch einen Bevollmächtigten vertreten werden, sind Wirksamkeit und Umfang der Vollmacht vom Grundbuchamt zu prüfen. Das Handeln der Erben wurde durch notarielle Urkunde genehmigt. Da der Vollmachtinhalt gerade auch für Immobiliengeschäfte gelten sollte, sind davon auch die Auflassung, die Bewilligung der Eintragung der Vermächtnisnehmer im Grundbuch und die Umschreibungsanträge umfasst. Die Vollmacht der Erblasserin gilt nach § 1922 BGB für die Erben fort. Der Bevollmächtigte muss weder angeben, wer überhaupt die Erben sind, die er mit der Vollmacht vertritt, noch deren Zustimmung einholen, da dies dem Zweck der transmortal geltenden Vollmacht zuwiderliefe. Demnach ist das Grundbuchamt verpflichtet, die Umschreibung im Grundbuch vorzunehmen.

Praxishinweis für Sie

Der Beschluss stärkt die Wirksamkeit transmortal erteilter Vorsorgevollmachten, die – wie im vorliegenden Fall – auch dazu führen können, einen teuren Erbschein einzusparen. Auch wenn die Vollmacht keinen Erbschein ersetzt, kann sie im Rechtsverkehr wie ein solcher genutzt werden.

Fundstelle: OLG München, Beschluss vom 10.02.2022 – 34 Wx 431/21 

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07.06.2022
Corona-Prämie vererblich

Die Prämie eines Pflegers wegen Corona ist vererbbar

Zur Vererbbarkeit der Corona-Prämie hat das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg eine Entscheidung getroffen, die Ihr Erbrechtsexperte Wolfgang Roth kurz wie folgt erläutert:

Der Leitgedanke des Gerichts

Der Anspruch auf Corona-Prämie einer verstorbenen Pflegekraft ist vererbbar, da es sich nicht um einen höchstpersönlichen Anspruch handelt.

Der entschiedene Sachverhalt

Der Verstorbene war als Pfleger in einem Pflegeheim beschäftigt. Gegen das Heim klagte er die Zahlung einer Sonderleistung nach § 150a SGB XI (Corona-Prämie) erfolglos ein. Nach seinem Tod führte sein Erbe den Rechtsstreit fort und gewinnt das Berufungsverfahren.

Die tragenden Gründe der Entscheidung

Das Gericht arbeitet zunächst die Anspruchsvoraussetzungen für den als Pflegekraft Beschäftigten heraus. Der entstandene Zahlungsanspruch auf die Corona-Prämie ist nach § 1922 I des Bürgerlichen Gesetzbuches vererbbar. Der Anspruch ist nicht der Höchstpersönlichkeit unterworfen, weshalb der Erbe die Rechtsposition geltend machen darf. Sinn und Zweck der Corona-Prämie ist, dass Pflegekräfte wegen ihres Kontakts zu Hochrisikogruppen besonderen Belastungen ausgesetzt sind, was durch diese Sonderleistung honoriert werden soll. Die Corona-Prämie knüpft daher an die Erbringung der Arbeitsleistung an, weshalb sie als solche keinen höchstpersönlichen Charakter hat. Die in § 150a I 1 SGB XI ausgedrückte Wertschätzung durch die Corona-Prämie ist daher unabhängig von der Person der Pflegekraft, weshalb es sich um ein vermögensrechtliches Rechtsverhältnis handelte, das der Erbe im Rahmen des Gerichtsverfahrens klären kann.

Praxishinweis für Sie

Das Gericht geht richtiger Weise von Sinn und Zweck der Corona-Prämie dergestalt aus, dass diese an der Arbeitsleistung festzumachen ist und nicht an der konkreten Person der Pflegekraft. Da nach der Grundregel des § 1922 I BGB vermögensrechtliche Rechtsverhältnisse im Wege der Gesamtrechtsnachfolge vererblich sind, kommt die Kammer folgerichtig zur Vererbbarkeit dieser Prämie.

Fundstelle: LAG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 24.03.2022 – 5 Sa 1708/21

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20.05.2022
Bargeld im Testament

"Bargeld" als Vermächtnis ist nur, was im Geldbeutel ist

Erbrechtsexperte Wolfgang Roth bespricht eine Entscheidung, wonach das per Testament hinterlassene Bargeld so ausgelegt wird, dass nur das im Geldbeutel vorhandene, also physisches Geld gemeint ist.

Der Sachverhalt

Die Verstorbene hinterließ Vermögen in Form von Kontoguthaben und Geldanlagen von ca. 100 Mio. Euro. Ihr notarielles Testament war in 12 Punkte aufgegliedert, wobei sie als letzten Gliederungspunkt ihr „vorhandenes Bargeld in 19 Teile" per Vermächtnis einzelnen Personen zuwandte.

Ein Vermächtnisnehmer verklagte die an erster Stelle im Testament genannten Erben, dass damit nicht nur das beim Tod vorhandene physische Bargeld, sondern das gesamte Geldvermögen - also auch das Bankguthaben - gemeint war. Die Klage bleibt in allen Instanzen erfolglos.

Die Gründe der Entscheidung

Das Gericht legt das notarielle Testament anhand des Erblasserwillens so aus, dass die Verstorbene tatsächlich nur ihr beim Tod vorhandenes Geld in der Geldbörse gemeint hatte. Eine Erstreckung dergestalt, dass sie mit diesem Begriff auch leicht verfügbare Bankguthaben (Buchgeld) gemeint haben könnte, sieht das Gericht als nicht gegeben an. Auch für Außenstehende unvernünftige oder wirtschaftlich sinnlos erscheinende Ergebnisse der Auslegung einer Verfügung von Todes wegen sind hinzunehmen, da allein der im Testament ausgedrückte Erblasserwille maßgeblich ist.

Weil sie erhebliches Buchgeld-/Anlagevermögen besaß, hätte es sich der Erblasserin geradezu aufdrängen müssen, zwischen Bar- und Buchgeld zu unterscheiden, wenn sie den Begriff „Bargeld“ verwendete und damit auch deren Millionenvermögen, das auf Banken lag, gemeint hätte. Die Systematik des Testaments, an dessen Spitze die Erbeinsetzung und an dessen Ende das zugewandte Bargeld steht, unterstützt diese Auslegung: In der Regel stehen am Anfang eines Testaments die wesentlichen Verfügungen (Erbenbenennung, Zuordnung von Immobilien usw.), am Ende die weniger werthaltigen Nachlassgegenstände. Die Gesamtschau spricht also dafür, dass das Bargeldvermächtnis sich nur auf beim Tod vorhandenes physisches Geld bezieht.

Praxishinweis für Sie

Viel Streit herrscht hinsichtlich der Zuwendung per Testament von „Geld“, „Bargeld“, „Geldvermögen“ usw.: Was soll Inhalt dieser Begrifflichkeiten und somit zugewandt sein? Sollen damit auch Bankguthaben, sonstiges Buchgeld oder Anlagevermögen gemeint sein, sollte dies zur Klarstellung im Testament auch so bezeichnet werden.

Fundstelle: OLG München, Hinweisbeschluss vom 26.10.2021 – 33 U 1473/21

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11.05.2022
Pflichtteil und Nachlassverzeichnis

Notarverzeichnis toppt Privatauskunft

Im Pflichtteilsverfahren ist es nicht möglich, ein Privatverzeichnis für die Auskunft über den Nachlass zu erhalten, wenn ein notarielles Nachlassverzeichnis vorliegt, wie Erbrechtsexperte Wolfgang Roth an Hand eins neuen Urteils erläutert:

Der Leitgedanke des Gerichts

Muss der Erbe ein notarielles Nachlassverzeichnisses für den geltend gemachten Pflichtteil nach entsprechender Verurteilung vorlegen, kann nicht nachträglich auf die Vorlage eines weiteren, privatschriftlichen Nachlassverzeichnis geklagt werden.

Der entschiedene Sachverhalt

Eine Mutter wurde von ihrem Sohn auf Grund Testaments alleine beerbt. Ihre Tochter forderte den Pflichtteil ein und erhob Klage auf Auskunft über den Bestand des Nachlasses durch Vorlage eines privatschriftlichen Verzeichnisses. Später änderte sie die Klage dahingehend, dass ihr Bruder die Auskunft durch Vorlage eines notariellen Nachlassverzeichnisses zu erteilen habe. Hierzu wurde der Bruder verurteilt. Danach wollte sie zusätzlich ein weiteres, privatschriftliches Verzeichnisses durch Urteil erstreiten. Das Landgericht wies ihre Klage ab, ihre Berufung bleibt ebenfalls erfolglos.

Die Gründe der Entscheidung

Für den weiteren Klageantrag auf Vorlage des Privatverzeichnisses besteht kein Rechtsschutzbedürfnis, da über das bereits vorliegende Urteil der Auskunftsanspruch vollständig durchsetzbar ist. Das Verlangen eines „Privatverzeichnisses“ ist rechtsmissbräuchlich, da die beiden Verzeichnisarten (notariell und privatschriftlich) inhaltlich wesensgleich sind. Ein Grund, ein zweites Urteil zur Auskunftserteilung zu schaffen, ist nicht ersichtlich, zumal das private Verzeichnis im Verhältnis zum notariellen keine höhere Gewähr der Richtigkeit hat.

Praxishinweis für Sie

Der Senat schließt sich der ständigen Rechtsprechung an, dass ein „Wechsel“ vom notariellen Nachlassverzeichnisses hin zu einem „Privatverzeichnis“ nicht möglich ist. Der umgekehrte Weg ist hingegen eröffnet: wer eine privatschriftliche Auskunft gegeben hat, muss auf Verlangen zusätzlich ein notarielles Nachlassverzeichnis erstellen!

Fundstelle: Oberlandesgericht Celle, Urteil vom 17.03.2022 – 6 U 67/21 

 

 

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16.04.2022
Betreuer haftet nicht alleine

Keine Alleinhaftung des ehemaligen Betreuers

Das Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg hat einem Betreuer Recht gegeben, der die von ihm betreute Mutter mit seinen Geschwistern beerbte: er muss nicht alleine für die Erstattung von Sozialleistungen seiner Mutter haften, nur weil er vormals die Betreuung innehatte. Diesen neuen Fall erläutert Ihnen Ihr Erbrechtsexperte Wolfgang Roth:

Der Leitgedanke des Sozialgerichts

Bezog der ehemals betreute Erblasser Sozialleistungen, kann nach dessen Tod der Kostenträger einen von mehreren Miterben nicht allein deswegen auf Kostenersatz in Anspruch nehmen, weil dieser Miterbe vormals der Betreuer des Hilfeempfängers war.

Der entschiedene Sachverhalt

Die Verstorbene bezog Sozialleistungen und hinterließ vier Kinder als ihre Erben, von denen ein Sohn ihr ehemaliger Betreuer war. Der Kostenträger fordert allein vom ehemaligen Betreuer vollen Kostenersatz, da die Erben als Gesamtschuldner haften. Nachdem das Sozialgericht der Zahlungsklage stattgibt, gewinnt der Miterbe im Berufungsverfahren, weil der Leistungsträger sein Auswahlermessen nicht ausübte.

Die tragenden Gründe des Urteils

Nach § 102 I 1 SGB XII muss der Erbe des Leistungsbeziehers die aufgewendeten Kosten ersetzen. Die Ersatzpflicht gehört zu den Nachlassverbindlichkeiten, welche die Erben bezahlen müssen. Erben haften als Gesamtschuldner, so dass der Nachlassgläubiger von jedem der Miterben Teile oder die gesamte Forderung verlangen kann; er kann sich also seinen konkreten Schuldner aussuchen.

Das öffentliche Recht schränkt dieses Wahlrecht hingegen ein und setzt bei der Auswahl des Gesamtschuldners ein pflichtgemäßes Ermessen voraus. Die Erbenhaftung dient der Verwirklichung des sozialhilferechtlichen Nachranggrundsatzes durch Zugriff auf den erbrechtlich Begünstigten, wozu die Umstände des Einzelfalles zu beachten sind. Die tatsächliche finanzielle Belastung des jeweiligen Miterben ist in die Auswahlentscheidung des konkreten Zahlungspflichtigen für den Kostenersatz ebenso einzustellen, wie die bereits erfolgte Verteilung des Erbes, dessen bereits erfolgter Verbrauch, die Anzahl der Erben und der Nachlasswert. Diese Gesamtschau der Situation aller Erben hat der Leistungsträger nicht vorgenommen und den jetzigen Kläger nur deshalb als Zahlungspflichtigen ausgewählt, weil dieser vormals als Betreuer tätig war. Seine alleinige Inanspruchnahme in voller Höhe des Kostenersatzes ist somit ermessensfehlerhaft, weshalb seine Berufung erfolgreich ist.

Praxishinweis für Sie

Auch die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts gibt vor, dass die zivilrechtlichen Grundsätze der Gesamtschuldnerschaft im öffentlichen Recht durch ein pflichtgemäßes Auswahlvermessen bzgl. der Person des Schuldners überlagert wird. Fehlen in einem Kostenerstattungsbescheid Ermessenserwägungen bei Vorhandensein mehrerer Miterben, ist die Entscheidung angreifbar: ehemalige Betreuer des/r Verstorbenen sollten sich also wehren, wenn sie vom bisherigen Kostenträger auf vollen Kostenersatz in Anspruch genommen werden und weitere Miterben vorhanden sind. Dies wird auch in der Literatur (s. Erbfall und Betreuungsrecht) umfassend dargestellt.

Fundstelle: Landessozialgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 17.3.2022 – L 7 SO 1187/18 

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09.03.2022
Brief kein Testament

Brief als Dankschreiben kein Testament

Ihr Erbrechtsexperte Wolfgang Roth zeigt an Hand eines neu veröffentlichten Falles, dass eine Erbeinsetzung durch ein weihnachtliches Dankesschreiben nicht möglich ist. Auch ein vorherrschender Irrtum für die formale Wirksamkeit eines Testaments zeigt das nachstehende Urteil auf.

Der Leitgedanke des Oberlandesgerichts

Bedankte sich die Verstorbene in einem Schreiben für die "liebevolle Aufnahme zum 1. Weihnachtstag" und kündigt darin an, eine notarielle Erbeinsetzung deswegen noch vornehmen zu wollen, stellt das Dankesschreiben selbst kein wirksames Testament dar.

Der Sachverhalt in Kürze

Die Erblasserin bedankte sich durch ein im Dezember 2018 verfasstes Schreiben für die „liebevolle Aufnahme am ersten Weihnachtstag“ bei zwei Personen. Die beiden sollten "ihre Erben sein". Sie gab außerdem an, „im neuen Jahr zum Notar zu gehen“, um dort die beiden Personen zu ihren Erben einzusetzen. Zur notariellen Beurkundung kam es krankheitsbedingt nicht; der Notar hatte allerdings noch der Verstorbenen einen entsprechenden Urkundenentwurf zugesandt. Die im Dankschreiben Benannten beantragten einen gemeinschaftlichen Erbschein, dem das Nachlassgericht stattgeben wollte. Der dagegen erhobenen Beschwerde der gesetzlichen Erben gibt das OLG Saarbrücken hingegen Recht.

Die tragenden Gründe des Entscheidung 

Ein privatschriftliches Testament kann auch ein ge- und unterschriebener Brief sein, wie das Gericht zu Recht feststellt. Dies setzt aber voraus, dass der Brief bzw. das Schreiben mit einem ernstlichen Testierwillen verfasst wurde. Dazu muss der Erblasser sein Schriftstück als rechtsverbindlich letztwillige Verfügung angesehen haben oder im Bewusstsein geschrieben haben, es könne als Testament gelten. Der ernstliche Testierwille ist notfalls durch Auslegung des Schreibens zu ermitteln. An ein Brieftestament sind sehr strenge Anforderungen zu stellen.

Der Wortlaut benennt die Antragsteller zwar als „Erben“, jedoch sind auch die äußeren Umstände des Einzelfalles für die Auslegung zu beachten. Der Erklärungskontext deutet nur auf die Dankbarkeit für den verbrachten Weihnachtstag hin und dass die Erbeinsetzung erst beabsichtigt war. Auch der bloße notarielle Entwurf eines Testaments spricht gegen die Annahme, dass die Dankeskarte bereits mit Testierwillen verfasst wurde. Weil die Erblasserin die Notwendigkeit eines Notartermins selbst ins Auge fasste, ging sie davon aus, dass sie mit ihrem Schreiben selbst nicht rechtsgültig testiert hatte. Da ihr also der Testierwille fehlte, stellt die bloße Ankündigung der Erbeinsetzung selbst noch kein rechtgültiges Testament dar.

Praxishinweis für Sie

Sogenannte Brieftestamente beschäftigen oft die Rechtsprechung. In der Regel ist bei dieser Testamentsart der Testierwille streitig und muss im Rahmen der Auslegung ermittelt werden. Dies wird in nur wenigen Fällen bejaht werden.

Der Beschluss zeigt eine Fehlvorstellung der Bevölkerung, die oft davon ausgeht, dass Testamente nur wirksam sind, wenn sie von einem Notar beurkundet oder dort zumindest beglaubigt worden sind. An diesem Irrtum scheitern wie vorliegend viele Erbeinsetzungen, denn Testamente sind auch dann gültig, wenn sie handschriftlich verfasst und unterschrieben werden.

Fundstelle: OLG Saarbrücken, Beschluss vom 23.11.2021 – 5 W 62/21 

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01.03.2022
Nottestament und Kontaktbeschränkung

Nottestament trotz Corona ungültig

Ein neu entschiedener Fall des Oberlandesgerichts (OLG) Düsseldorf zeigt, dass eine Unwirksamkeit eines Nottestaments wegen Kontaktbeschränkung vorliegt, wie Ihr Erbrechtsexperte Wolfgang Roth erläutert:

Der Leitgedanke des Urteils

Eine pandemiebedingte Kontaktbeschränkung ändert nichts daran, dass ein Nottestament gleichzeitig vor drei Zeugen errichtet werden muss. Sind die Zeugen nicht gleichzeitig, sondern nacheinander anwesend, ist das Nottestament unwirksam.

Der Sachverhalt

Der Verstorbene errichtete ein handschriftliches Testament. Darin setzte er drei Personen zu seinen Erben ein. Später verfügte er im Krankenhaus seinen mit „Nottestament“ überschriebenen letzten Willen dergestalt neu, dass eine von den drei zuvor genannten Erbinnen den Testamentstext schrieb. Er unterschrieb den Text, setzte die das Testament Schreibende zur Alleinerbin ein und drei Zeugen unterschrieben. Wegen der pandemiebedingten Kontaktbeschränkung waren während des Errichtung-/Schreibakts nicht immer alle drei Zeugen gleichzeitig anwesend. Kurz nach Einstellung der lebenserhaltenden Maßnahmen aufgrund seiner Patientenverfügung verstarb der Erblasser.

Ein zunächst berufener Miterbe beantragte einen Erbschein zu je 1/3 auf Grundlage des ersten Testaments. Das Nachlassgericht wollte dem Antrag stattgeben. Die von der zuletzt berufenen Alleinerbin dagegen erhobene Beschwerde bleibt erfolglos.

Die tragenden Gründe des Urteils 

Der Senat verweist auf die Formvorschrift des § 2250 Absatz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB), der zwingend ist. Eine Ausnahme hiervon lässt der Gesetzgeber nicht zu. Die pandemiebedingten Kontaktbeschränkungen stellen keine neue, vom Gesetzgeber vermeintlich übersehene Lage dar, sondern sind unter dem Begriff der „Absperrung“ des Erblasse4rs nach § 2250 Absatz 1 BGB einzuordnen. Eine solche "Absperrung" kann viele Ursachen haben, zum Beispiel Naturereignisse oder eine Quarantäne infolge von Seuchen. Die wegen Corona eingeführten Kontaktbeschränkungen sind einer Quarantäne vergleichbar, da in beiden Situationen der Testierende isoliert ist. Demnach ist und bleibt ein Drei-Zeugen-Testament nur dann wirksam, wenn immer gleichzeitig 3 Zeugen bei der Erstellung anwesend sind. Da dies nicht gegeben war, ist das Testament nichtig.

Kritik des Erbrechtsexperten

Die Entscheidung hinterlässt „Bauchschmerzen“. Im Rahmen der Begriffsauslegung ist zunächst richtig, dass die pandemiebedingten Kontaktbeschränkungen einer Quarantäne ähnlich sind. Bei einer Quarantäne ist jedoch dem in Quarantäne Befindlichen untersagt, sich Dritten zu nähern. Bei den aktuellen Kontaktbeschränkungen werden die für das Testament notwendigen 3 Zeugen ihrerseits am Zugang zum Testator gehindert, was nicht in dessen Verantwortungsbereich liegen kann. Eine genauere Differenzierung dieses Aspekts wäre in der Entscheidung wünschenswert gewesen, denn das bloße Abstellen auf die Isolation arbeitet diesen wichtigen Unterschied nicht heraus.

Fundstelle: OLG Düsseldorf, Beschluss vom 06.01.2022 – 3 Wx 216/21 

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03.02.2022
Erbe durch Anlage nicht bestimmbar

Bezugnahme des Testaments auf Anlage ist unwirksam

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat nun entscheiden, dass die Benennung der Erben in einem Testament nicht dadurch erfolgen kann, dass die Erben auf einer durch den PC ausgedruckten Liste stehen. Diese Erbeinsetzung durch Bezugnahme auf eine formunwirksame Anlage ist unzulässig, wie Ihr Erbrechtsexperte Wolfgang Roth an Hand des BGH-Falles erläutert:

Der Leitgedanke des BGH

Wird eine Erbeinsetzung in einem handschriftlichen Testament dadurch „konkretisiert“, dass sich die Erben aus einer formunwirksam errichteten Anlage zum Testament ergeben, verstößt die Erbeinsetzung gegen das erbrechtliche Bestimmtheitsgebot und ist unwirksam.

Der entschiedene Sachverhalt (Kurzfassung)

Der Erblasser hatte mit seiner Ehefrau ein gemeinschaftliches eigenhändiges Testament errichtet, worin sie sich zu Alleinerben einsetzten. Weiter führten sie aus, dass sie zwei Häuser mit Grundstück in Deutschland und Italien besaßen, die nach dem Tod beider Partner „…. wie vorgesehen weitergegeben werden an: Erbteil Deutschland an Beteiligte zu 3., Erbteil Italien fällt an eine Erbengemeinschaft aus fünf befreundeten Familien ….. Namen und Adressen für das Erbteil in Italien sind im PC-Ausdruck angehängt und persönlich unterschrieben“.

In der maschinengeschriebenen Anlage sind fünf Paare mit Namen und Adressen aufgeführt. Nach dem Tod der Ehefrau erstellte der Witwer ein notarielles Testament und setzte darin seine Tochter aus erster Ehe zur Alleinerbin ein. Zwei in der genannten Anlage bezeichnete Personen beantragten einen Erbschein, der sie zu je 1/20 ausweisen sollte. Das Nachlassgericht beabsichtigte, dem Antrag stattzugeben. Auf die Beschwerde der Tochter hob das OLG den Beschluss auf und wies den Erbscheinsantrag zurück. Die Rechtsbeschwerde gegen den OLG-Beschluss durch die beiden Antragsteller ist vor dem BGH erfolglos.

Die wichtigsten Gründe der Entscheidung

Die Bezugnahme auf die formunwirksame Anlage führt nicht zu einer wirksamen Erbeinsetzung. Die konkret zu bezeichnenden Erben müssen bereits formwirksam im Testament so bezeichnet werden, dass sie allein daraus individualisierbar sind. § 2247 Absatz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches sieht vor, dass ein Testament eigenhändig ge- und unterschrieben werden muss. Für Ehegatten genügt, dass nur ein Ehegatte das Testament handschriftlich verfasst und der andere mitunterschreibt.

Jedoch müssen alle getroffenen Regelungen formwirksam sein. Die Bezugnahme auf eine andere, jedoch wirksam errichtete letztwillige Verfügung, ist zum Beispiel zulässig. Unzulässig ist hingegen, den Inhalt der letztwilligen Verfügung durch Schriftstücke, die nicht der Testamentsform genügen, durch Bezugnahme zu konkretisieren.

Wird lediglich eine – allerdings formwirksam errichtete – Verfügung durch ein anderes Schriftstück erläutert, ist dies zulässig, wenn dies den erkennbaren Willen des Erblassers darstellt. Die (zulässige) Bezugnahme zur näheren Erläuterung einerseits und (unzulässigen) ergänzenden oder den Inhalt bestimmenden Bezugnahme andererseits wird von der Rechtsprechung akzeptiert. 

Die im handschriftlichen Testament bezüglich des Erbteils „Italien“ getroffene letztwillige Verfügung der Erbenbestimmung ist nicht hinreichend bestimmt und daher unvollständig; aus ihr allein lassen sich die Erben – ohne Rückgriff auf die formunwirksame Anlage – nicht entnehmen. Fehlt eine solche zweifelsfreie Bestimmung des Bedachten, ist die letztwillige Verfügung unvollständig. Nach dem Bestimmtheitsgebot sind die Verfügungen so zu formulieren, dass

  • deren Geltung,
  • der Zuwendungsempfänger und
  • Zuwendungsgegenstand

mit hinreichender Sicherheit schon aus dem Testament entnommen werden können. Die Erbeinsetzung für den „Erbteil Italien“ kann nicht dadurch vervollständig werden, dass im Testament auf Namen und Adressen in der (formunwirksamen) Anlage verwiesen wird. Andernfalls würde die formunwirksame Anlage gleichsam zum Bestandteil des formgültigen Testaments werden. Das ist unzulässig.

Praxishinweis für Sie

Die Entscheidung zeigt, dass die Formstrenge des Erbrechts nicht durch formunwirksame Anlagen umgangen werden kann, wenn sich nach dem Bestimmtheitsgebot nicht die „Kernthemen“ der letztwilligen Verfügung bereits entnehmen lassen. Nicht verwechselt werden darf eine Anlage, die nur zur Auslegung des – allerdings zuvor formgerecht formulierten – Letzten Willens herangezogen werden soll, was immer zulässig ist.

Fundstelle: BGH, Beschluss vom 10.11.2021 – IV ZB 30/20 

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11.01.2022
Keine Geldentschädigung für Kohls Witwe

Erbin von Helmut Kohl geht leer aus

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat ein jahrelanges Verfahren um die Vererblichkeit eines Entschädigungsanspruchs nach dem Tod des Altkanzlers Helmut Kohl beendet. Ihr Erbrechtsexperte Wolfgang Roth fasst dem Fall für Sie zusammen:

Der Leitgedanke des BGH

Die Vererblichkeit einer Geldentschädigung ist erst mit der Rechtskraft eines Urteils möglich

Der entschiedene Sachverhalt

Der ehemalige Bundeskanzler Helmut Kohl führte mit einem Journalisten vertrauliche Gespräche. Diese sollten später in den Memoiren des Altkanzlers unter dem Titel „Vermächtnis – die Kohl-Protokolle“ publiziert werden. Die Gespräche fanden noch vor der Unterzeichnung entsprechender Verträge mit dem Journalisten und dem Verlag statt. Später kam es zur Kündigung der inzwischen aufgesetzten Verträge. Trotzdem wurden in einem Band der Memoiren Gesprächsteile publiziert, die noch aus dem vorvertraglichen Zeitraum stammten. Helmut Kohl klagte selbst noch auf eine Geldentschädigung wegen Verletzung seiner Persönlichkeitsrechte. Dem gab das Landgericht zunächst teilweise statt. In der Berufungsinstanz wurde der Anspruch allerdings zurückgewiesen. Während des Gerichtsverfahrens verstarb Helmut Kohl. Er wurde von seiner Witwe beerbt. Sie wehrte sich gegen das Berufungsurteil und legte Revision zum BGH ein. Der BGH stellt nun fest, dass der zunächst mögliche Geldentschädigungsanspruch wegen eines fehlenden rechtskräftigen Urteils unvererblich ist und weist die Revision zurück.

Die Gründe des Bundesgerichtshofs

Der BGH hält an seiner strikten Rechtsprechung zur Vererblichkeit eines Geldentschädigungsanspruchs wegen Persönlichkeitsverletzung fest.

Ein Geldentschädigungsanspruch hat die Funktion, dem Verletzten Genugtuung zu verschaffen. Ist jener verstorben, kann die Genugtuungsfunktion nicht mehr eingreifen. Demnach ist der Anspruch bereits dem Grunde nach unvererblich. Das gilt selbst dann, wenn ein solcher Anspruch eingeklagt, aber noch nicht rechtskräftig darüber entschieden wurde. Der Hauptzweck der Geldentschädigung, der durch den Tod des Verletzten nicht mehr erreicht werden kann, führt dazu, dass der Anspruch selbst bereits seine "innere Berechtigung" verliert, wodurch seine Vererblichkeit entfällt.

Erhielt der Verletzte jedoch noch zu seinen Lebzeiten die Geldentschädigung, ist die Genugtuungsfunktion erfüllt und der Grund des Zahlungsanspruchs bleibt trotz des Todes des Verletzten bestehen; sofern ein Teil der Gesamtentschädigung noch nicht bezahlt wäre, können die Erben diesen Rest verlangen. Namentlich ist das auch dann der Fall, wenn der Geldentschädigungsanspruch noch zu Lebzeiten dem Verletzten rechtskräftig zugesprochen wurde.

Mangels Rechtskraft trotz jahrelanger Verfahrensdauer hat die Witwe von Helmut Kohl keinen entsprechenden Geldentschädigungsanspruch geerbt, weshalb ihre Revision erfolglos bleibt.

Praxishinweis für Sie

Trotz jahrelanger, vor den Instanzen geführten Prozessen hält der BGH an seiner strikten Rechtsprechung fest. Die Entscheidung zeigt, dass durch eine lange Verfahrensdauer die Rechtskraft einer Entscheidung blockiert werden kann, was beim Tod des Verletzten während des Gerichtsverfahrens zum Anspruchsverlust für dessen Erben führt.

Fundstelle: BGH, Teilurteil vom 29.11.2021 – VI ZR 258/18 

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30.12.2021
Wertermittlung bei Pflichtteil

Welcher Gutachter für Schätzung der Immobilie?

Ihr Erbrechtsexperte Wolfgang Roth erläutert an Hand eines aktuellen Urteils, welchen Gutachter der Erbe aussuchen darf, damit er demjenigen, der den Pflichtteil geltend macht, eine korrekte Wertermittlung einer Immobilie ermöglicht. Der Fall spielt in Hessen, enthält aber allgemeingültige Aussagen zu diesem Thema.

Der Leitgedanke des Gerichts

Erfolgt im Rahmen der Geltendmachung des Pflichtteils die Schätzung einer Immobilie des Nachlasses durch ein hessisches Ortsgericht, erfüllt das Gutachten den Wertermittlungsanspruch des Pflichtteilsberechtigten.

Der entschiedene Sachverhalt

Die verstorbene Mutter setzte durch notarielles Testament einen ihrer Söhne zum Alleinerben ein. Sein Bruder forderte ein notarielles Nachlassverzeichnis zur Berechnung seiner pflichtteilsrechtlichen Ansprüche. Mit dem Verzeichnis wurde ein von einem hessischen Ortsgericht erstelltes Gutachten über eine Nachlassimmobilie übersandt, worin die Sachverständigen die Bodenrichtwerte auf den Sterbetag bewerteten. Der Bruder forderte dennoch im Wege einer Klage die Vorlage eines Gutachtens, das ein unparteiischer und unabhängiger Sachverständige erstellen sollte. Nach seinem Tod im laufenden Gerichtsverfahren übernahm seine ihn allein beerbende Ehefrau das Verfahren und verfolgte den Anspruch weiter. Sie scheitert damit sowohl in erster Instanz als auch mit ihrer Berufung vor dem Oberlandesgericht Frankfurt a.M.

Die tragenden Gründe des Urteils

Der Wertermittlungsanspruch wurde durch Einholung der Schätzung des Ortsgerichts erfüllt. Sinn und Zweck des Wertermittlungsanspruchs ist, dem Pflichtteilsberechtigten Informationen zu liefern, die ihn in die Lage versetzen, gegebenenfalls unter Einschaltung eines eigenen Sachverständigen seinen Pflichtteilsanspruch berechnen zu können. Gerade die in Hessen ansässigen Ortsgerichte, die auch als Hilfsbehörde der Justiz handeln, sind in besonderem Maße berufen, Wertermittlungen vorzunehmen. Indizien dafür, dass ein Mitglied des Ortsgerichts befangen gewesen wäre, werden nicht vorgetragen. Deshalb gibt es keinen Anlass dafür, ein neues Gutachten, das eine öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger errichten soll, zu verlangen.

Praxishinweis für Sie

Dem Erben vorschreiben, welchen Sachverständigen der Erbe beauftragen soll, darf der Pflichtteilsberechtigte nicht. Das Urteil stärkt die Rechte von Erben, die sich statt der Einschaltung von teuren Privatgutachtern öffentlicher „Institutionen“ bedienen, um die Bewertung von Nachlassimmobilien vorzunehmen. Die Entscheidung kann in der Praxis auf die Gutachterausschüsse anderer Bundesländer und der Wertigkeit der von ihnen erstellten Gutachten übertragen werden.

Es empfiehlt sich in der Regel, die Gutachterausschüsse der Kommunen, die zudem regelmäßig günstiger als Privatgutachter sind, zu beauftragen.   

Fundstelle: OLG Frankfurt a.M., Urteil vom 8.12.2021 – 12 U 110/21 

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