An Hand eines neuen, in der Praxis nicht selten vorkommenden Falles, zeigt Ihr Erbrechtsexperte Wolfgang Roth auf, wie ein zu Lebzeiten mit einer Gärtnerei abgeschlossener Vertrag über die Grabpflege die Nachkommen bindet und sie von diesem Bereich ausgeschlossen werden können. Im Ergebnis geht es um das Selbstbestimmungsrecht, das auch die Auswahl des Totenfürsorgeberechtigten beinhaltet:
Jeder hat das Recht, seinen Totenfürsorgeberechtigten selbst auswählen. Dessen Entscheidung geht den „regulären“ Inhabern des Totenfürsorgerechts vor, was insbesondere für den Teilbereich der Grabpflege gilt.
Vier Geschwister sind in einem gemeinsamen Grab bestattet. Eine von ihnen hatte früher in Vertretung für alle mit einer Friedhofsgärtnerei einen Bestattungsvorsorgevertrag und einen Grabpflegevertrag abgeschlossen. Der überlebende Bruder klagte auf Feststellung, dass er allein Inhaber des Totenfürsorgerechts sei, sowie auf Feststellung, die Friedhofsgärtnerei zu entbinden und einen anderen Gärtner mit der Grabpflege zu beauftragen. Der Bruder verliert in allen Instanzen.
Der Senat bejaht zunächst, dass die Schwester als Vertreterin der anderen den Vertrag abschließen durfte und konnte.
Das allgemeine Totenfürsorgerecht gibt dem Berechtigten/Verpflichteten das Recht, die äußere Gestaltung und das Erscheinungsbild des Grabes zu bestimmen und sich um dessen Pflege zu kümmern. Der darin enthaltene Teilbereich der Grabpflege kann bereits zu Lebzeiten des späteren Erblassers durch wirksamen Vertrag auf Dritte übertragen werden, insbesondere auf eine Gärtnerei.
Für den insoweit übertragenen Teilbereich des Totenfürsorgerechts, der Pflege der Grabstätte, ist dem nächsten Verwandten dieser Fürsorgeteil wirksam entzogen worden. Einer besonderen Form bedarf die Übertragung dieser Anordnung nicht, vor allem gelten hierfür nicht die Formvorschriften für Testamente.
Ein Wechsel des Inhabers der Gärtnerei ist unschädlich, da der subjektive Erblasserwille zukunftsgerichtet so auszulegen ist, dass die Grabstätte künftig gepflegt werde. Auch wenn der klagende Bruder Inhaber des Nutzungsrechts der Grabstätte ist, ist daraus das Recht zur umfassenden Totenfürsorge – also auch der Grabpflege – nicht abzuleiten, da das Grabnutzungsrecht nur eine Rechtsposition gegenüber örtlichen Behörden beinhaltet.
Praxishinweis für Sie
Das Oberlandesgericht bestätigt klar und deutlich, dass die Regelung der Grabpflege zu Lebzeiten von jedermann selbst getroffen werden kann und später Dritte daran gebunden sind. Dies kann auch im Testament selbst durch eine Grabpflegeanordnung geschehen. Ihr Erbrechtsexperte erklärt Ihnen auf Wunsch, wie das formuliert werden muss.
Fundstelle: OLG Koblenz, Beschluss vom 25.03.2021 – 12 U 1546/20
... → mehrIhr Erbrechtsexperte Wolfgang Roth bespricht die zum deutschen Erbrecht seltene Schnittstelle des jüdisch-religiösen Schulchan Aruch. Diese Rechtsnormen des jüdischen Rechts verstoßen teilweise nach einer neuen Entscheidung des Oberlandesgerichts Hamburg gegen den ordre public und sind daher bei der Errichtung eines Testaments ungültig.
Die jüdisch-religiösen Rechtsregeln des Schulchan Aruch sind nicht mit den deutschen ordre public (Art. 6 EGBGB) vereinbar, soweit sie die Testierfähigkeit ausschließen und dort, wo sie sie zulassen, die testamentarische Einsetzung der Ehefrau des Testierenden zur Erbin ausschließen.
Ein iranischer Staatsangehöriger war jüdischen Glaubens und hinterließ seine Ehefrau und vier Kinder. Drei davon waren Söhne. Seit 1980 lebte er in Deutschland. Er erstellte handschriftlich ein Testament, worin er seine Ehefrau zur Alleinerbin bestimmte und seinem erstgeborenen Sohn wegen Verfehlungen den Pflichtteil entzog. Seine Witwe erhielt einen Alleinerbschein unter Anwendung des deutschen Rechts, weil das Heimatrecht des Erblassers trotz vorgelegter Rechtsgutachten nicht eindeutig ermittelt werden konnte. Der erstgeborene Sohn beantragte, den Erbschein einzuziehen, weil das Testament nach jüdischem Recht unwirksam sei. Laut anzuwendenden Schulchan Aruch durfte die Ehefrau nicht als Alleinerbin eingesetzt werden, vielmehr sei er, der Erstgeborene nach diesen Regeln ½, seine beiden Brüder zu jeweils ¼ gesetzliche Erben. Auch sei das Testament deswegen formungültig, weil nach jüdischem Recht zwei koschere Zeugen hätten anwesend sein müssen. Der Einziehungsantrag wird vom Nachlassgericht zurückgewiesen, die dagegen erhobene Beschwerde bleibt erfolglos.
Auf den Erbfall ist zunächst das jüdisch-religiöse Recht (Schulchan Aruch) anwendbar, wonach ein Erblasser von den dortigen erbrechtlichen Regeln nicht abweichen darf. Gesetzliche Erben können demnach nur die männlichen Nachkommen des Erblassers sein. Ein gesetzliches Erbrecht der Ehefrau sieht das Schulchan Aruch nicht vor, statt dessen können nur Schenkungen zu Lebzeiten an die Ehefrau erfolgen. Aus dem Wortlaut des Schulchan Aruch ist also abzuleiten, dass das jüdisch-religiöse Erbrecht keine Testierfreiheit zu Gunsten der Ehefrau im Grundsatz vorsieht. Diese Rechtslage verstößt gegen den Grundsatz des ordre public nach Art. 6 EGBGB, da die Anwendung dieses ausländischen Rechts zu einem Ergebnis führt, das mit einem wesentlichen Rechtsgrundsatz des deutschen Recht nicht zu vereinbaren ist. Es liegt also eine offensichtliche Verletzung einer in der deutschen Rechtsordnung als wesentlich geltenden Rechtsnorm vor.
Weil der Schulchan Aruch die in Deutschland vorhandene Testierfreiheit praktisch ausschließt, ist ein Verstoß gegen Art. 6 EGBGB gegeben. Demnach ist die ausländische Regelung nicht anzuwenden, so dass eine ergänzende Auslegung des ausländischen Rechts im Rahmen der testamentarischen Einsetzung der überlebenden Ehefrau als Erbin vorzunehmen ist. Eine solche ist, da im Schulchan Aruch keine Ansatzpunkte für diese Auslegung gegeben sind, nicht gegeben. Somit ist das deutsche Erbrecht auf den Inhalt der letztwilligen Verfügung anzuwenden, wonach der Verstorbene seine Frau zur Alleinerbin einsetzen durfte.
Das Testament ist nicht formunwirksam, da sich aus dem Schulchan Aruch nicht ergibt, dass ein Testament für seine Formgültigkeit vor zwei koscheren Zeugen errichtet werden muss (Art. 281 Schulchan Aruch). Soweit hier die Anwesenheit zweier solcher Zeugen vorsieht, handelt es sich um eine verfahrensrechtliche Regel des Beweisrechts. Das Verfahrensrecht folgt nach der Anwendung des deutsch-iranischen Niederlassungsabkommens der sogenannten lex fori (Recht des Lageortes), also dem deutschen FamFG. Auf Grund der vorhandenen Handschriftlichkeit ist daher das Testament wirksam.
Das Gericht prüft umfassend die Anwendung des nach jüdisch-religiösem Recht anzuwendenden Schulchan Aruch und kommt zu Recht zu dem Ergebnis, dass die dort genannten Aspekte in Bezug auf die Nicht-Einsetzungsmöglichkeit der Ehefrau durch Testament gegen die Grundsätze des ordre public verstößt. Der lesenswerte Beschluss zu dieser Schnittstelle der beiden Rechtsordnungen stärkt die Grundstrukturen des deutschen Erbrechts und die Rechte von Frauen.
Fundstelle: OLG Hamburg, Beschluss vom 16.3.2021 – 2 W 17/20
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Ihr Erbrechtsexperte Wolfgang Roth erläutert einen neu entschiedenen Fall, diesmal zum Kostenrecht: Die Schätzung des Geschäftswertes, auf dessen Basis in einem Erbscheinsverfahren Kosten des Nachlassgerichts berechnet werden, kann durch die Nutzung von Google-maps erfolgen.
Der Geschäftswert in einem Erbscheinverfahren ist durch Ermittlungen des Nachlassgerichts – notfalls durch Recherche via Google-maps – zu schätzen.
Der Erbe erhielt den von ihm beantragten Erbschein als Alleinerbe. Er teilte dem Nachlassgericht mit, dass ein Miteigentumsanteil von ¼ der Immobilie des Verstorbenen zum Nachlass gehöre. Wie üblich, sandte das ihm das Gericht einen Fragebogen, in welchem er den ungefähren Wert der Erbschaft angeben sollte. Diesen Fragebogen legte er trotz mehrfacher Aufforderung des Gerichts nicht vor. Daraufhin setzte das Nachlassgericht den Geschäftswert auf € 2 Millionen fest. Dagegen erhob er Beschwerde. Die Beschwerde verliert er, jedoch nur deshalb, weil er die Beschwerdefrist von 6 Monaten versäumte. Inhaltlich weist der Senat darauf hin, dass die Schätzung falsch war.
Laut § 21 Abs. 1 des Gesetzes über Kosten der freiwilligen Gerichtsbarkeit für Gerichte und Notare sind Kosten, die bei einer richtigen Sachbehandlung nicht entstanden wären, nicht zu erheben. Eine solch unrichtige Sachbehandlung liegt vor, wenn dem Gericht ein offen zu Tage tretender Verstoß gegen eindeutige gesetzliche Normen oder ein offensichtliches Versehen unterlaufen ist. Das ist anzunehmen, wenn das Nachlassgericht bei der Festsetzung des Geschäftswerts bei fehlender Mitwirkung des Erben statt eigene Ermittlungen anzustellen, eine erkennbar unrealistische und überhöhte Schätzung des Nachlasswertes vornimmt.
Das Nachlassgericht hätte sich durch eine einfache Recherche bei Google-maps die Nachlassimmobilie ansehen und erkennen können, dass vor Ort teilweise Doppelhäuser stehen. Da auch nur ¼-Immobilienanteil zur Erbschaft gehörten, hätte auf dieser Grundlage die Schätzung erfolgen müssen, so dass ein Verstoß gegen den Amtsermittlungsgrundsatz vorliegt, der zur unrichtigen Sachbehandlung führte.
Manchmal können oder wollen antragstellende Erben im Erbscheinverfahren schriftlich die Angaben zum ungefähren Nachlasswert nicht vorlegen. Der „Denkzettel“ des Nachlassgerichts, einen (überhöhten) Wert von € 2 Mio. – ohne eigene Recherchen und ohne sonstige Anhaltspunkte – anzunehmen, wird vom Oberlandesgericht Hamm zu Recht moniert. Ausdrücklich spricht der Senat davon, dass zumindest ein Blick in Google-maps hätte vom Nachlassgericht vorgenommen werden können, um sich zumindest ein (wenn auch nur ganz grobes) Bild von der Nachlassimmobilie machen zu können.
Fundstelle: OLG Hamm, Beschluss vom 18.8.2021 – 10 W 69/21
... → mehrDie Schnittstelle zwischen Erbrecht und Betreuungsrecht ist eine der Schwierigsten im Recht der Nachlassregelungen. Nicht selten steht ein Miterbe unter Betreuung, sei es bei Familienangehörigen oder familienfremden Betreuern. Tritt der Erbfall ein, muss der Betreuer wissen, welche Handlungspflichten ihm obliegen und was er im erbrechtlichen Bereich zu regulieren hat. Der Beitrag Ihres Erbrechtsexperten Wolfgang Roth gibt eine Übersicht.
Liegt keine notarielle letztwillige Verfügung vor, kann jeder Miterbe, also auch der Betreuer eines Miterben für diesen einen Erbscheinsantrag stellen. Sofern kein Einwilligungsvorbehalt angeordnet wurde, kann der Betreute selbst einen Erbschein beantragen, andernfalls er die Zustimmung des Betreuers benötigt, sofern sich dessen Aufgabenkreis hierauf bezieht. Das Betreuungsgericht muss den Erbscheinsantrag nicht genehmigen.
Sofern Entscheidungen über die Verwaltung der Erbschaft bis zu deren Auseinandersetzung zu treffen sind, ist regelmäßig die Stimmenmehrheit der Erben – gerechnet nach den Erbanteilen – notwendig, §§ 2038 II, 745 I BGB. Wenn der Betreute nicht geschäftsunfähig ist, kann er selbst im Rahmen der ordnungsgemäßen Verwaltung des Nachlasses innerhalb der Erbengemeinschaft seine Stimme abgeben, andernfalls tut dies sein Betreuer. Grundsätzlich ist auch hierfür die Genehmigung des Betreuungsgerichts nicht notwendig, wie der Bundesgerichtshof entschieden hat.
Sofern die Erbengemeinschaft ein Rechtsgeschäft (zum Beispiel einen Verkauf eines Nachlassgegenstandes) vornehmen möchte, das nach §§ 1821, 1822, 1908 i I BGB der betreuungsgerichtlichen Genehmigung bedarf, ist die gerichtliche Genehmigung entbehrlich, wenn das Rechtsgeschäft mit der Mehrheit der anderen Miterben zustande kommt. Andernfalls bedarf es der gerichtlichen Genehmigung, wobei nur das Wohl des Betreuten im Vordergrund steht.
Manchmal weigern sich Miterben, überhaupt zur Verwaltung beizutragen oder stellen sich "tot". Der Betreuer ist dann auf Grund seiner vermögensrechtlichen Aufgabenübertragung verpflichtet, diese Tätigkeit für den Betreuten zu übernehmen. Da er nach dem VBVG eine Pauschalbezahlung erhält, bekommt er diesen Mehraufwand nicht bezahlt.
Der Betreuer muss für den angefallenen Miterbanteil beim Betreuungsgericht ein Verzeichnis nach §§ 1802, 1908 i I BGB einreichen und dessen Vollständigkeit und Richtigkeit versichern. Seiner Verzeichnispflicht muss der Betreuer ohne Aufforderung durch das Gericht in angemessener Zeit nachkommen, das Gericht kann die Einreichung des Verzeichnisses sogar erzwingen, §§ 1837 III S. 1, 1908 i I S.1 BGB.
Solange die Nachlassteilung nicht erfolgt ist, muss der Betreuer auch Einnahmen und Ausgaben (zum Beispiel Mieteinnahmen, Zinsen usw.), die dem Betreuten zufallen, auflisten, wobei eine Teilerbauseinandersetzung zum Beispiel auf Auskehrung der Nachlassfrüchte für den Miterben ohne Zustimmung aller anderen Miterben nicht zulässig ist.
Ist der Nachlass teilungsreif oder sind sich alle Miterben über die Teilung einig, ist ein Teilungsplan aufzustellen. Der Erbteilungsvertrag bedarf dann der gerichtlichen Genehmigung nach §§ 1822 Nr. 2, 1908 i I BGB. Das Betreuungsgericht klärt, ob der durch den Teilungsvertrag dem Betreuten zufallende Erbteil dessen Erbquote entspricht. Dasselbe gilt für die Genehmigung nur einer Teilauseinandersetzung (Roth, Erbfall und Betreuungsrecht, Kap. G VII. 2.). Sofern das Betreuungsgericht Zweifel an der korrekten wertmäßigen Zuordnung im Rahmen der Erbauseinandersetzung hat, was vor allem dann der Fall sein kann, sofern Immobilien verteilt werden sollen, kann es selbst und von Amts wegen Gutachten einholen.
Wenn Fragen vor der Schlusserbauseinandersetzung klärungsbedürftig bzw. streitig sind, kann hierfür jeweils eine Feststellungsklage beim Landgericht erhoben werden. Das Zusammenfassen mehrerer Streitpunkte in einer einzigen Feststellungsklage ist zulässig.
Wird ein Betreuter Miterbe, ergeben sich für den Betreuer erhebliche verfahrens- und materiellrechtliche Fragen in der Schnittstelle zum Erbrecht. Darauf muss der Betreuer mit dem Aufgabenkreis der vermögensrechtlichen Angelegenheiten vorbereitet sein, notfalls er hierzu anwaltliche Hilfe in Anspruch nehmen sollte; andernfalls macht er sich bei einer fehlerhaften Tätigkeit schadenersatzpflichtig gegenüber dem Betreuten. Eine schadenersatzbegründete Haftung gegenüber Miterben kann sich ebenfalls ergeben. Ein Verschulden zur Schadenersatzpflicht kann dem Betreuer dann vorgeworfen werden, wenn er Rechtskenntnisse, die er selbst nicht besitzt, nicht einholt, da er dann seinen Pflichten nicht ordnungsgemäß nachkommt; das heisst, dass der rechtsunkundige Betreuer fachanwaltlichen Rat "einkaufen" muss, um die Gefahr des Schadenersatzes auszuschließen.
Die gesamte Schnittstelle der beiden Rechtsgebiete finden Sie leicht verständlich dargestellt im Fachbuch von RA Wolfgang Roth: "Erbfall und Betreuungsrecht".
... → mehrDer Bundesgerichtshof (BGH) hat eine in der Praxis immer wieder streitige Frage zur Bedeutung von Grabpflegekosten im Pflichtteilsrecht entschieden, die Ihr Erbrechtsexperte für Sie wie folgt erläutert:
Die Kosten für die Grabpflege sind, auch wenn die Grabpflege in einem Testament angeordnet wird, im Pflichtteilsrecht nicht als Nachlassverbindlichkeiten anzusetzen.
Die Verstorbene hinterließ ein Kind und setzte familienfremde Dritte zu ihren Erben in ihrem Testament ein. Sie gab unter anderem vor, dass ihr Nachlass prozentual unter den Erben verteilt werden sollte, jedoch ein Teil für ihre Beerdigung und 20 Jahre Pflege des Grabes einzubehalten sei. Das enterbte Kind forderte seinen Pflichtteil. Dieser wurde so berechnet, dass auch die mittels eines Kostenvoranschlags bezifferten Grabpflegekosten abgezogen wurden. Das wollte sich das enterbte Kind nicht gefallen lassen und stritt durch alle Instanzen. Der BGH gelangt abschließend zu dem Ergebnis, dass im Rahmen des eingeklagten Pflichtteils der Abzug der Grabpflegekosten bei der Pflichtteilsberechnung nicht möglich ist und gibt dem Kind Recht.
Grabpflegekosten dürfen bei der Pflichtteilsberechnung nicht als Nachlassverbindlichkeiten abgezogen werden. Nur die Kosten der Bestattung selbst stellen abzugsfähige Kosten dar. Die Bestattung ist mit Abschluss der Errichtung der Grabstelle allerdings beendet. Instandhaltungs- und Pflegekosten der Grabstätte zählen hierzu nicht, da die Grabpflege nur eine sittliche Pflicht des Erben ist. Dass man Grabpflegekosten bei der Erbschaftsteuer absetzen darf, ändert nichts an der fehlenden zivilrechtlichen Rechtspflicht eines Erben zur Grabpflege, denn die steuerliche Berücksichtigungsfähigkeit der Aufwendungen sagt nichts über die zivilrechtliche Pflicht des Erben zur Kostentragung aus.
Selbst wenn der Erbe aufgrund der Friedhofssatzung öffentlich-rechtlich zur Grabpflege verpflichtet ist, bleibt das unbeachtlich. Diese Instandhaltungspflicht trifft auch Grabnutzungsberechtigte oder Totenfürsorgeberechtigte, die gar nicht mit dem Erben personenidentisch sein müssen.
Dass die Grabpflege im Testament vorgegeben wurde, ist rechtlich betrachtet eine sogenannte "Auflage". Dennoch begründet diese Auflage im Verhältnis zum Pflichtteilsberechtigten keine Abzugsposition, auch wenn im Innenverhältnis mehrerer Erben untereinander die Auflage eine Nachlassverbindlichkeit in Form einer Erbfallschuld ist. Einem Pflichtteilsanspruch gegenüber sind Auflagen und Vermächtnisse nachrangig, unabhängig davon, dass die Grabpflege im Testament vorgegeben ist.
Aus fachlich-erbrechtlicher Sicht ist erfreulich, dass endlich eine abschließende Entscheidung des BGH zu dieser immer wieder auftauchenden Thematik gefällt ist: Auch wenn bei der Gestaltung von Testamenten die Grabpflege als Auflage eingearbeitet wird, ist dies pflichtteilsrechtlich nun irrelevant, wie der BGH feststellt. Ob die Entscheidung dem Rechtsempfinden des betroffenen Erben entspricht, darf bezweifelt werden: Übernimmt der zur Grabpflege Verpflichtete diese Arbeit, kann er die daraus entstehenden Kosten dem "untätigen" Pflichtteilsberechtigten nicht entgegenhalten. Das ist unbefriedigend, aber letztinstanzlich nun entschieden. Aus erbschaftsteuerlicher Sicht sollte dennoch die Grabpflege im Testament stehen, um die Kosten zumindest steuerlich geltend machen zu können.
Fundstelle: BGH, Urteil vom 26. Mai 2021 – IV ZR 174/20
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Ihr Erbrechtsexperte zeigt an Hand eines aktuellen Falls des Oberlandesgerichts Braunschweig, in welche Haftungsfalle ein vorsorgebevollmächtigtes Kind fallen kann, wenn für einen Elternteil die Vollmacht übernimmt.
Einem vorsorgebevollmächtigten Kind obliegt die Rechnungslegungspflicht gegenüber dem Vollmachtgeber, sobald es die Vollmacht einsetzt
Der Sohn hatte für seine später verstorbene Mutter eine Vorsorgevollmacht. Sie sollte gelten, wenn die Mutter „entscheidungsunfähig“ wurde. Die spätere Erblasserin musste stationär in ein Krankenhaus, danach dauerhaft in ein Pflegeheim. Später wurde eine Betreuung eingerichtet. Sie wurde von drei Personen beerbt, unter anderem ihre Tochter und dem Sohn. Die Tochter verklagte ihren Bruder auf Rechnungslegung über dessen Tätigkeit als Vorsorgebevollmächtigten. Das Landgericht gab ihr teilweise statt, die dagegen erhobene Berufung des Sohnes ist nur teilweise begründet.
Der ehemals bevollmächtigte Sohn schuldet der Erbengemeinschaft Rechnungslegung für die Zeit seiner Tätigkeit ab Einweisung der Erblasserin in das Krankenhaus bis zur Einsetzung des Betreuers. Das setzt ein Auftragsverhältnis voraus, das zwischen der Mutter und dem Sohn begründet wurde. Für den Auftrag ist notwendig, dass jemand für einen anderen in dessen Angelegenheit tätig wird und pflichtgemäß tätig werden muss. Wenn sich Ehegatten gegenseitig bevollmächtigen, nimmt die Rechtsprechung wegen des besonderen Vertrauensverhältnisses kein Auftragsrecht an. Dieser Rechtsgedanke ist allerdings nicht pauschal auf andere Angehörige, die bevollmächtigt werden, übertragbar.
Es kommt immer auf den Einzelfall an. Dabei ist die wirtschaftliche Bedeutung der Vollmacht zum Zeitpunkt ihrer Erteilung ein wichtiges Indiz. Der Aufgabenkreis der Vollmacht erfasste den gesamten Lebensbereich der Erblasserin ab ihrer Hilfsbedürftigkeit. Daraus folgt, dass ein Bedürfnis der Vollmachtgeberin bestand, dass der Bevollmächtigte eigenverantwortlich und aus Eigeninitiative heraus alle ihre Angelegenheiten erledigt, gerade weil die Vollmachtgeberin dann keine Fähigkeit mehr haben würde, diese Tätigkeiten einzeln zu delegieren und zu kontrollieren. Die hohe wirtschaftliche Bedeutung der Vollmacht rechtfertigt ein erhöhtes Kontrollbedürfnis, was mit einer Rechnungslegung erfolgen kann.
Nur bei einem Vertrauensverhältnis ist ausnahmsweise die Rechnungslegung entbehrlich. Dazu müssen die Beziehungen so eng sein, dass eine Rechnungslegung untereinander nicht erwartet wird, was bei Ehegatten der Fall ist. Pauschal kann das nicht auf andere verwandte Bevollmächtigte übertragen werden. Der bevollmächtigte Sohn wohnte in einer separaten Wohnung desselben Hauses der Mutter. Ein Grund, dass er wegen besonderer emotionaler Nähe unter den Kindern als Bevollmächtigter ausgewählt wurde, ist nicht erkennbar. Zum Zeitpunkt der Hilfs- und Pflegebedürftigkeit handelte er nicht stärker für die Mutter als dessen Geschwister. Mangels Vertrauensverhältnisses besteht seine Rechnungslegungspflicht aus diesen Gründen mit Einritt des Vorsorgefalls.
Auskunfts-, Rechenschafts- und Zahlungsansprüche aus Vollmachttätigkeit spielen nach dem Tod des Vollmachtgebers immer wieder eine Rolle. Der Senat stellt richtiger Weise auf den jeweiligen Einzelfall ab, ob solche Pflichten bestehen oder nicht. Wer sich dagegen mit dem Argument verteidigt, dass ein Vertrauensverhältnis bestand, muss dieses beweisen und das Gericht muss dies besonders feststellen. Das ist in der Praxis oft schwierig, weshalb es nach dem Tod des Vollmachtgebers oft zu gerichtlichen Auseinandersetzungen kommt. Gerade wenn Kinder bevollmächtigt waren, zerbricht daran nicht selten die Familie. Ihr Erbrechtsexperte zeigt Ihnen, wie Sie diese Folge einer Vollmacht schon bei der Erstellung der Vollmacht vermeiden können.
Fundstelle: OLG Braunschweig, Urteil vom 28.4.2021 – 9 U 24/20
... → mehrIm Pflichtteilsverfahren ist es nicht möglich, ein Privatverzeichnis für die Auskunft über den Nachlass zu erhalten, wenn ein notarielles Nachlassverzeichnis vorliegt, wie Erbrechtsexperte Wolfgang Roth an Hand eins neuen Urteils erläutert:
Muss der Erbe ein notarielles Nachlassverzeichnisses für den geltend gemachten Pflichtteil nach entsprechender Verurteilung vorlegen, kann nicht nachträglich auf die Vorlage eines weiteren, privatschriftlichen Nachlassverzeichnis geklagt werden.
Eine Mutter wurde von ihrem Sohn auf Grund Testaments alleine beerbt. Ihre Tochter forderte den Pflichtteil ein und erhob Klage auf Auskunft über den Bestand des Nachlasses durch Vorlage eines privatschriftlichen Verzeichnisses. Später änderte sie die Klage dahingehend, dass ihr Bruder die Auskunft durch Vorlage eines notariellen Nachlassverzeichnisses zu erteilen habe. Hierzu wurde der Bruder verurteilt. Danach wollte sie zusätzlich ein weiteres, diesmal privatschriftliches Verzeichnis durch Urteil erstreiten. Das Landgericht wies ihre Klage ab, ihre Berufung bleibt erfolglos.
Für den weiteren Klageantrag auf Vorlage des Privatverzeichnisses besteht kein Rechtsschutzbedürfnis, da über das bereits vorliegende Urteil der Auskunftsanspruch vollständig durchsetzbar ist. Das Verlangen eines „Privatverzeichnisses“ ist rechtsmissbräuchlich, da die beiden Verzeichnisarten (notariell und privatschriftlich) inhaltlich wesensgleich sind. Ein Grund, ein zweites Urteil zur Auskunftserteilung zu schaffen, ist nicht ersichtlich, zumal das private Verzeichnis im Verhältnis zum notariellen keine höhere Gewähr der Richtigkeit hat.
Der Senat schließt sich der ständigen Rechtsprechung an, dass ein „Wechsel“ vom notariellen Nachlassverzeichnisses hin zu einem „Privatverzeichnis“ nicht möglich ist. Der umgekehrte Weg ist hingegen eröffnet: wer eine privatschriftliche Auskunft gegeben hat, muss auf Verlangen zusätzlich ein notarielles Nachlassverzeichnis erstellen!
Fundstelle: Oberlandesgericht Celle, Urteil vom 17.03.2022 – 6 U 67/21
... → mehrPflegekosten für die Grabstätte des Verstorbenen zählen im Steuerrecht zu den bei der Erbschaftsteuer abzugsfähigen Nachlassverbindlichkeiten. Der Bundesfinanzhof (BFH) hat nun die Abzugsfähigkeit von Pflegekosten für die Grabstelle auch dann zugelassen, wenn es sich nicht um das eigene Grab des Verstorbenen handelt, wie Erbrechtsexperte Wolfgang Roth erläutert.
In einem Grab war die bereits vorverstorbene Mutter des Erblassers bestattet; ihr Sohn (der jetzige Erblasser) hatte sich auf Grund der Friedhofssatzung zur Pflege des mütterlichen Grabes verpflichtet. Die Erben des verstorbenen Sohnes wollten in ihrer Steuererklärung nicht nur die Grabpflegekosten Ihres Vaters absetzen, sondern auch diejenigen ihrer Großmutter, weil auf sie nun die Pflicht zur Pflege deren Grabes auch "vererbt" wurde.
Der Bundesfinanzhof hat nun letztinstanzlich entschieden, dass die Pflegekosten für ein Wahlgrab auch dann zu den Nachlassverbindlichkeiten gehören, wenn sich der Erblasser bereits zu seinen Lebzeiten zur Pflege eines solchen Grabes verpflichtet hatte und diese Verpflichtung auf die Erben übergegangen ist. Dies gilt jedenfalls für die Dauer des vereinbarten Grabnutzungsrechts.
Wer sich zur Pflege eines Grabes Dritter (hier: der eigenen Eltern) noch zu seinen Lebzeiten entschließt, übernimmt eine Pflicht gegenüber dem Friedhofträger, die mit Kosten verbunden ist. Auch solch übernommene Pflichten sind vererblich, so dass die dazu notwendigen Aufwendungen auch steuerlich berücksichtigt werden müssen.
Abzugsfähig sind die üblichen Grabpflegekosten für die Dauer der Grabnutzung. Dazu sollten sich die Erben bei der örtlichen Behörde die Nutzungsurkunde des Verstorbenen besorgen und aufgrund eines Kostenvoranschlags einer örtlichen Friedhofsgärtnerei die Grabpflegekosten für die restliche Ruhezeit berechnen; diese sind bei der Erbschaftsteuer dann abzugsfähig.
Fundstelle: BFH, Urteil vom 22. Januar 2020 - II R 41/17
... → mehrIn einem Erbscheinverfahren kann man gegen Beschlüsse des Nachlassgerichts Rechtsmittel einlegen. Das Rechtsmittelverfahren ist jedoch verwinkelt und teilweise verworren, weshalb es hierfür in der Regel eines Erbrechtsexperten bedarf, der diesen Paragrafendschungel lichten kann.
Hier einige Beispiele zu Aspekten, die es bereits in formaler Hinsicht zu beachten gilt:
Welcher genaue Rechtsbehelf gegen die Entscheidung des Nachlassgerichts statthaft ist, hängt zunächst von dem Entscheidungsorgan ab, das einen Beschluss erlassen hat:
Sobald eine gerichtliche Endentscheidung vorliegt, ist das Oberlandesgericht zur Entscheidung über die Beschwerde zuständig. Als Endentscheidung sind z. B
Solange der Erbschein noch nicht ausgehändigt bzw. tatsächlich erteilt ist, ist schon die bloße Ankündigung den Erbschein zu erteilen, anfechtbar. Ist der Erbschein dann erteilt, kann die dagegen erhobene Beschwerde nur noch mit dem Ziel seiner Einziehung erhoben werden. Wurde der Erbschein bereits eingezogen, zielt die gegen die Einziehungsanordnung erhobene Beschwerde auf die Erteilung eines neuen Erbscheins.
Laut § 64 I 1 FamFG ist die Beschwerde bei demjenigen Gericht einzulegen, dessen Beschluss angefochten wird. Die Einlegung der Beschwerde zum Beschwerdegericht (in der Regel das Oberlandesgericht) ist daher nicht (mehr) möglich, auch wenn das früher zulässig war.
Die Beschwerde kann schriftlich oder zur Niederschrift der Geschäftsstelle des Amtsgerichts eingelegt werden. Der Bundesgerichtshof erlaubt auch die Einlegung durch Telefax, wenn die Unterschrift des Absenders daraus ersichtlich ist. Es herrscht kein Anwaltszwang, Vertretung ist allerdings möglich, § 10 II FamFG.
Es besteht auch die Möglichkeit, die Beschwerde bei der Rechtsantragstelle des Amtsgerichts zu erheben.
Die Beschwerde muss rechtzeitig, also binnen eines Monats erhoben werden, sonst ist sie verfristet. Die Frist beginnt mit der schriftlichen Bekanntgabe des Beschlusses an den Beteiligten. Ein Wiedereinsetzungsantrag gegen die Fristversäumnis ist möglich.
Nur der Beschwerdeberechtigte darf eine Beschwerde einlegen. Dieses Recht steht dem sogenannten "materiell" Beschwerten zu: Das ist derjenige, dessen privatrechtliches oder öffentlich-rechtliches subjektives Recht durch die Entscheidung verletzt wird. In Nachlassverfahren ist Jeder, dessen Erbrecht durch die Entscheidung berührt wird, also zur Beschwerde befugt.
Zusätzlich muss eine "formelle" Beschwer gegeben sein, weshalb das Beschwerderecht nur demjenigen zusteht, dessen Antrag zurückgewiesen wurde.
Im Erbscheinverfahren entstehen dieselben Anwaltsgebühren wie in sonstigen Gerichtsverfahren auch. Ob derjenige, der einen Anwalt mit seinem Anliegen betraut, dessen Gebühren vom unterlegenen Gegner zurück (erstattet) bekommt, ist nicht immer sicher:
Das Gericht verteilt die Verfahrenskosten der Beteiligten nach "billigem Ermessen". Der strikte Grundsatz "Wer verliert, zahlt alle Kosten und Gebühren", gilt in diesen Verfahren nur zum Teil; die Kostenentscheidung richtet sich nach allen Umständen des Einzelfalles, unter anderem danach, ob das Rechtsmittel überhaupt Erfolg versprach und ob die Einwände des Unterlegenen zumindest substanziiert oder nur "ins Blaue hinein" erhoben waren.
Praxishinweis für Sie:
Selbst wenn man also eine Beschwerde im Erbscheinverfahren gewinnt, ist nicht sicher, dass man alle seine Kosten und Gebühren auch erstattet bekommt. Ihr Erbrechtsexperte klärt Sie über diesen kostenrechtlichen Aspekt, der nicht außer Acht gelassen werden darf, umfassend auf.
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