Kontakt nach oben
Rechtsanwalt, Fachanwalt für Erbrecht, Obrigheim bei Mosbach

Aktuelles aus der Kanzlei

27.07.2023
Steuerabzug von Anwaltskosten

Anwaltskosten für Versteigerung bei Erbschaftsteuer abzugsfähig

Erbrechtsexperte Wolfgang Roth erläutert eine neue Entscheidung des Finanzgerichts Köln, wonach Anwaltskosten, die für eine Versteigerung einer Immobilie, die im Nachlass ist, bei der Erbschaftsteuer abgesetzt werden können.

Der Leitgedanke des Finanzgerichts

Beantragt ein Miterbe im Zuge der Erbauseinandersetzung die Teilungsversteigerung einer Nachlassimmobilie, kann er die Kosten der Rechtsberatung und Rechtsvertretung steuerlich als Nachlassverbindlichkeiten geltend machen.

Der entschiedene Sachverhalt

Der Verstorbene hinterließ seine zwei Söhne als Miterben und mehrere Grundstücke. Nach des Vaters Tod zog sich ein Sohn zurück und wirkte an der Erbauseinandersetzung nicht mit. Um den Nachlass aufteilen zu können, beantragte er über seinen Rechtsanwalt die Teilungsversteigerung der Grundstücke. Mit der beauftragten Anwaltskanzlei, die ihn auch bei der weiteren Nachlassauseinandersetzung vertrat, schloss er vier Vergütungsvereinbarungen ab. Im Verfahren zur Festsetzung seiner Erbschaftsteuer ist streitig, ob er diese Anwaltskosten (Rechtsverfolgungskosten) als Nachlassverbindlichkeiten steuermindernd geltend machen kann; das Finanzamt verneint die Abzugsfähigkeit. Das Finanzgericht hingegen gibt Recht.

Die tragenden Gründe des Urteils

Anwaltskosten, die in Zusammenhang mit der Erbauseinandersetzung und den Versteigerungsverfahren anfallen, stellen Nachlassverbindlichkeiten nach § 10 Abs. 5 Nr. 3 S. 1 ErbStG dar. Unter diesen Kostenbegriff fallen all diejenigen Kosten, die in Zusammenhang mit der Abwicklung, Regelung oder Nachlassverteilung oder Erlangung des Erwerbs entstehen; bloße Nachlassverwaltungskosten sind nicht abzugsfähig (§ 10 Abs. 5 Nr. 3 S. 3 ErbStG). Die Nachlassauseinandersetzung stellt eine ordnungsgemäße Nachlassabwicklung dar; es gilt der Grundsatz der Teilung des Nachlasses in Natur. In Natur teilbar ist letztendlich nur Geld entsprechend den Erbquoten.

Unteilbare Nachlassgegenstände (Immobilien, Gegenstände) sind deshalb notfalls zu versteigern, um den Erlös in Natur zu teilen. Demnach dient die Versilberung eines Nachlassobjekts der Vorbereitung der faktischen Nachlassauseinandersetzung. Erst dann, wenn die Erlösverteilung erfolgt ist, ist die Erbauseinandersetzung vollzogen und die Erbengemeinschaft aufgelöst. Die dazu notwendigen Aufwendungen, beispielsweise Gutachterkosten, sind ebenso steuerlich abzugsfähig, wie etwa entstandene Notariats- und Gerichtskosten oder Aufwendungen für anwaltliche Beratung und Kosten der gerichtlichen Vertretung von Miterben. Verlangt ein Miterbe die Teilung der Erbschaft und stellt einen Teilungsversteigerungsantrag, sind die daraus resultierenden Kosten für die Rechtsberatung und -vertretung solche der Nachlassverteilung und nach § 10 Abs. 5 Nr. 3 S. 1 ErbStG abzugsfähig.

Praxishinweis für Sie

Das Kölner Finanzgericht entscheidet eine für die Abzugsfähigkeit von Anwalts- und sonstigen Beratungskosten wichtige Schnittstelle im Bereich der erbschaftsteuerlichen Abzugsfähigkeit zu Gunsten des Steuerschuldners. Auch wenn diese Kosten im Rahmen einer Honorarvereinbarung festgelegt sind, spielt es für die Abzugsfähigkeit keine Rolle, sodass auch auf Vergütungsvereinbarungen fixierte Anwaltsgebühren abziehbar sind. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig: Die Revision ist vor dem Bundesfinanzhof unter dem Aktenzeichen II R 43/22 anhängig.

Fundstelle: FG Köln, Urteil vom 09.02.2023 – 7 K 1362/21

... → mehr


22.06.2023
Testament auf ungewöhnlicher Unterlage

Gültiges Tesatment auf Speisekarte

Um ein Testament zu errichten, kann man auch außergewöhnliche Materialien verwenden. Das Kammergericht (KG) in Berlin hat entschieden, dass dafür auch die Rückseite des Speiseplans eines Cafés dienen kann, wie Ihr Erbrechtsexperte Wolfgang Roth erläutert:

Der Leitgedanke der Entscheidung

Schreibt der Erblasser auf der weißen Rückseite eines Ausdrucks des Speiseplans eines Cafés seinen letzten Willen, kann der Testierwille nicht abgesprochen werden und das Testament ist gültig.

Der entschiedene Sachverhalt

Der unter Parkinson leitende Erblasser hatte mit seiner vorverstorbenen Ehefrau ein notarielles Testament errichtet, in dem beide sich zu Alleinerben einsetzten. Die Nichte der Ehefrau war darin als Schlusserbin bestimmt, wobei der Überlebende noch anderweitig testieren durfte.

Nach dem Tod der Ehefrau schrieb der Witwer auf die Rückseite eines Café-Speiseplanes die Überschrift „mein Testament“ und bestimmte seinen Nachbarn zu seinem Alleinerben. Dies alles versah er mit Ort, Datum und seiner eigenen Unterschrift. Die Nichte beantragte nach seinem Tod einen Erbschein zu ihren Gunsten, der Nachbar des Verstorbenen widersprach und berief sich auf das Testament auf der Speisekarte. Im Verfahren vor dem Nachlassgericht bestätigte ein Gutachter die Testierfähigkeit des Erblassers und führte aus, dass trotz des geänderten Schriftbildes aufgrund der Parkinsonerkrankung das Schriftstück vom Verstorbenen stammte. Die dagegen erhobene Beschwerde der Nichte ist erfolglos.

Die tragenden Gründe des Beschlusses

Der Senat des KG bestätigt unter anderem, dass trotz des verwendeten, außergewöhnlichen Papiers kein Zweifel am ernsthaften Testierwillen vorliegt. Das Gesetz schreibt nicht vor, welcher Schriftträger verwendet werden muss, es kommt nur darauf an, ob sich das Papier zur Fixierung der Schriftzüge eignet und der niedergelegte Inhalt keinem durchgreifenden Zweifel am Testierwillen unterliegt. Der Verstorbene setzte die auch ansonsten üblicher Weise verwendete Überschrift „mein Testament“ auf das Schriftstück, seinen vollen Namen mit Geburtsdatum und unterschrieb die Erbeinsetzung unter Angabe des Errichtungsortes und -datums. Kriterien, die seinem Testierwillen entgegenstehen könnten, sind nicht erkennbar, weshalb sein Testament gilt.

Praxishinweis für Sie

Von der Norm abweichende Schriftträger zur Niederlegung des letzten Willens (Testament) sind zulässig. So wurde bereits ausgeurteilt, dass man ein Testament in eine Holztischplatte ritzen kann oder auf bloße Notizzettel schreiben darf. In diesen Fällen ist allerdings der Wille, überhaupt ein Testament errichten zu wollen (der Testierwille) besonders sorgfältig zu prüfen.

Fundstelle: KG, Beschluss vom 09.05.2023 – 6 W 48/22 

... → mehr


23.05.2023
gemeinschaftliches Testament

Testament der Ehegatten auf 2 Schriftstücken?

Ihr Erbrechtsexperte, Rechtsanwalt Wolfgang Roth, Obrigheim, fasst die wesentlichen Aspekte zusammen, wonach ein Ehegattentestament nicht in einer, sondern in mehreren getrennten Testamenten errichtet werden kann:

Die gesetzliche Grundlage 

Nach § 2265 BGB können Ehegatten ein gemeinschaftliches Testament errichten, wobei in formaler Hinsicht genügt, dass ein Ehepartner das Testament handschriftlich erstellt und der andere diese Erklärung selbst mitunterzeichnet, § 2267 Satz 1 BGB. Nicht selten errichten Ehegatten allerdings auf getrennten Blättern handschriftliche Einzeltestamente, möchten diese aber inhaltlich miteinander verknüpfen. Dabei stellt sich die Frage, ob dadurch wirksam ein „gemeinschaftliches“ Testament entstanden ist.

I. Grundlagen des Errichtungszusammenhangs

Das Gesetz definiert selbst nicht, was unter der „Gemeinschaftlichkeit“ eines Testaments zu verstehen ist. In der Regel ist auf eine gemeinsame bzw. gemeinschaftliche Erklärung der Testierenden abzustellen. Dies kann durchaus in getrennten Einzeltestamenten geschehen. Allerdings setzt dies voraus, dass in zumindest einem von zwei Testamenten eine gemeinschaftliche Verfügung vorhanden ist; dies kann auch lediglich ein Vermächtnis sein. Beide Testierenden müssen bei der Errichtung ihres jeweiligen Einzeltestaments die Absicht haben, gemeinsam mit dem anderen Ehegatten letztwillig zu verfügen. Dieser Wille muss nach außen erkennbar aus der Urkunde ersichtlich sein und zumindest handschriftlich angedeutet sein. Zweifelhafte Andeutungen im Testament können durch Auslegung ermittelt werden, wobei auch Umstände außerhalb der Testamentsurkunde für die Auslegung herangezogen werden können, wie zuletzt das Oberlandesgericht Brandenburg entschieden hat (BeckRS 2023, 1627).

II. Kriterien für die Gemeinschaftlichkeit

Liegen separate Testamente vor, hat die Rechtsprechung anhand einzelner Umstände des Einzelfalles im Wege der Auslegung gemeinschaftliche Verfügungen in folgenden Verfahren angenommen:

  • Ein sehr starkes Indiz für die Gemeinschaftlichkeit ist die Verwendung von Pluralformen, wie die Bestimmung, dass „wir“ oder „gemeinsam“ verfügen
  • Auch Regelungen über den „beiderseitigen Nachlass“ sprechen für eine Gemeinschaftlichkeit
  • Auch die Überschrift „gemeinsames Testament“ deutet in diese Richtung, auch wenn nur ein Ehegatte in seinem Testament verfügt. 
  • Nehmen die beiden Einzeltestamente der Ehegatten gegenseitig Bezug auf das jeweilige andere, deutet dies ebenfalls auf Gemeinschaftlichkeit hin. 
  • Wurden ursprünglich zwei Einzeltestamente angefertigt, gemeinsam jedoch Nachträge oder Zusätze gefertigt und diese gemeinsam unterschrieben, kann eine solche Verknüpfung der beiden Testamente ebenfalls gegeben sein 

Eine reine Mitunterzeichnung des jeweils anderen Ehepartners ist zwar als Indiz zu Gunsten eines Gemeinschaftstestaments zu würdigen, führt jedoch keine gemeinschaftlichen Verfügungen herbei, wenn der mitunterzeichnende Testamentswortlaut nur Verfügungen von einem Ehegatten beschreibt; hier kann die Mitunterzeichnung auch nur der Kenntnisnahme der Verfügungen des anderen Ehegatten dienen.

III. Kriterien gegen die Gemeinschaftlichkeit

Ergeben sich bereits aus dem Wortlaut der Einzelverfügungen, dass keine Pluralformen (s.o.) verwendet wurden oder fehlen gegenseitige Bezugnahmen auf das jeweils andere Testament, sind dies die stärksten Argumente, welche die Rechtsprechung gegen die Auslegung als gemeinsame Verfügungen heranzieht. 

IV. Der zeitliche Errichtungszusammenhang

Die Gemeinschaftlichkeit der einzelnen Testamentsurkunden setzt nicht voraus, dass beide zeitgleich abgefasst wurden. Dies kann dadurch geschehen, dass zwei getrennte Schriftstücke zeitlich nacheinander errichtet werden oder die Unterschrift des anderen Ehegatten nachträglich unter das bisherige Einzeltestament geleistet wurde. Zwingend erforderlich ist hingegen, dass die Errichtung der getrennten, weiteren Einzelverfügung noch zu Lebzeiten des erstverfügenden Ehegatten erfolgte. Ein Verknüpfungswille kann sich sogar dann ergeben, wenn die zeitliche Errichtung der einzelnen Testamente viele Jahre auseinanderliegt (OLG Hamm, BeckRS 2017, 128746: mehr als 40 Jahre; OLG Düsseldorf, BeckRS 2016, 14512: mehr als 24 Jahre; bis zu 6 Jahre Zeitunterschied: OLG München, BeckRS 2011, 28351).

V. Fazit

Die Gemeinschaftlichkeit von Ehegattentestamenten kann durch separate Erklärungen auf getrennten Schriftstücken im Wege der Auslegung ermittelt werden, wenn ein  Verknüpfungswille beider Testatoren festzustellen ist. Dies muss allerdings  formgültig in den Testamenten seinen Niederschlag finden, wozu für die jeweilige Einzelfallbetrachtung alle sich aus der jeweiligen Testamentsurkunde ergebenden Anknüpfungspunkte herangezogen werden können. Das Ergebnis der Auslegung hat unmittelbaren Einfluss auf die Frage, ob nur das jeweilige Einzeltestament oder beide Testamente beim Tod des ersten Ehegatten eröffnet werden, da bei Untrennbarkeit der einzelnen Verfügungen beide Testamente zu eröffnen sind; dies ist in der Praxis allerdings manchmal nicht gewünscht, gesetzlich allerdings vorgegeben.

Alle Auslegungsschwierigkeiten entfallen, wenn nach Beratung  durch einen Erbrechtsexperten die Ehegatten ein juristisch einwandfreies Testament errichten.

... → mehr


21.02.2023
Verteilungstestament vermeiden!

Keine Erbeinsetzung durch Zuordnung einzelner Nachlassobjekte

Ihr Erbrechtsexperte Wolfgang Roth erläutert an Hand eines neu entschiedenen Falls, weshalb in der Zuschreibung eines Hausanwesens nicht zugleich die Einsetzung eines Alleinerben zu sehen ist.

Der Leitgedanke des Gerichts

Bestimmt der Erblasser ausdrücklich keinen Erben, sondern verteilt sein Vermögen nur an einzelne Personen, wird derjenige, der 70% oder weniger vom gesamten Nachlasswert erhält, kein Alleinerbe.

Der entschiedene Sachverhalt

Die Verstorbene errichtete ein „Verteilungstestament“ und schrieb darin einer Bekannten ihr Haus sowie weitere 100.000 Euro zu. Zugleich vermachte sie weitere 6-stellige Beträge sowie Einzelgegenstände per Testament. Die Immobilienempfängerin beantragte einen Alleinerbschein, den das Nachlassgericht zurückwies. Ihre Beschwerde bleibt vor dem Oberlandesgericht Brandenburg erfolglos.

Die wichtigsten Entscheidungsgründe

Wäre mit der Zuschreibung per Vermächtnis eine Erbeinsetzung gewollt gewesen, wäre die Erwähnung der Hausempfängerin in der Liste der Vermächtnisnehmer nicht notwendig gewesen. Zwar kann die Zuwendung eines Hausgrundstücks zugleich eine Erbeinsetzung darstellen, wenn die Zuwendung dieses einzelnen Gegenstandes eine Verteilung des ganzen Vermögens sein soll und der Bedachte nach den Vorstellungen des Erblassers damit das Hauptvermögen erhielt. Dasselbe gilt, wenn der Wert des zugewandten Einzelgegenstands so hoch ist, dass der Erblasser diesen Gegenstand als wesentlichen Nachlass angesehen hat. Für das Wertverhältnis kommt es auf die Vorstellungen desjenigen, der das Testament schrieb, zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung an. Das Haus sowie die 100.000 Euro ergeben im Verhältnis zum Wert des restlichen Nachlasses lediglich 63%. Sie bilden daher nicht das Hauptvermögen des Nachlasses. Dies würde selbst dann gelten, wenn der Bekannten 70% des Nachlasswertes vermacht worden wären.  

Praxishinweis für Sie

Der Senat zeigt auf, dass im Rahmen eines „Verteilungstestaments“ eine Wertgrenze von nicht einmal 70% des Nachlasswertes nicht genügt, um daraus eine Erbenstellung abzuleiten. Erst ab ca. 77% bis 80% kann im Rahmen der Auslegung hiervon ausgegangen werden, so die obergerichtliche Rechtsprechung.

Fundstelle: OLG Brandenburg, Beschluss vom 16.01.2023 – 3 W 113/22 

... → mehr


20.12.2022
Familienheim und Erbeinsetzung

Verlust der Erbenstellung bei Verkauf des Familienheimes

Ihr Erbrechtsexperte Wolfgang Roth erläutert zum Jahresende eine Entscheidung des Landgerichts Frankfurt a.M., wonach ein Kind sein Alleinerbenstellung verliert, wenn es gegen den Erblasserwunsch das Wohnhaus verkauft.

Der Leitgedanke des Gerichts

War entscheidendes Motiv der Alleinerbeinsetzung eines Kindes der Wunsch, dass der Erbe das Familienheim erhalten wird, berechtigt ein dennoch erfolgter Immobilienverkauf zur Anfechtung der Alleinerbstellung.

Der entschiedene Sachverhalt

Die Mutter hinterließ zwei Kinder und setzte ihren Sohn zum Alleinerben ein. Im Testament verfügte sie ausdrücklich, dass nur die Alleinerbeinsetzung des Sohnes gewährleisten könne, dass das Wohnhaus erhalten bleiben kann, um es nicht zu verschleudern. Der Sohn erhielt den Erbschein, der ihn als Alleinerben auswies. Außerdem ließ durch einen Gutachter den Wert des Hauses schätzen. Zugleich nahm er Kontakt zu einem Makler wegen des Verkaufs der Immobilie auf. Nur 3 Wochen vor dem Immobilienverkauf vereinbarte er schriftlich mit seiner Schwester auf Basis des Gutachterwertes deren Pflichtteilzahlung. Als sie von der Veräußerung erfuhr, focht die Schwester das Testament an, weil die verstorbene Mutter bei der Testamentserrichtung die Fehlvorstellung gehabt habe, die Alleinerbeinsetzung hätte den Erhalt des Wohnhauses sichergestellt. Ihre Erbenfeststellungsklage hat Erfolg, so dass sie gesetzliche Miterbin wird.

Die tragenden Entscheidungsgründe

Binnen der Jahresfrist, nachdem sie von der Immobilienveräußerung erfahren hat, erfolgte die wirksame Anfechtung gegenüber dem Nachlassgericht. Der Anfechtungsgrund ist gegeben, denn die Erblasserin ging in der irrigen Annahme bzw. Erwartung des Eintritts eines Umstandes davon aus, dass die Alleinerbstellung, welche sie dem Sohn zuschrieb, zum Erhalt des Hauses tauglich war. Dieses Motiv der Verstorbenen war für sie bestimmend. Sie verband es wörtlich damit, dass das Haus nicht verschleudert werden sollte. Da die Erwartung der Erblasserin objektiv zerschlagen wurde, ist deren Tochter zur Anfechtung berechtigt, da jeder Motivirrtum das Anfechtungsrecht hergibt. Die Anfechtung wirkt auf den Zeitpunkt der Testamentserrichtung zurück und lässt gesetzliche Miterbschaft beider Kinder eintreten.

Praxishinweis für Sie

Nicht selten verknüpfen Erblasser in ihrem Testament Erbeinsetzungen mit bestimmten Motiven und Erwartungen, indem diese (künftigen) Erwartungen im Testament beschrieben werden. Schlagen solche Erwartungen fehl, führt dies in der Regel zu erheblichen Missstimmungen unter den Miterben, allerdings wird der dafür mögliche Anfechtungsgrund des § 2078 Absatz 2 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) hierfür häufig übersehen. Dies ist in der Praxis umso bedauerlicher, beträgt die Anfechtungsfrist immerhin 1 Jahr ab Kenntnis des Anfechtungsgrundes. Die erfolgreiche Anfechtung aus diesen Gründen setzt allerdings voraus, dass die Fehlvorstellung des Erblassers als bestimmendes Motiv und tragender Beweggrund für die Erbeinsetzung sein muss. Wie dies mit den zulässigen Beweismitteln bewiesen werden kann, zeigt Ihnen Ihr Erbrechtsexperte.

Fundstelle: Landgericht Wuppertal, Urteil vom 05.12.2022 – 2 O 317/21 

... → mehr


30.11.2022
Entzug des Pflichtteils

Pflichtteilsentziehung nur bei persönlicher Verletzung

Erbrechtsexperte Wolfgang Roth erläutert eine neue obergerichtliche Entscheidung, die den Entzug des Pflichtteils ausschließt, wenn ein Elternteil vorverstorben ist.

Der Leitgedanke der Entscheidung

Wenn in einem gemeinschaftlichen Ehegattentestament kein Pflichtteilsentzug aufgenommen ist, kann dieser nach dem Tod des ersten Ehepartners nicht durch ein neues Testament nachgeschoben werden.

Der entschiedene Sachverhalt

Ein Ehepaar setzte sich durch gemeinsames Testament zum Alleinerben ein. Die dadurch enterbte Tochter klagte gegen den überlebenden Vater ihre Pflichtteilsansprüche und gewann in erster Instanz. Der Vater verliert auch die Berufungsinstanz und wird mit seinem Argument, eine nach dem Tod der verstorbenen Ehefrau begangene schwere Straftat durch die Tochter habe einen Pflichtteilsentzug gerechtfertigt, nicht gehört.

Die tragenden Gründe der Entscheidung 

Das Oberlandesgericht (OLG) stellt heraus, dass der nach dem Tod der Mutter von der Tochter begangene besonders schwere Diebstahl des wertvollen Schmucks der Verstorbenen grundsätzlich einen Pflichtteilsentzug rechtfertigen kann. Dies setzt aber voraus, dass der Pflichtteilsentziehungsgrund durch Testament erfolgt ist (§ 2336 Absatz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) und der Entziehungsgrund schon zur Zeit der Testamentserrichtung bestanden haben muss, § 2336 Absatz 2 BGB. Im Ehegattentestament fehlt der Entzug, da sich der Vorwurf des schweren Diebstahls erst nach dem Tod der Mutter ereignete. Obwohl die Erblasserin gar keine Möglichkeit hatte, der Tochter den Pflichtteil zu entziehen, kann die Vorschrift nicht analog herangezogen werden. Ein Pflichtteilsentzug setzt voraus, dass der Erblasser das schwere Fehlverhalten als unzumutbar für die Nachlassteilhabe empfindet und sich deshalb für den Pflichtteilsausschluss entscheidet. Diesen Entschluss muss der Verstorbene höchstpersönlich treffen. Da die Erblasserin vorverstorben war und dies nicht (mehr) entscheiden konnte, bleibt es trotz der schweren Verfehlung der Tochter bei deren Pflichtteilsberechtigung.

Praxishinweis für Sie

„Hätte die Mutter vom Verhalten der Tochter gewusst, hätte sie ihr den Pflichtteil entzogen“. Nachträglich entstandene und nachgeschobene Argumente taugen nicht, um einen Pflichtteilsentzug nachträglich zu begründen, wie das OLG feststellt.

Ihr Erbrechtsexperte zeigt Ihnen, wie ein Pflichtteilsentzug korrekt festgelegt und ausformuliert werden muss, damit er Bestand hat. 

Fundstelle: OLG Frankfurt a.M., Urteil v. 18.10.2022 – 10 U 88/22 

... → mehr


31.10.2022
Bindung an Ehegattentestament

Berliner Testament kann nicht wirtschaftlich umgangen werden

Ihr Erbrechtsexperte Wolfgang Roth zeigt an Hand eines neuen Falls auf, dass ein Berliner Testament vom überlebenden Ehegatten nicht durch eine nachträgliche Schenkung „wirtschaftlich korrigiert“ werden kann.

Der Leitgedanke des Urteils

Ist der überlebende Ehegatte an den Inhalt eines gemeinschaftlichen Ehegattentestaments für den Schlusserbfall gebunden und macht zur „wirtschaftlichen Gleichstellung“ einseitig Schenkungen an Kinder, um den im Schlusserbfall bezeichneten Testaments Erfolg herbeizuführen, ist die Schenkung angreifbar.

Der entschiedene Sachverhalt

Ein Ehepaar setzte sich zunächst gegenseitig zu Alleinerben ein und ihre 4 Kinder zu Schlusserben. 2 der Söhne hatten von ihnen zu Lebzeiten schon Baugrundstücke erhalten. Deshalb sollen 2 andere Kinder vom überlebenden Ehegatten laut Testament Grundstücke erhalten, die sie dann bebauen konnten. Obwohl die per Testament zugeschriebenen 2 Grundstücke Bauerwartungsland waren, erreichte deren Wert nicht die Werte der beiden schon zu Lebzeiten übertragenen Grundstücke. Daher schrieb die Mutter an die Kinder, dass Ihr schon zu ihren Lebzeiten klar war, dass die von den Eltern per Testament angedachte Gleichstellung der Kinder nicht eintreten werde. Aus diesem Grund schenkte sie den 2 Söhnen schon zu ihren Lebzeiten Geld zum „Grundstücksausgleich“. Nach dem Tod der überlebenden Mutter forderte ein Miterbe die Geldgeschenke erfolgreich in den mütterlichen Nachlass zurück.

Die tragenden Gründe des Urteils 

Der Senat wendet Paragraph 2287 Absatz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) für den Fall der bindenden Schlusserbeinsetzung in Testamenten an. Die Verstorbene war an die Erbeinsetzung aller 4 Kinder nach ihrem Tod im Schlusserbfall gebunden. Gegen diese Bindung hat sie mit den Geschenken verstoßen.

Die Geldschenkungen erfolgten nicht in ihrem lebzeitigen Eigeninteresse, sondern nur deshalb, um eine wirtschaftliche Gleichwertigkeit nachträglich zwischen allen Kindern herzustellen. Die in sogenannter Beeinträchtigungsabsicht vollzogenen Schenkungen können deshalb zurückverlangt werden. 

Praxishinweis für Sie

Die Entscheidung zeigt in lehrbuchhaft auf, auf welchem Weg die Anwendung des § 2287 BGB für bindende Testamente vorzunehmen ist. Selbst gutgemeinte Gleichstellungen von Kindern, die keinen benachteiligen sollen, lässt das Gesetz beim Berliner Testament nicht zu, wenn keine "Erlaubnis" hierfür im Ehegattentestament steht. Wie dies gestaltet werden kann, um Kinder gleich zu behandeln, zeigt Ihnen ihr Erbrechtsexperte vor Ort.

Fundstelle: OLG Saarbrücken, Urteil v. 22.6.2022 – 5 U 98/21 

... → mehr


26.09.2022
Nottestament kaum noch realisierbar

Hürden für Nottestamente - mehr als 20 Notare sind anzufragen

Ihr Erbrechtsexperte Wolfgang Roth erläutert, was alles verlangt wird, bevor man ein Nottestament errichten kann. Das Kammergericht in Berlin hat in einer neuen Entscheidung die Unwirksamkeit eines Drei-Zeugen-Testaments festgestellt, obwohl zuvor mindestens bei 20 Notare zur Beurkundung angefragt wurden.

Der Leitgedanke des Gerichts

Ein Nottestament ist auch dann unwirksam, wenn mindestens 20 Notare eine Beurkundung im Krankenhaus an einem Werktag abgelehnt haben. 

Die tragenden Entscheidungsgründe

Die Verstorbene errichtete 12 Tage vor ihrem Tod im Krankenhaus ein Nottestament. Den ausgedruckten Testamentstext brachte ihr eine Miterbin ans Krankenbett. Weitere drei neutrale Zeugen wurden hinzugezogen, ihr wurde das Testament vorgelesen und von ihr mit den Zeugen unterschrieben. Den Miterben wurde ein gemeinschaftlicher Erbschein zu je ½ vom Kammergericht in der letzten Instanz versagt.

Die Entscheidungsgründe

Nach § 2250 Absatz 2 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) kann der Erblasser, der sich in so naher Todesgefahr befindet, dass er seinen letzten Willen voraussichtlich nicht mehr vor einem Notar oder Bürgermeister beurkunden lassen kann, das Testament durch mündliche Erklärung vor drei Zeugen errichten. Diese Formanforderungen sind zwingend.

Weder objektiv noch subjektiv lag die nahe Todesgefahr derart vor, dass das Testament nicht hätte vor einem Notar oder Bürgermeister errichtet werden können. Ein nur körperliches Gebrechen, weshalb die Erblasserin selbst nicht mehr die Räumlichkeiten eines Notars aufsuchen konnte, genügt für die Voraussetzungen des § 2250 BGB nicht. Die Errichtung des Nottestaments fand an einem Donnerstag gegen 16.00 Uhr in der Klinik statt. Am 5.11. verstarb die Erblasserin. 20 Berliner Notare wurden zuvor angerufen, jedoch habe keiner Zeit gehabt, ein Testament am Krankenbett zu beurkunden.

Entscheidend ist, dass zum Errichtungszeitpunkt, einem Werktag gegen 16.00 Uhr, erfahrungsgemäß in einer Großstadt wie München oder Berlin entweder am selben oder spätestens am nächsten Werktag ein Notar verfügbar gewesen wäre, um vor Ort eine Beurkundung des letzten Willens vorzunehmen. Dies vor allem dann, wenn ihm die nahe Todesgefahr beschrieben worden wäre. Für einen Vorlauf bis zum nächsten Werktag (Freitag) war daher davon auszugehen, dass spätestens an diesem Tag ein Notar verfügbar war, zumal die Erblasserin erst 12 Tage nach der Errichtung des Nottestaments verstarb. Auch deshalb ist das Nottestament unwirksam.  

Praxishinweis für Sie

Die Entscheidung zeigt einmal mehr, welch formal-juristischen Hürden bei Nottestamenten zu überwinden sind, damit ein solches wirksam ist. Dei einschlägige Norm zwingt den auf diese Art Testierenden dazu, alle Hebel in Bewegung zu setzen, um doch noch einen Notar oder Bürgermeister (wofür auch ein Ortsbürgermeister in größeren Städten oder dessen Stellvertreter für ein Bürgermeistertestament genügt) zur Beurkundung zu bewegen. Dies gilt umso mehr, wenn die Testamentserrichtung an einem Werktag erfolgen soll, wie das Kammergericht feststellt.

Fundstelle: KG, Beschluss vom 22.6.2022 – 6 W 7/21 

... → mehr


03.08.2022
Vorsorgevollmacht richtig nutzen

Was hat die Vorsorgevollmacht mit einem Erbfall zu tun?

Ihr Erbrechtsexperte, Rechtsanwalt Wolfgang Roth aus Obrigheim, fasst in einem kurzen Beitrag für Sie die Schnittstellen von Vorsorgevollmacht und Erbrecht zusammen:

In der Rechtspraxis spielen über den Tod hinaus geltende Vorsorgevollmachten eine große Rolle. Mit ihnen kann ein Nachlass unter Umständen ohne einen teuren Erbschein abgewickelt werden. Dazu muss der Inhalt der Vorsorgevollmacht diese Befugnis hergeben. 

I. Begriff der Vorsorgevollmacht

Mit einer Vorsorgevollmacht wird eine Person (Bevollmächtigter) durch eine andere mit Rechtsmacht ausgestattet (Vollmachtgeber). Die Übertragung der Rechtsmacht per Vollmacht bedeutet letztendlich, jemanden „volle Macht“, mithin volle Rechtsmacht zu übertragen, damit der Bevollmächtigte den Vollmachtgeber vertreten und für ihn handeln kann. Die Vorsorgevollmacht dient dazu, im Außenverhältnis, also im Verhältnis des Bevollmächtigten zum Rechtsverkehr, die übertragene Rechtsmacht zu dokumentieren. Das Rechtsverhältnis zwischen Vollmachtgeber und Bevollmächtigtem bestimmt sich in der Regel nach auftragsrechtlichen Vorschriften im sog. Innenverhältnis. Soll ein Bevollmächtigter nach dem Tod des Vollmachtgebers umfassend weiterhin tätig werden, sollte die Vollmacht als transmortale Generalvollmacht verfasst sein.

II. Form der Vorsorgevollmacht

Zu Beweiszwecken ist eine Vorsorgevollmacht immer schriftlich zu erteilen. Soll die Vollmacht so weit reichen, dass damit formbedürftige Verträge (z. B. Immobilienübertragungen) abgeschlossen werden können, bedarf sie der öffentlichen Beurkundung oder Beglaubigung. Andernfalls wäre das Formerfordernis der Grundbuchordnung gegenüber dem Grundbuchamt nicht gewahrt. Dieser Form bedarf die Vorsorgevollmacht auch, wenn sie unwiderruflich erteilt wird.

In der Praxis verlangen Kreditinstitute (Banken) zumindest die Beglaubigung der Unterschrift des Vollmachtgebers. Ob dies zulässig ist, richtet sich nach den Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) bzw. einschlägigen Bedingungen des Bankvertrages des Vollmachtgebers mit der Bank. Häufig finden sich in den Banken-AGB nur Hinweise darauf, dass eine Bevollmächtigung mitzuteilen ist, nicht jedoch, in welcher Form die Vollmacht erteilt werden muss, damit sie dort anerkannt wird. Verlangt das Kreditinstitut dennoch die öffentliche Beglaubigung der Vollmacht, ist dieses Ansinnen in der Regel rechtswidrig.

Auch die Betreuungsbehörde kann öffentliche Beglaubigungen vornehmen. Dies gilt auch für transmortale Vollmachten, wie das Oberlandesgericht Karlsruhe schon 2015 entschieden hat (BeckRS 2015, 18531). Die von der Betreuungsbehörde beglaubigte Vorsorgevollmacht gibt dem Bevollmächtigten die Rechtsmacht, auch Grundstückseigentum zu veräußern und die Auflassung für den Vollmachtgeber zu erklären (so auch das OLG Naumburg, veröffentlicht in "Praxis der freiwilligen Gerichtsbarkeit" 2014, 109).

III. Reichweite der Vollmacht

Eine Vorsorgevollmacht umfasst grundsätzlich die Vermögens- und die Personensorge. Die Aufgabe kann auf bestimmte Kreise beschränkt werden, sodass dann Einzel- oder Spezialvollmachten vorliegen. Fehlt für die anderen Bereiche bei Vorliegen einer Spezialvollmacht die Übertragung der Rechtsmacht, wäre für die fehlenden Aufgaben ein Betreuer zu bestellen, wenn der Vollmachtgeber nicht selbst noch Vorsorge treffen kann (Zum Ratgeber "Erbrecht und Betreuungsfall" geht es hier).

In der Vorsorgevollmacht können bestimmte Rechtsbereiche ausdrücklich ausgenommen werden, beispielsweise kann dem Bevollmächtigten untersagt werden, Rechtsgeschäfte mit bestimmten Personen oder über bestimmte Sachen (Z.B. darf er ein Grundstück nicht verkaufen) vorzunehmen.

IV. Das Innenverhältnis und die Haftung des Bevollmächtigten

In der Regel liegt der Vollmacht im Innenverhältnis ein Grundgeschäft in Form eines Auftrages zugrunde, wenn die Tätigkeit des Bevollmächtigten unentgeltlich erfolgt. Wird eine Vergütung geleistet, handelt es sich um einen Geschäftsbesorgungsvertrag, § 675 BGB. Zu empfehlen ist, das Innenverhältnis mit internen Anweisungen zur Ausübung der Vollmacht im Außenverhältnis schriftlich zu fixieren und Vorgaben an den Bevollmächtigten zu machen. Insoweit können z. B. ein reines Gefälligkeitsverhältnis statt eines Auftrages als Basis für die Vollmachtstätigkeit vereinbart und damit eine Haftungsbefreiung des Bevollmächtigten aus den auftragsrechtlichen Verpflichtungen begründet werden. Ebenso sind in der Praxis nicht selten Anweisungen zur Art der Bestattung (Feuer- oder Erdbestattung) anzutreffen. Auch kann der Einsatz der Vollmacht im Außenverhältnis ausdrücklich vom Gesundheitszustand des Vollmachtgebers abhängig gemacht werden.

Verbleibt es im Innenverhältnis bei der Anwendung des Auftragsrechts, stehen dem Vollmachtgeber Auskunfts-, Rechenschafts- sowie Schadenersatzansprüche gegen den Bevollmächtigten bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen zu. Nicht selten sollen z. B. Angehörige, die als Bevollmächtigter tätig werden, solchen Ansprüchen nicht ausgesetzt sein. Allerdings fallen diese Ansprüche in den Nachlass des verstorbenen Vollmachtgebers und können von dessen Erben geltend gemacht werden. Um dieses spätere Haftungsrisiko auszuschließen, vereinbart man mit dem Bevollmächtigten ein Gefälligkeitsverhältnis im Innenverhältnis. Unterbleibt dies, ist die Frage, ob der verstorbene Vollmachtgeber eine solche Haftung des Bevollmächtigten gewünscht hatte oder nicht, häufig Teil heftiger gerichtlicher Auseinandersetzungen.

Die Rechtsprechung hat dazu Leitlinien entwickelt. Insbesondere bei Erteilung einer umfassenden Vorsorgevollmacht, mit der Zugriff auf das gesamte Vermögen des Vollmachtgebers eröffnet wird (allgemeine Bankvollmacht), kann in der Regel nicht ein Ausschluss dieser Haftung des Bevollmächtigten angenommen werden. Der umfassende Vermögenszugriff mittels Vollmacht führt zur Anwendung auftragsrechtlicher Vorschriften im Innenverhältnis. Dies nicht zuletzt deshalb, um Missbrauch der Vollmacht nicht sanktionslos geschehen zu lassen. Dabei kommt es nicht darauf an, ob der Bevollmächtigte der Ehegatte oder ein Kind ist: der Haftung ist jeder ausgesetzt, auch nahe Familienangehörige! 

V. Praxishinweis für Sie

Korrekt ausgearbeitete Vorsorgevollmachten, die über den Tod hinaus gelten, schützen einerseits den Bevollmächtigten vor späteren Auskunfts- und Rechenschafts- und/oder Schadenersatzforderungen der Erben des Vollmachtgebers. Da sie dem Formerfordernis, sofern sie formgerecht begründet wurden, nach der Grundbuchordnung entsprechen, können spätere Erben des Vollmachtgebers ganze Nachlässe mit transmortalen Vollmachten abwickeln. Dies erspart Kosten, Zeit und nervenaufreibende Auseinandersetzungen in Erbscheinverfahren. Zur Erstellung der Vorsorgevollmachten und der Haftungsfreistellung mit korrekten Formulierungen fragen Sie ihren Erbrechtsexperten; leicht verständliche Lektüre zum Thema finden Sie hier.  

... → mehr


20.07.2022
Grundbuch mit Vollmacht berichtigen

Erben müssen Vollmacht des Verstorbenen zur Grundbuchumschreibung nicht kennen

Ihr Erbrechtsexperte Wolfgang Roth bespricht einen aktuellen Fall, der sich im Grundbuchrecht abspielt und zeigt, dass über den Tod hinaus geltende Generalvollmachten die Kosten für einen Erbschein ersparen können:

Der Leitgedanke der Entscheidung

Die vom Erblasser über seinen Tod hinaus geltende Generalvollmacht gilt auch dann im Grundbuchverkehr weiter, wenn Miterben zuvor keine Möglichkeit hatten, die Vollmacht zu widerrufen.

Der entschiedene Sachverhalt

Die Erblasserin vermachte ein Haus an Vermächtnisnehmer. Zugleich erteilte sie ihrem Sohn eine über ihren Tod hinaus (transmortal) wirkende Generalvollmacht, die auch zu Immobiliengeschäften berechtigte. Er übertrug 2 Jahre nach dem Tod der Mutter mittels der Vollmacht für die Erben das Grundstück beim Notar, um das Vermächtnis zu erfüllen. Dem Vollzug der Umschreibung widersprach das Grundbuchamt mit dem Argument, dass die Miterben zunächst die Möglichkeit zum Widerruf der Vollmacht gehabt haben müssten. Das Oberlandesgericht München weist das Grundbuchamt im Beschwerdeverfahren hingegen an, die Auflassung zu vollziehen.

Die tragenden Gründe der Entscheidung

Der Nachweis der Erbfolge durch einen Erbschein ist nicht notwendig, da der Bevollmächtigte das Handeln aller Beteiligten (der Erben, die das Grundstück übertragen mussten) mit seiner Vollmacht notariell genehmigen durfte. Wenn Erben durch einen Bevollmächtigten vertreten werden, sind Wirksamkeit und Umfang der Vollmacht vom Grundbuchamt zu prüfen. Das Handeln der Erben wurde durch notarielle Urkunde genehmigt. Da der Vollmachtinhalt gerade auch für Immobiliengeschäfte gelten sollte, sind davon auch die Auflassung, die Bewilligung der Eintragung der Vermächtnisnehmer im Grundbuch und die Umschreibungsanträge umfasst. Die Vollmacht der Erblasserin gilt nach § 1922 BGB für die Erben fort. Der Bevollmächtigte muss weder angeben, wer überhaupt die Erben sind, die er mit der Vollmacht vertritt, noch deren Zustimmung einholen, da dies dem Zweck der transmortal geltenden Vollmacht zuwiderliefe. Demnach ist das Grundbuchamt verpflichtet, die Umschreibung im Grundbuch vorzunehmen.

Praxishinweis für Sie

Der Beschluss stärkt die Wirksamkeit transmortal erteilter Vorsorgevollmachten, die – wie im vorliegenden Fall – auch dazu führen können, einen teuren Erbschein einzusparen. Auch wenn die Vollmacht keinen Erbschein ersetzt, kann sie im Rechtsverkehr wie ein solcher genutzt werden.

Fundstelle: OLG München, Beschluss vom 10.02.2022 – 34 Wx 431/21 

... → mehr


Ausgezeichnet durch:

Capital 2022 Focus 2023 Focus 2022 Focus 2021 Focus 2020 WiWo 2021 WiWo 2019 WiWo 2019

Empfohlen durch:

WWF Christoffel Blindenmission Verband Wohneigentum e.V. OM Deutschland GBA Ships Blinden- und Sehbehindertenverein Hamburg e.V. Geschenke der Hoffnung
In Kooperation mit:

Fachanwälte für Erbrecht Testamentsvollstrecker, Testamentsvollstreckung Mediation im Erbrecht