Kontakt nach oben
Rechtsanwalt, Fachanwalt für Erbrecht, Obrigheim bei Mosbach

Aktuelles aus der Kanzlei

06.01.2025
Akteneinsicht

Einsichtnahme in Nachlassakte

Das Bayerische Oberste Landesgericht hat entschieden, dass man zwar in eine Nachlassakte Einsicht nehmen kann, das setzt allerdings gewisse Darlegungen voraus. Erbrechtsexperte Wolfgang Roth erläutert für Sie die neue Entscheidung:

Der Leitgedanke des Gerichts

Das Recht zur Einsichtnahme in eine Nachlassakte setzt ein berechtigtes Interesse voraus. Unstrukturierter Sachvortrag und die bloße Übersendung verschiedener Konvolute von Unterlagen genügen hierfür nicht. Das Nachlassgericht ist nicht verpflichtet, sich aus diversen Unterlagen selbst ein berechtigtes Interesse nach § 13 Absatz 2 FamFG zusammenzustückeln.

Der entschiedene Sachverhalt

Der Antragsteller wollte in eine Nachlassakte Einsicht nehmen und Übersendung von Kopien hiervon nach zwei Sterbefällen erreichen. Zu seinem rechtlichen Interesse führte er aus, er müsse die letzte Adresse seiner verstorbenen Tante erfahren. Er verfolge seine Erbrechte, u. a. aus einem Vertrag aus dem Jahr 1907. Außerdem „wisse er“, dass das Fiskuserbrecht des Freistaates Bayern, welches vom Nachlassgericht festgestellt wurde, "falsch" sei. Dem Nachlassgericht legte er diverse Unterlagen sowie ein Schreiben der Kundenbeschwerdestelle des Bundesverbandes deutscher Volks- und Raiffeisenbanken vor. Ebenso reichte er alte Flurkarten, Schreiben an ein anderes AG sowie diverse Abstammungs-, Geburts- und Heiratsurkunden verschiedenster Personen und einen Übergabevertrag aus dem Jahr 1907 vor. Die Unterlagen waren aus sich heraus unverständlich, weshalb das Amtsgericht seine Anträge ablehnte.

Seine dagegen erhobene Beschwerde vor dem Bayerischen Obersten Landesgericht (BayObLG) ist erfolglos. Inhaltlich scheitert der Antragsteller, weil er zunächst behauptete, die Erblasserin sei seine Tante, zuletzt sei sie aber seine Großtante 2. Grades gewesen.

Seine vorgelegten Urkunden für diverse Verwandtschaftsverhältnisse sind aus sich heraus nicht verständlich, um sein gesetzliches oder testamentarisches Erbrecht abzuleiten. Ein berechtigtes Interesse nach § 13 Abs. 2 FamFG für die Akteneinsicht setzt ein durch die Sachlage gerechtfertigtes Interesse voraus, welches tatsächlicher, wirtschaftlicher oder wissenschaftlicher Art sein kann und vorliegt, wenn ein künftiges Verhalten des Antragstellers durch Kenntnis vom Akteninhalt beeinflusst werden kann. Hierfür genügt auch, dass der Antragsteller durch den Streitstoff der Akten nur mittelbar betroffen sein kann. Allerdings ist glaubhaft zu machen und darzulegen, dass eine gesetzliche oder testamentarische Erbenstellung, ein Pflichtteilsrecht oder eine Vermächtnisnehmereigenschaft in Betracht kommt. Die bloße Tatsache, mit dem Erblasser verwandt zu sein, genügt nicht, ebenso wenig ein pauschales Interesse an der Aufklärung irgendwelcher erbrechtlicher Hintergründe. Da kein nachvollziehbarer Sachvortrag hinsichtlich der tatsächlichen Verwandtschaft mit der Erblasserin vorliegt und Angaben zu einer lückenlosen möglichen Reihe von Erbfolgen fehlen, fehlt es an der Darlegung der Anspruchsvoraussetzungen.

Praxishinweis für Sie

Das BayObLG versagt der beantragten Nachlassakteneinsicht zu Recht den Erfolg. Es stellt ausdrücklich dar, dass es „nicht Aufgabe des Senats ist, sich aus dem völlig unüberschaubaren Konvolut an vorgelegten Unterlagen selbst herauszusuchen, wie sich die Kette von Erbfolgen vollzog“. Die Entscheidung zeigt, dass zur Einsichtnahme und/oder Erteilung von Ablichtungen der Nachlassakte konkret das rechtliche Interesse hierzu vorzutragen und glaubhaft zu machen ist. Entsprechende Einsichtsrechte haben kraft ihrer erbrechtlichen Stellung immer Vermächtnisnehmer, Nachlassgläubiger, Pflichtteilsberechtigte, jedoch nur eingeschränkt Erbenermittler.

FundstelleBayObLG, Beschluss vom 09.12.2024 – 102 VA 138/24 

 

... → mehr


11.12.2024
Erbschaftsteuer Abzugsposten

Erbschaftsteuer sparen - Abzugsfähige Bestattungskosten

Ihr Erbrechtsexperte und Fachanwalt für Erbrecht Wolfgang Roth gibt Tipps, wie man bei der Erbschaftsteuer sparen kann, indem man in der Erbschaftsteuererklärung bestimmte Abzugsposten aufnimmt.

In der Erbschaftsteuererklärung können unter Zeilen 98 ff. unter der Rubrik „Erbfallkosten“ entweder der Pauschalbetrag in Höhe von 10.300 Euro oder konkret angefallene Erbfallkosten, die dort näher bezeichnet sind, eingetragen und damit erbschaftsteuermäßig abgezogen werden. Der Beitrag gibt einen Überblick über verschiedene abzugsfähige Einzelpositionen.

I. Bestattungskosten

Die Kosten der Bestattung des Erblassers können alle in Zeile 99 eingetragen werden. Dabei handelt es sich vor allem um Aufwendungen für die Erd- oder Feuerbestattung des Verstorbenen. Auch die üblichen Aufwendungen für ein Trauerkaffee (Leichenschmaus) sind abzugsfähig. Anzusetzen sind alle mit der Bestattung des Erblassers verbundenen Aufwendungen, so dass auch die von der Kommune festgesetzten Gebühren für die Bestattung abzugsfähig sind. Wurde der Leichnam überführt, sind auch diese Kosten unter Zeile 99 einzuordnen.

Wird extra für die Bestattung Trauerkleidung angeschafft, stellt diese Bestattungskosten im Sinn des § 1968 BGB dar. Ebenfalls sind Todesanzeigen, selbst wenn sie ohne Nennung des Namens eines Angehörigen aufgegeben und veröffentlicht werden, unter dem Begriff der Beerdigungskosten zu nennen, ebenso wie Danksagungen, die publiziert werden. Reisekosten von Angehörigen zur Bestattung sind, sofern keine öffentlich-rechtliche Pflicht zur Anwesenheit besteht, nicht abzugsfähig.

II. Kosten des angemessenen Grabdenkmals

In Zeile 100 sind diese Aufwendungen einzutragen. Ein Grabdenkmal ist „angemessen“ (§ 10 V 3 S. 1 ErbStG), wenn es sich im üblichen Rahmen hält. Ausgaben für eine Zweitgrabstätte gehören hierzu dann, wenn die erste Grabstätte nur als vorübergehender Ruheplatz des Verstorbenen bestimmt war. Hierzu zählen insbesondere ein Grabstein sowie die Grabeinfassung. Kosten, die für ein Mausoleum anfallen und ca. 4/5 des gesamten Nachlasses ausmachen, sind nicht mehr „angemessen“.

III. Grabpflege

Dass Grabpflegekosten bei der Berechnung des Pflichtteils nicht berücksichtigungsfähig sind, ist zwischenzeitlich durch den BGH entschieden, da es sich bei der Grabpflege nicht um eine Rechtspflicht, sondern um eine sittliche Pflicht handelt. Nur wenn der Erblasser schon einen Grabpflegevertrag zu Lebzeiten abgeschlossen oder er den Erben testamentarisch zur Grabpflege beauftragte, ist dies anders zu werten.

Steuerrechtlich sieht das anders aus:

Grabpflegekosten sind die am Bestattungsort üblichen, für die Laufzeit des Grabnutzungsrechts entstehenden Kosten, die abgesetzt werden können. Hatte sich bereits der Erblasser für die Dauer des Nutzungsrechts zur Pflege eines Grabes eines Dritten (z.B. für das Grab der Eltern) verpflichtet und ist diese Pflicht auf seinen Erben übergegangen, sind die dafür anfallenden Aufwendungen ebenfalls abzugsfähig, wie der Bundesfinanzhof entschieden hat. Dies setzt jedoch voraus, dass der erbende Dritte dem Erwerb zustimmt und sich dadurch der öffentlich-rechtlichen Friedhofssatzung unterwirft. Die Zustimmung kann schon in der Entgegennahme der Grabnutzungsurkunde liegen.

Nach § 15 Abs. 2 des Bewertungsgesetzes (BewG) sind die „üblichen“ Grabpflegekosten an den Aufwendungen zu orientieren, die bei der Einschaltung von Fremdleistungen (z.B. einer Friedhofsgärtnerei) nach den üblichen Durchschnittspreisen des Ruheortes zu erwarten sind.

IV. Kosten der Nachlassregelung

Der Begriff der Nachlassregelungskosten ist weit auszulegen. Er umfasst die Kosten der tatsächlichen und rechtlichen Feststellung des Nachlasses sowie alle Kosten, die aufzuwenden sind, um die Erben in den Besitz der ihnen aus der Erbschaft zukommenden Güter zu setzen, wie das Finanzgericht Baden-Württemberg entschieden hat. Demnach zählen zu Nachlassregelungskosten auch diejenigen, welche dem Erben durch die gerichtliche Geltendmachung von zum Nachlass gehörenden Ansprüchen des Erblassers entstehen. Nach § 10 Abs. 5 Satz 1 ErbStG sind, soweit sich nicht aus Absätzen 6-9 etwas anderes ergibt, als Nachlassverbindlichkeiten u. a. diejenigen Kosten abzugsfähig, die dem Erwerber/Erbe unmittelbar in Zusammenhang mit der Abwicklung, Regelung oder Verteilung des Nachlasses oder mit der Erlangung seines Erwerbs, entstehen. Dieser unmittelbare Zusammenhang mit der Nachlassregelung liegt vor, wenn die Kosten in einem engen zeitlichen und sachlichen Zusammenhang mit dem Erwerb von Todes wegen und nicht erst durch die spätere Verwaltung des Nachlasses anfallen, was jeweils von den Einzelfallumständen abhängt.

Der enge sachliche Zusammenhang von Prozesskosten mit dem Nachlasserwerb ist gegeben, wenn die Klage eines Erben dazu dient, das Bestehen von nachlasszugehörigen Ansprüchen des Erblassers und somit den Nachlassumfang zu klären. Dasselbe gilt für die Prozesskosten des Erben, der die Herausgabe von Nachlassgegenständen einklagt.

Hat der Erbe die Nachlassobjekte in Besitz genommen, endet der sachliche Zusammenhang mit dem Erbschaftserwerb. Notwendig ist, dass die Prozesskosten in engem, auch zeitlichem Zusammenhang mit dem Erwerb stehen, was eine unverzügliche Klage nach dem Erbfall voraussetzt. Eine angemessene Prüfungs- und Vorbereitungszeit für eine Klage gewährt der BFH.

Zu den Nachlassregelungskosten rechnen auch die Kosten der Testamentseröffnung, die Gebühren für den Erbschein, Notar- und Sachverständigenkosten für die Erbauseinandersetzung und auch Kosten eines Steuerberaters für die Erstellung der Erbschaftsteuererklärung. Ein anschließendes Rechtsbehelfsverfahren wird hierunter nicht (mehr) verstanden. Die Gebühren des Testamentsvollstreckers sind ebenfalls abzugsfähig.

V. Sterbegeld

Nach Zeile 103 sind auch Zahlungen als Sterbegeld anzugeben, die beispielsweise die Krankenkasse oder die Beamtenversorgung oder sonstige Stellen leisten, da sie die Eigenaufwendungen des Erben mindern. Wenn der Erblasser Leistungen aus einer Sterbegeldversicherung zu seinen Lebzeiten bereits an ein Bestattungsunternehmen abgetreten hat, erhöht sich der Nachlass um den Sachleistungsanspruch der Erben gegen das Bestattungsunternehmen, also um die Kosten der tatsächlich erfolgten Bestattung. 

VI. Praxishinweis

Ihr Erbrechtsspezialist kann Sie dabei unterstützen, gegenüber dem Finanzamt möglichst wenige Erbschaftsteuern zu zahlen, indem die Vielzahl der Abzugsmöglichkeiten genutzt werden.

 

... → mehr


23.09.2024
Pflichtteil und Werte

Wertermittlung bei Immobilien im Pflichtteilsrecht

Einige Spezialfragen, die im Rahmen der pflichtteilsrechtlichen Bewertung des Nachlasses, vor allem bei Immobilien, immer wieder auftauchen, erläutert Ihr Erbrechtsexperte Wolfgang Roth das richtige Vorgehen.

I. Vorlage von Unterlagen zur Wertermittlung?

Soll ein Sachverständiger eine Nachlassimmobilie bewerten, ist er in der Regel auf die Vorlage von Unterlagen angewiesen, die er zur Herstellung seiner Expertise benötigt (z.B. Baupläne usw.). Der Anspruch auf Bewertung mittels eines Gutachtens steht neben dem Recht auf Vorlage der für die Wertberechnung erheblichen Unterlagen. Der Pflichtteilsschuldner hat alle Unterlagen, die für die konkrete Wertberechnung des am Todestag vorhandenen oder fiktiven Nachlasses erforderlich sind, vorzulegen, wie der Bundesgerichtshof (BGH) und das Oberlandesgericht (OLG) Köln entscheiden haben. Insbesondere hat der zur Auskunft verpflichtete Erbe einen Grundbuchauszug vorzulegen, Angaben über Instandhaltungsmaßnahmen, Kontaminierungen zu machen und, sofern einschlägig, Mietverträge zur Berechnung der Ertragswertbestimmung vorzulegen. Stützt der Sachverständige sein Gutachten auf solche Unterlagen, sind sie seinem Gutachten beizufügen, andernfalls kann der Pflichtteilsberechtigte die Richtigkeit der Angaben nicht sicher feststellen.

II. Besichtigung der Nachlassimmobilie zwecks Begutachtung

Nicht selten ist im Rahmen der Ermittlung des fiktiven Nachlasswertes eine Immobilie erblasserseits noch vermietet oder veräußert worden. Grundsätzlich kann sich der Mieter bzw. Neueigentümer weigern, die Immobilie zwecks Bewertung betreten zu lassen. In diesem Fall hat der Erbe notfalls klageweise Duldungserklärungen des Besitzers zu erzwingen, wie das Bayerische Oberste Landesgericht (BayObLG) 1989 entschieden hat. Der Anspruch stützt sich auf § 241 Absatz 2 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) als nachvertragliche Nebenpflicht des neuen Eigentümers, § 242 BGB oder § 809 BGB als Besichtigungsrecht des Vermieters. Hatte der Erblasser die Immobilie zu Lebzeiten verschenkt, kann der Pflichtteilsberechtigte hingegen selbst nach § 242 BGB einen Duldungsanspruch gegen den Dritten durchsetzen; dieses Recht gesteht ihm der BGH zu.

III. Die prozessuale Wirkung des Sachverständigentestats

Der Wertermittlungsanspruch ist als vorbereitender Anspruch für den Zahlungsanspruch im Rahmen der Pflichtteilsgeltendmachung zu sehen. Er hat den Zweck, den Berechtigten in die Lage zu versetzen, das Risiko eines Prozesses über den Pflichtteil abschätzen zu können, wie das OLG Karlsruhe ausgeurteilt hat. Prozessual ist das vorgerichtlich eingeholte Wertermittlungsgutachten als Parteivortrag zu sehen und somit nicht bindend laut OLG Köln. Hingegen ist es als substantiierter Parteivortrag zu werten, wodurch die Darlegungslast für den den im Gutachten festgestellten Wert bestreitenden Pflichtteilsschuldner erhöht wird.

IV. Wertermittlungsanspruch bei Verdacht fiktiven Nachlasses?

Der bloße Verdacht, dass eine ergänzungspflichtige Schenkung vorliegt, genügt nicht, um auf Kosten des Nachlasses ein Gutachten einholen zu lassen. Dass die verschenkte Nachlassimmobilie der Pflichtteilsergänzung unterliegt, muss der Pflichtteilsberechtigte darlegen und beweisen, was auch bei einer gemischten Schenkung gilt, so der BGH. Um einen Anspruch aus § 2042 BGB zur Wertermittlung zuzulassen, müssen also greifbare Anhaltspunkte für eine unentgeltliche Verfügung vorliegen und der Pflichtteilsberechtigte die Kosten selbst übernehmen.

V. Die Auswahl des Sachverständigen

Der Pflichtteilsberechtigte kann nicht vorgeben, welchen Sachverständigen der Erbe auszuwählen hat. Dies obliegt allein dem Erben, wie das OLG Schleswig schon 1974 festgestellt hat. Allerdings muss der Gutachter unabhängig sein. Dies ist nicht der Fall, wenn er nach den Grundsätzen, die zur Befangenheit eines Sachverständigen von der Rechtsprechung entwickelt wurden, befangen sein kann. Liegen engere persönliche, familiäre oder geschäftliche Beziehungen zwischen dem Erben und dem Gutachter vor, ist in der Regel die Befangenheit gegeben. Seine Unparteilichkeit muss nicht dadurch nachgewiesen sein, dass er öffentlich vereidigt ist.

VI. Der Bewertungszeitpunkt

Nach dem Stichtagsprinzip ist als Bewertungszeitpunkt der Erbfall heranzuziehen, § 2311 Absatz 1 Satz 1 BGB. Nachträglich eingetretene Wertsteigerungen oder Wertverluste des Bewertungsobjekts sind irrelevant, wie der BGH bekräftigt. Wird der Nachlassgegenstand jedoch ca. 3 Jahre nach dem Todesfall veräußert, ist statt der Einschätzung des Wertes mittels Gutachten der Verkaufserlös maßgeblich; der Gutachter schätzt nur den Wert es Objekts, den Wert selbst macht der Markt, der sich im zeitnahen Verkaufserlös niederschlägt.

Bei ergänzungspflichtigen Zuwendungen richtet sich der Bewertungszeitpunkt nach § 2325 II BGB. Demnach kommt es auf den Zeitpunkt der Schenkung an hinsichtlich verbrauchbarer Sachen. Das Niederstwertprinzip ist zu beachten: Sind Nutzungen vorbehalten (z.B. Nießbrauch oder Wohnungsrecht bei vorweggenommener Immobilienübergabe mittels eines Übergabevertrages) sind diese ebenfalls auf den Zeitpunkt der Einräumung als auch auf den Todeszeitpunkt zu bewerten, um im Rahmen des Niederstwertprinzips eine korrekte Berechnung vorzunehmen. 

VII. Selbstvornahme durch den Pflichtteilsberechtigten?

Der Anspruch auf Wertermittlung ist sofort fällig, § 271 BGB. Holt der Pflichtteilsgläubiger auf eigene Kosten eigenmächtig ein Gutachten ein, kann er die dadurch entstehenden Kosten dem Erben bzw. dem Nachlass nicht aufbürden. Dies gilt selbst dann, wenn der Erbe mit der Erstellung des Gutachtens in Verzug ist (§ 286 BGB). Insoweit liegt kein kausaler Verzugsschaden vor.

Gelingt es dem Pflichtteilsberechtigten hingegen, unter Zugrundelegung seines eigenmächtig eingeholten Gutachtens seinen späteren Zahlungsanspruch zu untermauern, kann er diese Gutachterkosten nach § 91 Absatz 1 der Zivilprozessordnung (ZPO) als Kosten des Rechtsstreits erstattet verlangen, sofern diese zur Rechtsverfolgung notwendig waren, wie das OLG Stuttgart 2006 bekräftigte. Dieselben Grundsätze gelten für ein vom Pflichtteilsgläubiger eingeholtes Gegengutachten, mit dem er ein gerichtlich eingeholtes Wertgutachten widerlegt oder erschüttert. Kommt der Erbe seiner Wertermittlungspflicht nicht nach, schuldet er keine Vorschusszahlung gegenüber dem Pflichtteilsberechtigten aus dem Nachlass, damit jener das Gutachten im Rahmen einer Ersatzvornahme selbst erstellen kann. Hierfür ist ein Vollstreckungsverfahren nach § 888 ZPO einzuleiten, wie das OLG Frankfurt 1987 bestätigte.

IIX. Fazit

Die Bewertung einer Nachlassimmobilie ist nicht so einfach, wie es auf den ersten Blick scheinen mag. Diverse Fallstricke können dem Pflichtteilsberechtigten zum wirtschaftlichen Nachteil gereichen, die er entweder gar nicht erkennt oder die ihm der Erbe auslegt. Ihr Erbrechtsexperte unterstützt Sie bei der korrekten Wertermittlung.

 

... → mehr


19.07.2024
Lebenspartner als Erbe

Eingetragener Lebenspartner kann nach Trennung Erbe bleiben

Erbrechtsexperte Wolfgang Roth erläutert, wie ein per Testament berufener, eingetragener Lebenspartner einr Lebenspartnerschaft auch dann Erbe bleiben kann, wenn die Partnerschaft beim Tod beendet war. Das hat das Oberlandesgericht (OLG) München an Hand eines aktuellen Falles entschieden:

Der Leitgedanke des Senates

Wird eine eingetragene Lebenspartnerschaft nur wegen äußerer Umstände aufgehoben, gilt eine testamentarische Erbeinsetzung des (ehemaligen) Lebenspartners fort, wenn eine persönliche Entfremdung der Lebenspartner nicht anzunehmen ist.

Der entschiedene Sachverhalt

Der Erblasser lebte in einer eingetragenen Lebenspartnerschaft und bestimmte seinen Mann testamentarisch zum Alleinerben. 5 Jahre später endete die Lebenspartnerschaft, weil der (spätere) Alleinerbe wegen Pflegebedürftigkeit und Krankheit zu seiner Tochter zog. Diese stellte für ihn einen Alleinerbscheinsantrag, dem ein Nachlasspfleger sowie ein Verfahrenspfleger entgegentraten. Das Amtsgericht wies den Erbschein ab, das OLG weist das Amtsgericht hingegen an, den Erbschein zu erteilen.

Die tragenden Gründe der Entscheidung 

Entscheidend ist nur, ob durch die Auflösung der eingetragenen Partnerschaft das Testament nach § 2077 Absatz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) unwirksam wurde. Das ist nicht anzunehmen, wenn der Verstorbene die Erbeinsetzung auch für den Fall der Auflösung der Partnerschaft getroffen hätte. Ein Zeuge gab eine eidesstattliche Versicherung vor einem Notar ab, dass die Aufrechterhaltung der Wirksamkeit des Testaments dem Erblasserwillen entsprach. Der Zeuge gab an, dass ein freundschaftliches Verhältnis zwischen dem Erblasser und seinem eingetragenen Lebenspartner auch nach dessen Wegzug fortbestand. Dem Verstorbenen lag weiterhin an der Gemeinschaft mit dem Erben. Die Zerrüttung der Partnerschaft erfolgte nicht im Bewusstsein, dass die Gemeinschaft beendet sein sollte. Vielmehr drohte aufgrund des rechtlichen Status der Partnerschaft, dass der (spätere) Erblasser für Gesundheits- und Behandlungskosten des Alleinerben haften hätte müssen. Nur um dies zu vermeiden, führte dieser äußere Umstand zur Beendigung der Partnerschaft, wobei die emotionale Verbundenheit fortbestand. Dies deutet sich im Wortlaut des Testaments insoweit an, dass der Alleinerbe dort als „Lebensgefährte“ und nicht als „Lebenspartner“ bezeichnet wird. All diese Umstände des Einzelfalles zeigen, dass der Fortgeltungswille der letztwilligen Verfügung dem mutmaßlichen Willen des Erblassers entsprach.

Praxishinweis für Sie

Grundsätzlich verlieren testamentarische Verfügungen nach einer Ehescheidung bzw. Aufhebung einer eingetragenen Lebenspartnerschaft nach § 2077 Absatz 1 BGB ihre Wirkung. Die Fälle, dass ein Fortgeltungs- bzw. Aufrechterhaltungswille nach § 2077 Absatz 3 BGB nicht nur behauptet, sondern auch zur Überzeugung des Gerichts bewiesen werden kann, sind eher selten. Dazu kommt es auf den hypothetischen Erblasserwillen zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung an. Die Beweislast für die Fortgeltung der letztwilligen Verfügung (zum Beispiel der Erbeinsetzung) trifft denjenigen, der sich darauf beruft, sodass zu beweisen ist, dass der Erblasser die Verfügung auch für den Fall der Ehescheidung bzw. Beendigung der eingetragenen Lebenspartnerschaft getroffen hätte.

Fundstelle: OLG München, Beschluss vom 25.06.2024 – 31 Wx 250/18

... → mehr


09.07.2024
kostenfreie Umschreibung von Immobilien

Keine Kosten bei Umschreibung der Nachlassimmobilie

Ihr Erbrechtsexperte Wolfgang Roth gibt an Hand der neuen Rechtsprechung Tipps zur kostenfreien Umschreibung einer Immobilie im Grundbuch für Miterben:

Der Leitgedanke des Gerichts

Liegt der Antrag zur Umschreibung einer Nachlassimmobilie auf den Erben innerhalb von zwei Jahren beim Grundbuchamt vor, ist die Umschreibung auch dann kostenlos, wenn die zum Vollzug erforderlichen weiteren Unterlagen erst nach Ablauf der Zweijahresfrist beigebracht werden.

Die wichtigsten Gründe der Entscheidung

Am 12. Mai 2021 trat der Sterbefall ein, der die Umschreibung einer Nachlassimmobilie auf die Miterben erforderlich macht. Durch Notarverträge setzen sich die Miterben auseinander. Am 12.01.2023 ging der Antrag auf Vollzug der Umschreibung beim Grundbuchamt ein. Die Umschreibung im Grundbuch konnte zunächst nicht erfolgen, da  noch eine Baugenehmigung nach § 144 des Baugesetzbuchs sowie eine Unbedenklichkeitsbescheinigung des Finanzamtes vorzulegen waren. Dies geschah am 17. Mai 2023, also 5 Tage nach Ablauf der Zweijahresfrist, die für die Gebührenbefreiung gilt. Die Miterben wenden sich erfolgreich gegen die Rechnung des Grundbuchamtes mit dem Rechtsmittel der Erinnerung.

Der Senat folgt der obergerichtlichen Rechtsprechung, die auf den bloßen Eingang des Umschreibungsantrages beim Grundbuchamt innerhalb der zwei Jahre abstellt. Hierfür sprechen sowohl der Wortlaut der Kostenvorschrift als auch die vom Gesetzgeber beabsichtigte zügige Berichtigung des Grundbuchs mittels Gebührenbefreiung. Die Erben können nur den Berichtigungsantrag beim Grundbuchamt stellen, alle weiteren zum Vollzug nötigen Schritte, wie beispielsweise die Vorlage erforderlicher weiterer Nachweise zum Vollzug des Antrages liegen teilweise nicht in deren Machtbereich; dies ist für die Antragsteller nicht beherrschbar. Auch die Grundsätze der Rechtsicherheit und Rechtsklarheit stehen der rein formalen Auslegung der Vorschrift zur Seite. 

Praxistipps 

Der Beschluss zeigt, dass eine Erbauseinandersetzung möglichst zügig angegangen werden und ein Antrag zur Umschreibung einer Nachlassimmobilie alsbald gestellt werden sollte. In der Regel genügt hierfür die Zweijahresfrist, die allerdings in streitigen Fällen zu kurz bemessen sein kann.

Notfalls kann sich der innerhalb der Zweijahresfrist gestellte Umschreibungsantrag in eine Zwischenverfügung des Grundbuchamtes „hinüberretten“, wenn abzusehen ist, dass zum Vollzug nötigen Unterlagen innerhalb der zwei Jahre nicht beigebracht werden können.

In der Regel setzt das Grundbuchamt dann per Zwischenverfügung eine Frist, um Unterlagen beizubringen; die Gebührenbefreiung bleibt dann aber bestehen.

Fundstelle: OLG Bamberg, Beschluss v. 23.05.2024 – 10 Wx 13/24 

... → mehr


17.05.2024
Topp-Bewertung unserer Kanzlei

CAPITAL zeichnet unsere Kanzlei wieder aus

Wiederholte Auszeichnung

Zum fünften Mal in Folge hat Statista gemeinsam mit den renommierten Medienmarken stern und Capital die Studie zu den „Besten Anwaltskanzleien für Privatmandanten“ durchgeführt. Unsere Erbrechtskanzlei „Roth & Maulbetsch“ gehört bundesweit wieder zu den Besten in der Kategorie „Erbrecht“.

Zur Einordnung der Bewertung

Die unabhängig durchgeführte Studie basiert auf einer Befragung unter Rechtsanwält*innen in Deutschland. Dabei wurden insgesamt über 16.260 Empfehlungen ausgewertet, die für Kanzleien in zwölf verschiedenen Rechtsgebieten abgegeben wurden. Nur Kanzleien mit überdurchschnittlich häufigen Empfehlungen werden ausgezeichnet.

Die Veröffentlichung der Bestenliste finden Sie ab sofort online unter:

capital.de/kanzleien-2024 & stern.de/kanzleien-2024.

Ebenfalls wird die Studie in den aktuellen Print-Ausgaben der Magazine stern und Capital veröffentlicht. 

So erfolgte die Abstimmung 

Wer einen guten Anwalt sucht, erwartet Kompetenz, Reputation und einen vertrauensvollen Umgang. Diese Studie, die das Marktforschungsinstitut Statista jährlich gemeinsam mit Capital und dem „Stern“ erhebt, soll dabei helfen, den passenden Rechtsexperten zu finden. Mittels einer breit angelegten Befragung wurden zum fünften Mal die besten Kanzleien für Privatmandanten ermittelt. Sieben Rechtsgebiete werden in Capital abgebildet, weitere fünf lassen sich im „Stern“ nachlesen. Auf capital.de/rechtsanwaelte können gezielt Fachleute nach Rechtsgebieten und Regionen gesucht werden. 

Die Methode 

Juristen können die Qualität ihrer Kollegen am besten einschätzen und wissen, auf wen Verlass ist und wer vor Gericht das meiste für seine Mandanten herausholt. Für die Studie in diesem Jahr wurden 30.622 Rechtsanwälte eingeladen, an einer Onlineumfrage teilzunehmen, die vom 4. Oktober bis zum 1. Dezember 2023 lief. 

Die Entscheidung 

Pro Fachbereich konnten die Rechtsanwälte bis zu zehn Empfehlungen für Kanzleien abgeben. Eigennennungen waren tabu. Insgesamt 3791 Teilnehmer gaben ihr Votum ab. Auf die Bestenliste schafften es nur Kanzleien, die überdurchschnittlich häufig von Kollegen empfohlen wurden. Kanzleien mit nur wenigen Empfehlungen wurden dagegen nicht aufgenommen. Dies stellt keine Qualitätsaussage über Kanzleien dar, die nicht in der Liste vertreten sind. Je nach Rechtsgebiet sind die Bestenlisten unterschiedlich lang. Unterteilt wurden die Aufstellungen in regional und überregional vertretene Kanzleien.

Über Statista 

Statista veröffentlicht regelmäßig weltweit etablierte Rankings und Unternehmens-Toplisten mit hochkarätigen Medienpartnern. Das führende Daten- und Business-Intelligence-Portal bietet Statistiken, geschäftsrelevante Daten und zahlreiche Markt- und Verbraucherstudien.

Das Gütesiegel

129 Kanzleien erhielten diesmal eine Topbewertung.

Quelle: https://www.capital.de/wirtschaft-politik/von-baurecht-bis-erbrecht--das-sind-die-besten-rechtsanwaelte-34714304.html (Abruf 17.5.2024, 07:41 Uhr)

 

 

Wir freuen uns sehr über die erneute Auszeichnung und stehen Ihnen auch für schwierige Rechtsfragen und Vertretung rund ums Erbrecht zur Verfügung!

Ihre Erbrechtsexperten

Wolfgang Roth und Thomas Maulbetsch

 

... → mehr


16.05.2024
Testament von Ehegatten

Testierfähigkeit beider Ehegatten für Berliner Testament nötig

Das Oberlandesgericht (OLG) Celle hat jüngst entschieden, dass, wenn Ehegatten gemeinsam ein Testament errichten, beide testierfähig sein müssen, andernfalls es unwirksam ist. Ihr Erbrechtsexperte Wolfgang Roth erläutert für Sie die Entscheidung:

Der Leitgedanke des Gerichts

Ehegatten können ein gemeinschaftliches Testament nur dann wirksam errichten, wenn beide zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung testierfähig sind.

Der entschiedene Sachverhalt

Ein Ehepaar errichtete gemeinsam ein Testament und setzte sich zunächst gegenseitig zum Erben ein. Im selben Jahr errichteten sie einen gemeinschaftlichen Nachtrag, wonach eine Vor- und Nacherbschaft dergestalt angeordnet wurde, dass der überlebende Ehegatte befreiter Vorerbe und deren Tochter Nacherbin sein sollte. Zwei Jahre vor der Testamentserrichtung musste die Ehefrau wegen einer Demenzerkrankung in ein Pflegeheim. Ein Jahr vor der Testamentserstellung töte der Erblasser seine Schwester und wurde in geschlossener Psychiatrie, in der er sich das Leben nehmen wollte, untergebracht. Nach dem Tod des Ehemannes beantragte die Witwe einen Alleinerbschein als befreite Vorerbin aufgrund der Testamentsergänzung. Nach Einholung von Gutachten wollte das Amtsgericht dem Antrag stattgeben. Dagegen wehrt sich erfolgreich der Sohn.

Die tragenden Gründe des Beschlusses

Ein wirksames gemeinschaftliches Ehegattentestament nach §§ 2265, 2267 Absatz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) setzt voraus, dass beide Ehegatten bei der Testamentserrichtung testierfähig sind. Ein Testament nicht errichten kann, wer nach § 2229 Absatz 4 BGB wegen krankhafter Störung der Geistestätigkeit, Geistesschwäche oder wegen Bewusstseinsstörungen nicht in der Lage ist, die Bedeutung einer von ihm abgegebenen Willenserklärung einzusehen und nach dieser Einsicht zu handeln. Da ein gemeinschaftliches Testament vom Willen beider Eheleute getragen ist, erfordert eine wirksame Verfügung die Testierfähigkeit eines jeden Ehegatten. Daran fehlte es bei einem Ehegatten, so dass der Sohn Recht bekommt.

Praxishinweis für Sie

In der Praxis wird gerne übersehen, dass ein Ehegattentestament die Testierfähigkeit beider Ehepartner voraussetzt. Nicht selten wird nur auf die Testierfähigkeit des überlebenden Ehepartners nach dessen Nachversterben abgestellt, was jedoch zeitlich zu spät ansetzt: War schon der vorverstorbene Ehepartner nicht mehr testierfähig, ist bereits zu diesem Zeitpunkt diese Frage für die Erbfolge zu klären. Wie die einzelnen Prüfschritte erfolgen und was notfalls gegenüber dem Gericht vorgetragen und unter Beweis gestellt werden muss, um die Testierunfähigkeit wirksam einzuwenden, erklärt Ihnen Ihr Erbrechtsexperte.

Fundstelle: OLG Celle, Beschluss vom 14.03.2024- 6 W 106/23 = BeckRS 2024, 7121

... → mehr


02.05.2024
Keine Testierunfähigkeit bei Krankheit

Wirksames Testament trotz Depression und Alkoholmissbrauch

Selbst mehrere Krankheiten führen noch nicht zu einer Testierunfähigkeit. Dies hat das Oberlandesgericht (OLG) Brandenburg anhand eines entschiedenen Falles festgestellt, den Ihnen Ihr Erbrechtsexperte Wolfgang Roth erläutert:

Der Leitgedanke des Beschlusses

Eine Testierfähigkeit kann auch dann vorliegen, wenn der Verstorbene an erheblichen Erkrankungen litt, diese aber keinen Einfluss auf die freie Willensbildung im Rahmen der Erstellung seines Testaments haben.

Der entschiedene Sachverhalt

Der Erblasser litt an einer bipolaren Störung, Depressionen und Alkoholmissbrauch. Kurz vor seinem Selbstmord schrieb er noch einen Abschiedsbrief, wonach er noch „alle Erbschaftsangelegenheiten regeln wollte“. In seinem handschriftlichen Testament bestimmte er sodann seine Ziehtochter zur Alleinerbin. Dem von ihr beantragten Erbschein, der ihre Stellung als Alleinerbe ausweisen sollte, wollte das Nachlassgericht stattgeben. Die Schwester des Verstorbenen trat dem Erbscheinsantrag entgegen und trug vor, er sei krankheitsbedingt testierunfähig gewesen. Das OLG gibt der Ziehtochter Recht.

Die tragenden Gründe des Beschlusses

Eine Testierunfähigkeit nach § 2229 Absatz 4 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) konnten eingeholte Sachverständigengutachten nicht bestätigen. Zwar litt der Erblasser an den genannten Erkrankungen und an weiteren körperlichen Einschränkungen, welche die Sachverständigen bestätigten. Allerdings geben die genannten Gründe für sich alleine keinen zwingenden Schluss auf eine Testierunfähigkeit her. Nur dann, wenn die gesundheitlichen Einschränkungen eine Geisteskrankheit oder erhebliche Geistesschwäche verursachen, welche die freie Willensbestimmung ausschließen oder zu einer solch starken Bewusstseinsstörung führen, liegt auch eine Testierunfähigkeit vor. Gerade weil der Verstorbene in seinem Abschiedsbrief vorgab, seine gesamte Erbschaftsangelegenheit regeln zu wollen, zeigt, dass er ein planvolles, strukturiertes Verhalten im erbrechtlichen Bereich besaß.

Auch war das Testament flüssig und mit fester Handschrift inhaltlich stringent abgefasst, was auf keine Beeinträchtigung seiner geistigen Fähigkeiten zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung hindeutet. Deshalb bleibt das Testament gültig.

Praxishinweis für Sie

Die Entscheidung zeigt einmal mehr, dass die bloße Tatsache erheblicher Erkrankungen noch keinen zwingenden Schluss auf eine Testierunfähigkeit zulassen kann. Nur dann, wenn eine Willensbeeinträchtigung ursächlich auf solche Erkrankungen zurückzuführen ist, schließt dies die Testierfähigkeit aus. Ohne greifbare Anhaltspunkte, beispielsweise wahnhaftes Verhalten des Testierenden usw., welche zunächst dem Gericht vorzutragen und zu beweisen sind, ist es dem Gericht ohnehin untersagt, über diesen Kausalzusammenhang Sachverständigengutachten einzuholen. Dies wurde bereits mehrfach entschieden und die Obergerichte haben zu dieser Frage eine Prüfungsreihenfolge festgelegt, die Ihr Erbrechtsexperte Wolfgang Roth in der Fachzeitschrift NJW-Spezial 2018, S. 744 zusammengefasst hat. 

Fundstelle: OLG Brandenburg, Beschluss vom 19.03.2024 - 3 W 28/24

 

... → mehr


16.04.2024
Vortrag in Öhringen

Notfallvorsorge durch Patientenverfügung und Vollmachten

Rechtliche Sicherheit – Gesetzliche Betreuung, Patientenverfügung, Vorsorgevollmacht, Ehegatten-Notvertretung

Für viele ist es ein Thema, das gerne verdrängt wird, im Ernstfall jedoch von entscheidender Bedeutung sein kann: Wie kann ich vorsorgen für den Fall, dass ich selbst nicht mehr handlungsfähig bin? Wir laden gemeinsam mit dem renommierten Fachanwalt für Erbrecht Wolfgang Roth im Rathaus Öhringen zu einer Informationsveranstaltung über gesetzliche Betreuung, Patientenverfügung, Vorsorgevollmacht und Ehegattennotvertretung ein.

Teilnehmerinnen und Teilnehmer werden über wesentliche Aspekte des Erbrechts, der Testamentsgestaltung und des Ehegatten-Notvertretungsrechts informiert. Besonderes Augenmerk liegt auf der Bedeutung von rechtlichen Vorsorgemaßnahmen wie Vorsorgevollmacht, Betreuungsverfügung und Patientenverfügung gelegt.

Diese Dokumente spielen eine entscheidende Rolle, um im Fall des Falles die eigene Handlungsfähigkeit zu erhalten und Angehörige zu entlasten. Interessierte sind herzlich eingeladen, sich über wichtigen Rechtsfragen zu informieren und ihre Fragen im Anschluss an die Veranstaltung direkt an den Experten zu richten.

Referent: Wolfgang Roth, Fachanwalt für Erbrecht

Die Veranstaltung ist kostenfrei.

Um Anmeldung wird gebeten. Tel: 07941 692-508a.dreiwes@bbt-gruppe.de

Details

Do., 18. April 2024, 18:00 - 20:00 Uhr
Veranstaltungsort Rathaus Öhringen, Blauer Saal
Marktplatz 15, 74613 Öhringen
... → mehr


09.04.2024
Notarverzeichnis richtig?

Pflichtteil: Auch notarielles Nachlassverzeichnis muss richtig sein

Das Oberlandesgericht (OLG) Bamberg hat entschieden, dass auch bei einem notariellem Nachlassverzeichnis, das im Pflichteilrecht erstellt wird, die eidesstattliche Versicherung über dessen Richtigkeit verlangt werden kann. Ihr Erbrechtsexperte Wolfgang Roth erläutert die neue Entscheidung für Sie:

Der Leitgedanke des Gerichts

Der Anspruch auf eidesstattliche Versicherung nach § 260 Absatz 2 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) besteht auch für ein von einem Notar erstelltes Nachlassverzeichnis. Der Anspruch setzt nur den Verdacht der Unvollständigkeit und der mangelnden Sorgfalt des Verzeichnisinhalts voraus.

Der entschiedene Sachverhalt

Eine Erbin wurde vom Gericht dazu verurteilt, ein notarielles Nachlassverzeichnis im Rahmen ihrer Auskunftspflicht gegenüber der pflichtteilsberechtigten Schwester abzugeben. Der Anspruch nach § 260 Absatz 2 BGB auf Abgabe der eidesstattlichen Versicherung war ebenfalls im Urteil festgeschrieben. Dagegen legte sie Berufung ein. Das Berufungsgericht (OLG) fasste einen sogenannten Hinweisbeschluss, wonach es beabsichtigte, die Berufung zurückzuweisen.

Die tragenden Gründe der Entscheidung

§ 260 Absatz 2 BGB unterscheidet seinem Wortlaut nach nicht danach, ob das Nachlassverzeichnis privatschriftlicher oder notarieller Art ist. Wenn Grund zur Annahme besteht, dass das Verzeichnis nicht mit der erforderlichen Sorgfalt aufgestellt wurde, ist die eidesstattliche Versicherung abzugeben. Zur Anwendung der Vorschrift genügt ein nur dahingehender Verdacht der Unrichtigkeit des Inhalts des Verzeichnisses. Dieser Verdacht muss sich auf Tatsachen gründen, die der Auskunftsberechtigte darlegen und notfalls beweisen muss. Dieser Verdachtsgrund kann sich bereits aus der Auskunft selbst (also dem Verzeichnis) ergeben, aber auch auf anderen Umständen beruhen, z. B. auf früheren, unvollständigen oder unrichtigen Informationen des Auskunftsschuldners.

Im notariellen Verzeichnis wurde von der Erbin erstmals eine Schenkung über mehrere zehntausend EUR durch die Erblasserin an sie selbst eingeräumt, die zuvor nicht im Verzeichnis aufgeführt war. Ein angebliches Darlehen der Verstorbenen an die Erbin, das für den Fall seines Bestehens zu einer Nachlassverbindlichkeit geführt und den Pflichtteil reduziert hätte, wurde von der Pflichtteilsberechtigten bestritten. Hierzu erklärte sich die Erbin nicht, was auf ein mögliches Zusammenwirken von Erblasserin und beklagter Erbin zum Nachteil der Pflichtteilsberechtigten darstellen und dadurch Zweifel an der Richtigkeit der Auskunft säen kann. Aus diesen Gründen ist der Anspruch nach § 260 Absatz 2 BGB nach Ansicht des Senats gegeben.

Praxishinweis für Sie

Neben den klaren Ausführungen zum Umfang des § 260 Absatz 2 BGB gibt der Senat vor, dass der hilfsweise geltend gemachte Haftungsbeschränkungsvorbehalt nach § 780 der Zivilprozessordnung (ZPO) in der zweiten Stufe bei der eidesstattlichen Versicherung nicht entgegengehalten werden kann. Die Haftungsbeschränkung des § 780 ZPO erfasst nur den Anspruch auf Zahlung des Pflichtteils, nicht die vorbereiteten Nebenansprüche (Auskunftsanspruch, Wertermittlung und eidesstattliche Versicherung). 

Das Pflichtteilsverfahren ist kompliziert, weshalb sich derjenige, dem ein Pflichtteil zusteht, fachanwaltlicher Unterstützung bedienen sollte; andernfalls können erhebliche Verluste der Pflichtteilszahlung drohen.

Fundstelle: OLG Bamberg, Beschluss vom 29.12.2023 – 2 U 5/23e 

... → mehr


Ausgezeichnet durch:

Focus 2024 Focus 2023 Focus 2022 Focus 2021 Focus 2020 WiWo 2021 WiWo 2019 WiWo 2019 WiWo 2024

Empfohlen durch:

WWF Christoffel Blindenmission Verband Wohneigentum e.V. OM Deutschland GBA Ships Blinden- und Sehbehindertenverein Hamburg e.V. Geschenke der Hoffnung
In Kooperation mit:

Fachanwälte für Erbrecht Testamentsvollstrecker, Testamentsvollstreckung Mediation im Erbrecht